Wie man den Blinddarm richtig behandelt

Dr. Dorothea Ranft

Wenn Antibiotika nicht ausreichen, muss die Appendix entfernt werden. Wenn Antibiotika nicht ausreichen, muss die Appendix entfernt werden. © Science Photo Library/CNRI

Die Kontroverse um die Appendizitis beginnt schon bei der Diagnostik: Während die einen eine routinemäßige Bildgebung fordern, halten die anderen den Einsatz nur in Zweifelsfällen für sinnvoll. Umstritten ist auch die Therapie: Können Antibiotika und Drainage das Skalpell ersetzen?

Auf Symptome wie abdominelle Schmerzwanderung, Abwehrspannung im rechten Unterbauch und Douglas-Druckschmerz ist bei der akuten Appendizitis kein Verlass. Sie müssen ebenso wenig vorhanden sein wie Erbrechen oder Fieber.

Bildgebende Verfahren (Sonographie, CT und MRT) können die Rate negativer Appendektomien, d.h. von Eingriffen ohne entzündlichen Befund, senken. Sie sollten aber nicht routinemäßig eingesetzt werden, sondern nur in unklaren Fällen, fordern Privatdozent Dr. René­ Fahrner­ vom Bürgerspital Solothurn und Professor Dr. Daniel­ Inderbitzin­ vom Spital Tiefenau in Bern. Denn die Sonographie ist stark untersucherabhängig, die CT mit einer relevanten Strahlenbelastung verbunden und die MRT im Notfall nicht überall verfügbar.

Wie viel Diagnostik?

  • Anamnese:
    Schmerzen (Zeitpunkt, Charakter, Wanderung, Intensität, Ausstrahlung), Störungen der Magen-Darm-Passage (Erbrechen, Durchfall), Dysurie, Dysmenorrhö, Dyspareunie
  • Körperliche Untersuchung:
    Inspektion, Auskultation, Palpation des Abdomens und Rektums: Schmerzlokalisation, Abwehrspannung, Resistenzen, Bruchpforten, Schmerzen im Bereich des Nierenlagers

Kontrovers diskutiert wird derzeit die optimale therapeutische Strategie. Nach aktueller Datenlage können Patienten mit akuter Appendizitis erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden. Für die konservative Behandlung spricht die geringere Komplikationsrate. Dafür treten aber mehr Rezidive auf, die dann doch eine OP erfordern. Die primäre Erfolgsquote liegt je nach Studie zwischen 63 % und 83 %.

Weniger Infektionen nach laparoskopischer Entfernung

In der Chirurgie hat sich nach einigem Streit das laparoskopische Verfahren durchgesetzt. Die minimal-invasive Technik erzielt mindes­tens ebenso gute Ergebnisse wie die offene Append­ektomie. Hinsichtlich Morbidität und Mortalität sowie der Länge des stationären Aufenthalts ist sie eventuell sogar überlegen. Auch bei der perforierten Appendizitis bietet das laparoskopische Verfahren Vorteile: Innerhalb derselben Sitzung kann das gesamte Abdomen exploriert werden und bakteriell kontaminierte Flüssigkeit im kleinen Becken lässt sich leicht ausspülen. Zudem kommt es nach dem Eingriff seltener zu Infektionen. Auch bei Kindern steht die minimal-invasive Technik ganz oben. Sie können ggf. schon am Tag des Eingriffs nach Hause entlassen werden. Ein weiterer Pluspunkt der Laparoskopie: Bei Frauen im gebärfähigen Alter scheint das Risiko für die Bildung von Adhäsionen verringert. Für die akute Appendizitis mit lokaler Abszessbildung empfiehlt die europäische Fachgesellschaft für endoskopische Chirurgie eine konservative Initialtherapie. Je nach Befund soll der Patient nur mit einem Antibiotikum oder in Kombination mit einer Drainage behandelt werden. Dieses Vorgehen senkt die Morbidität und verringert das Ausmaß der später notwendigen Operation (Appendektomie, Hemikolektomie, ileozökale Resektion). Vor allem bei Tumorverdacht, aber auch bei rezidivierenden Beschwerden sollte die Appendix in einer entzündungsfreien Phase entfernt werden. Heftig diskutiert wurde in den vergangenen Jahren über den optimalen Zeitpunkt der Append­ektomie. Aktuelle Studiendaten zur unkomplizierten Entzündung deuten darauf hin, dass eine Verzögerung um bis zu 24 Stunden weder zu einer Perforation noch zu vermehrten postoperativen Komplikationen führt. Dies gilt jedoch nicht für die komplizierte Appendizitis. Auch aus juristischen Gründen raten die Autoren dazu, bei jedem Patienten individuell zu entscheiden, ob Abwarten gerechtfertigt ist. Die Rate der nicht-indizierten Appendektomien liegt mitunter bei mehr als 20 %. Man kann jedoch darüber streiten, ob es sich dabei um eine Komplikation handelt, meinen die Schweizer Chirurgen. Schließlich wird bei unklarem Befund unter fortbestehendem Entzündungsverdacht eine diagnostische Laparoskopie mit Appendektomie empfohlen. Eine sehr niedrige Rate wiederum kann die Folge exzessiver präoperativer Abklärung sein. Und auch wenn die Entzündung in der Frühphase der Erkrankung übersehen und der Befund verschleppt wird, bleibt die Rate niedrig. Auf keinen Fall unterschätzen sollte man die Risiken des Eingriffs. In einer prospektiven deutschen Studie fand man eine Mortalitätsrate von 3,1 %. Viele Patienten glauben jedoch, es handele sich bei der Appendizitis um eine Krankheit ohne nennenswerte Morbidität und Mortalität. Wenn es dann doch anders kommt, vermuten sie ärztliches Fehlverhalten und wehren sich juristisch. Auch mancher Arzt unterschätzt die Komplikationsgefahr. In Deutschland zählt die akute Appendizitis zu den Top 10 der am häufigsten fehlbehandelten Erkrankungen. So hat die norddeutsche Ärztekammer in 176 von 447 untersuchten Fällen Behandlungsfehler nachgewiesen.

Das Vorgehen sollte gut dokumentiert werden

Am häufigsten wurde die Entzündung als Gastroenteritis fehlinterpretiert – zumindest, wenn gleichzeitig eine Diarrhö bestand. Die am weitesten verbreiteten Versäumnisse waren lückenhafte Anamnese, fehlende körperliche Untersuchung, unterlassene Folgeuntersuchungen bei unklaren Ergebnissen, falsche Interpretation der erhobenen Befunde und fehlende Dokumentation. Um juristischen Komplikationen vorzubeugen, raten die Autoren dazu, den zeitlichen Verlauf, die erhobenen Befunde sowie die Beurteilung inklusive geplantem Prozedere sauber zu ­dokumentieren und den Patienten umfassend aufzuklären.

Quelle: Fahrner R, Inderbitzin D. Ther Umsch 2020; 77: 147-156; DOI: 10.1024/0040-5930/a001169

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Wenn Antibiotika nicht ausreichen, muss die Appendix entfernt werden. Wenn Antibiotika nicht ausreichen, muss die Appendix entfernt werden. © Science Photo Library/CNRI