Wundreinigung mit Mikrofaser, Fliegenlarven und Ultraschall

Dr. Anja Braunwarth

Die Wundreinigung mit fünf bis sieben Larven pro Quadratzentimeter läuft üblicherweise über drei Tage. Die Wundreinigung mit fünf bis sieben Larven pro Quadratzentimeter läuft üblicherweise über drei Tage. © Science Photo Library/Steger, Volker

Reinigen macht wenig Spaß, ist aber meist unumgänglich. Auf chronische Wunden trifft das ganz besonders zu. Verschiedene Hilfsmittel erleichtern die Prozedur. Wie im Haushalt gilt: Wasser allein reicht nicht.

Säubern, beurteilen, diagnostizieren, versorgen – so sieht der korrekte Ablauf einer Wundbehandlung aus, betonte Privatdozentin Dr. ­Cornelia ­Erfurt-Berge von der Hautklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Das gilt natürlich vor allem für chronische Wunden. Erster Schritt ist das Débridement mit dem Ziel, nicht-vitales Gewebe zu entfernen.

Auf die Frage, wie sie das in der Praxis durchführen, antwortete das Gros der Teilnehmer mit „mechanisch“. Völlig legitim, so Dr. ­Erfurt-Berge. Man sollte nur nicht vergessen, dass es viele weitere Möglichkeiten zur Reinigung gibt:

  • chirurgisch
  • biochirurgisch
  • enzymatisch
  • autolytisch
  • mit Hydrotherapie
  • mit Ultraschall

Die Auswahl richtet sich nach Verfügbarkeit, Zeitaufwand, Personalres­sourcen und Zustand des Patienten bzw. der Wunde. Zur Vorbereitung gehören Aufklärungsgespräch, lokale Analgesie und gegebenenfalls eine Anästhesie.

Bei der mechanischen Reinigung hat Dr. Erfurt-Berge gute Erfahrungen mit Pads aus Mikrofaser gemacht, die man aber gut nass machen muss. Das Material ist flexibel, es lassen sich auch Schuppen von der umgebenden Haut damit entfernen, der Faserverband hält gelöste Beläge fest, Schmerzen gehen zurück.

Auf keinen Fall Wasser aus dem Hahn verwenden

Apropos nass: Waschen gehört natürlich auch zur Reinigung. Denn mit einem Débridement gelingt es zwar, den Biofilm in einer Wunde aufzubrechen. Doch er bildet sich innerhalb von 24 Stunden neu. „Bitte kein Leitungswasser nehmen, es sei denn, es ist steril filtriert“, mahnte die Dermatologin. Stattdessen sollte man auf kommerzielle sterile Wundspüllösungen zurückgreifen (Kochsalz- oder Ringerlösung, wirkstoffhaltige Produkte z.B. mit Polihexanid oder Octenidin). Wichtig: Die Flüssigkeiten sollten farblos sein, um die Läsionen korrekt beurteilen zu können, und hypoallergen, damit keine Reizungen entstehen.

Das Prinzip der Autolyse besteht darin, die Selbstreinigung zu unterstützen. Das gelingt u.a. mit Hydro­gelen, Alginaten oder polymeren Membranverbänden. Ein chirurgisches Débridement, das nicht nur säubert, sondern zudem die bakterielle Belastung mindert, empfiehlt sich bei großflächigen Wunden. Es erfordert mindestens eine örtliche Betäubung, manchmal eine Kurznarkose. Sinnvoll ist es, die Beläge vorher mit Hydrogelen anzuweichen. Außerdem sollte man die Wund­ränder anfrischen, dadurch werden Wachstumsfaktoren ausgeschüttet.

Das große Krabbeln

Die biochirurgische Behandlungmit Fliegenlarven fand schon bei den Vorfahren der Aborigines und der Maya Erwähnung, später ließ sich die Wirkung an Kriegsverletzten beobachten. Ihren Durchbruch erlebte die Methode im Ersten Weltkrieg, als man begann, technische Verfahren zu entwickeln, um die Larven aufzuziehen und zu applizieren. Bis zur Entdeckung des Penicillins fand die Larventherapie breiten Einsatz. Dann wurde es zunächst still um das Verfahren, erst in den 1990er-Jahren erlebte es ein Revival. Der BioBag® mit dem Wirkstoff „Goldfliegenlarven, lebend“ wurde schließlich 2002 entwickelt.

Die biochirurgische Wundtoilette erfolgt mit steril gezüchteten Fliegenlarven, die heute in der Regel nicht mehr als Freiläufer agieren, sondern in einem geschlossen Polyester-Netzbeutel (s. ­Kasten). Die Anwendung mit fünf bis sieben Larven pro Quadratzentimeter läuft üblicherweise über drei Tage. Vorher müssen alle anderen Präparate, z.B. Gele, weggespült werden. Hinterher darf man keine Kompressionsverbände anlegen. „Die Maden atmen mit dem Hinterteil, das oft aus der Wunde herausschaut“, erklärte die Hautärztin. „Unter einem Druckverband können sie ersticken.“

Biochirurgische Wundtoilette ist schmerz- und risikoarm

Larvenspeichel enthält antientzündliche Wirkstoffe und proteolytische Enzyme. Mit Letzteren lösen die kleinen Biochirurgen selektiv nekrotische oder fibrinöse Beläge und nehmen sie auf. Außerdem finden sich im Sekret der Tierchen antimikrobielle Substanzen, die sich vor allem gegen grampositive Bakterien richten. Der Erfolg zeigt sich nach 14 bis 28 Tagen und damit deutlich schneller als unter autologem Débridement mit Hydrogel, bei dem erst nach durchschnittlich 72 Tagen ein Ansprechen sichtbar wird. Dr. Erfurt-Berge hob hervor, dass die Therapie sehr schmerz- und risikoarm ist, keiner künstlichen Fixierung bedarf und auch bei Besiedlung mit multiresistenten Keimen infrage kommt. Die Larven agieren als reine Nekrophagen und lassen sich gut in Wundtaschen einsetzen. Am Wundrand arbeiten sie sehr präzise und effektiv, er muss aber geschützt werden. Nicht geeignet sind sie für trockene, nekrotische Wunden. Auch im Falle stark nässender oder mit ­Pseudomonas besiedelter Läsionen sollte man auf den Einsatz verzichten. Zu den mögliche Nebenwirkungen zählen Fieber und manchmal Schmerzen, außerdem können die behandelten Wunden verstärkt sezernieren. Bei Patienten mit Gerinnungsstörungen bzw. unter Gerinnungshemmern besteht die Gefahr größerer Blutungen. Bei der ultraschallassistierten Reinigung wird der Schall der Spülflüssigkeit zugeschaltet. Die Methode nutzt das Phänomen der Kavitation. Durch Druckschwankungen bilden sich Blasen in Flüssigkeiten. Wenn diese Bläschen implodieren, sorgen die dadurch entstehenden Turbulenzen und Strömungen auf der Wundoberfläche dafür, dass sich Nekrosen und Fibrinbeläge ablösen. Zudem zerstören die Kavitationseffekte Bakterien. Granulationsgewebe bleibt intakt, weil dessen Zellen flexibler sind und den Druckschwankungen besser standhalten.

Darauf hin ist die Wunde zu prüfen

  • klassische Entzündungszeichen
  • veränderte/vermehrte Exsudation
  • Farbänderungen
  • Wundgeruch
  • Heilungsstop (drohender Infekt, lokale Entzündung, systemische Zeichen einer Infektion)
Die Infektgefährdung lässt sich z.B. mit dem W.A.R.-Score (Wound at Risk) abschätzen.

Während der Begutachtung der gesäuberten Wunde gilt es, auf verschiedene Punkte zu achten (s. ­Kasten). Finden sich lokale Infektzeichen mit kritischer Kolonisation, wird das Wundbett konditioniert. Dazu gehören ein chir­urgisches Débridement, Befeuchtung und Dekontamination sowie die Behandlung mit Antiseptika oder Wundspüllösungen, ergänzt durch eine antimikrobielle Auflage. Geht die Inflammation damit zurück, schließt sich eine moderne feuchte Behandlung ohne anti­infektive Zusätze an. Bestehen die Entzündungszeichen fort, muss man die Maßnahmen überprüfen und sie ggfs. um eine systemische Antibiose erweitern.

Quelle: Kongressbericht 03. Nürnberger Wundkongress DIGITAL

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Die Wundreinigung mit fünf bis sieben Larven pro Quadratzentimeter läuft üblicherweise über drei Tage. Die Wundreinigung mit fünf bis sieben Larven pro Quadratzentimeter läuft üblicherweise über drei Tage. © Science Photo Library/Steger, Volker
Das Pyoderma gangränosum dieser Patientin wurde mit einem ultraschallassistierten Verfahren gereinigt. Damit kann man vorhandene Granulationsknospen geschont freilegen. Wichtig: Die Wundreinigungsollte bei dieser Erkrankung erst nach der Stabilisierung durch eine immunsuppressive Therapie erfolgen.
Das Pyoderma gangränosum dieser Patientin wurde mit einem ultraschallassistierten Verfahren gereinigt. Damit kann man vorhandene Granulationsknospen geschont freilegen. Wichtig: Die Wundreinigungsollte bei dieser Erkrankung erst nach der Stabilisierung durch eine immunsuppressive Therapie erfolgen. © Hautklinik am Universitätsklinikum Erlangen