Worauf ist bei der Therapie von Kindern mit Schlafstörungen zu achten?

Maria Fett

Man darf nicht vergessen: Nicht nur Medikamente führen zu einer ruhigen Nacht! Man darf nicht vergessen: Nicht nur Medikamente führen zu einer ruhigen Nacht! © samuel – stock.adobe.com

Die meisten Hypnotika sind für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen. Wer seine schlaflosen jungen Patienten trotzdem mit Medikamenten behandeln will, muss das oftmals im Off-Label-Einsatz tun.

Nutzen übernächtigte Eltern die Nebenwirkungen mancher Medikamente tatsächlich gezielt, um ihre Kinder nachts zum Schlafen zu bringen? Viele Pressemeldungen legen einen solchen Verdacht nahe. Vertreter aus Medizin, Wissenschaft und Politik warnen gar vor diesem „gefährlichen Trend“, wie 2017 ein großes deutsches Wochenmagazin titelte. Mittlerweile wurde dem bis dato frei verkäuflichen H1-Antihistaminikum Doxylamin eine Rezeptpflicht verpasst, wenn es zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern verwendet werden soll. Diphenhydramin und Dimenhydrinat können aber weiterhin frei in der Apotheke bezogen werden, tragen für den Einsatz bei unter Dreijährigen inzwischen aber eindeutige Warnhinweise.

Mit Wissen zum gesunden Schlaf

Um mit den Schlafproblemen ihrer Kinder umgehen zu können, müssen Eltern über die Störungen und deren Beseitigung Bescheid wissen. Bielefelder Kollegen hatten rund 400 Väter und Mütter zu ihrem theoretischen schlafbezogenen Faktenwissen und ihren angewandten Kenntnissen befragt. Dabei zeigte sich, dass Eltern, deren Kinder der eigenen Einschätzung nach unter Schlafschwierigkeiten leiden, deutlich weniger Fragen richtig beantworten konnten.

Medikamente als letzte Option geben

Im Zuge dieser offiziellen „Bestandsaufnahme“ war auch von einem erhöhten Off-Label-Gebrauch die Rede. Das hatte Barbara­ Schneider­ nach eigenen Angaben ziemlich erstaunt, eben weil die genannten Präparate in Deutschland eingesetzt werden dürfen, auch bei Kindern. Trotzdem treffe die Debatte „im Kern genau unser Problem“, gab die Kinderärztin vom Zentrum für Neuropädiatrie und Schlafmedizin des Kinderkrankenhauses St. Marien in Landshut zu. „Die meisten der gängigen Schlafmittel, die erwachsene Patienten bekommen, sind für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen.“ Neben den drei eingangs genannten Antihistaminika besteht für Pädiater noch die Möglichkeit, Methylphenidat und Clomipramin zu verordnen, um Schlafstörungen von Minderjährigen abzumildern. Sie können zudem auf Melatonin bei chronischen Einschlafproblemen setzen, allerdings ist hierzulande nur die retardierte Form zugelassen (ab 2 Jahren). Der Griff in den Blister sollte selbstverständlich die letzte Option sein, betonte Schneider (s. Kasten). Kommt man zu dem Schluss, dass Schlaftraining, Verhaltenstherapie und andere Maßnahmen nicht helfen, kann man eine medikamentöse Therapie wählen, wenn
  • die Probleme länger als sechs Monate anhalten,
  • die Schlafstörung 2–3 x pro Woche oder öfter auftritt,
  • Familienmitglieder beeinträchtigt werden,
  • die Leistungsfähigkeit tagsüber bzw. die Emotionalität der Kinder deutlich leidet.

Alternativen zur Medikation

Bevor Ärzte ihren jungen Patienten Schlafmittel verordnen, sollten sie ihnen und ihren Eltern den Besuch in einer geschulten Schlafberatung bzw. einer Schrei­ambulanz nahelegen. Dort erhalten sie Tipps u.a. zur Schlafhygiene, wie sich die Schlafumgebung optimieren lässt und wie der Tagesablauf der Kinder aussehen sollte. Ausreichende körperliche Aktivität ermüdet Kinder beispielsweise und erzeugt das erforderliche Schlafbedürfnis, eine verkürzte Mittagsruhe lässt die Kinder ihren Schlaf nachts „nachholen“. Resultieren die Schlafprobleme aus offensichtlich anderen Gründen wie Zahnen, Koliken oder psychischen Belastungen, müssen diese zunächst behandelt werden, ehe man die (sekundären) Schlafschwierigkeiten angeht.

Trotz fehlender Zulassung setzen Pädiater Schlafmittel wie Benzodiazepine, atypische Antidepressiva oder Z-Substanzen durchaus ein. Solche Off-Label-Therapien konfrontieren Ärzte grundsätzlich mit einigen haftungsrechtlichen und Kos­tenfragen. Bevor sie ein nicht zuge­lassenes Präparat auf Kassenrezept verschreiben, müssen drei Fragen geklärt sein, um Arzneikostenregresse zu vermeiden: Handelt es sich um die Therapie einer schwerwiegenden Erkrankung? Ist keine andere Behandlung verfügbar? Weisen Forschungsdaten darauf hin, dass mit dem Medikament ein kurativer oder palliativer Therapieerfolg erzielt werden kann? Die Referentin riet, vorab bei der Kasse nachzufragen. Bescheidet diese die Ausstellung eines Rezepts positiv, sei die Gefahr eines späteren Regresses relativ gering. Noch sicherer wird es mit einer zusätzlichen schriftlichen Erklärung. Für den Fall eines Haftungsprozesses ist es von Vorteil, wenn man seine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung sorgfältig dokumentiert hat.

Im Zweifel lieber ein Privatrezept ausstellen

In zivilrechtlichen Verfahren sollte außerdem eine Dokumentation des persönlichen (!) Aufklärungs­gesprächs mit dem Patienten beziehungsweise den Erziehungsberechtigten vorliegen. Besonders wichtig: Es reicht nicht, nur allgemein über die Risiken der Therapie zu informieren. Der Bundesgerichtshof ordnet ausdrücklich eine gesonderte Aufklärung des Off-Label-Gebrauchs als solchen an. Bei alledem sollten die Kollegen eines jedoch nicht vergessen, sagte Schneider abschließend: Kein Arzt muss die ökonomischen Risiken einer Off-Label-Behandlung für seine Patienten tragen. „Stellen Sie im Zweifel also lieber ein Privatrezept aus.“

Quelle: 27. Jahrestagung der DGSM*

* Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin

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