Die Hausärzte und das Ende der Hühnerleiter
Wann die neue GOÄ in Kraft treten kann und wie die Bewertung der einzelnen Leistungen aussieht, ist weiterhin offen. Zwar wurden die Leistungsbeschreibungen zwischenzeitlich mit den Berufsverbänden und den Fachgesellschaften abgestimmt, jetzt müssen sie aber noch mit dem PKV-Verband verhandelt werden. Die zwölf Punkte, die die Ärztetagsdelegierten in diesem Zusammenhang der Bundesärztekammer (BÄK) vorgegeben haben, dürften das nicht gerade einfach gestalten. Aber selbst wenn die Privatkassen alles schlucken, ist damit streng genommen noch nichts erreicht.
Denn das letzte Wort hat das Gesundheitsministerium. Und das hat schon klargestellt, dass maximal ein Honorarzuwachs von 5,8 % akzeptiert wird. Damit das klappt, soll eine "Gemeinsame Kommission" (GeKo) die Entwicklung ab Inkrafttreten insbesondere mit Blick auf die Mengenentwicklung begleiten (Monitoring). Es wird also eine Gebührenordnung unter staatlicher Aufsicht. Das ist einmalig, das gibt es in keinem anderen freien Beruf mit amtlicher Gebührenordnung. Was in Freiburg beschlossen wurde, ist deshalb eigentlich Schall und Rauch.
Einheitsgebührenordnung statt EBM und GOÄ
Zunächst wird es jetzt aber darauf ankommen, was das von der BÄK beauftragte Unternehmen pnw, das für den Schweizer Gebührenkatalog "Tarmed" verantwortlich war, bei der Bewertung der einzelnen Leistungen ermittelt. Dieses Institut hat seinerzeit auch die EBM-Preise "gemacht". Die neuen Grundlagen unterscheiden sich deshalb auch nur marginal von denen der EBM-Novellierung.
Ein entscheidender Punkt dürfte dabei sein, ob sich bei einer solchen Bewertungsstruktur verhindern lässt, dass sich die Honorare von GOÄ und EBM angleichen. Wohl auch deswegen fühlt sich die BÄK berufen, gegen den stärker werdenden politischen Ruf nach einer Bürgerversicherung zu argumentieren. Dabei geht diese Diskussion aber so weit am Thema vorbei, dass man sich fragen muss, ob die demonstrierte Wehrhaftigkeit nicht vom Eigentlichen ablenken soll.
Denn bei einer Bürgerversicherung geht es um einen einheitlichen Versicherungsbeitrag aller Bürger in Deutschland – und damit letztlich um die Abschaffung der Privatkassen. Eine Einheitsgebührenordnung dagegen würde einheitliche Preise für die ärztlichen Leistungen schaffen, ohne dass es zu einer Auflösung der PKV käme. Den Unterschied zwischen EBM und GOÄ würden dann nur noch die Budgets im EBM ausmachen. Und mit der Budgetvorgabe von 5,8 % bei der jetzigen GOÄ-Novellierung gibt es ja auch an diesem Punkt bereits den ersten Schritt der Annäherung.
Die Frage ist deshalb: Wer profitiert von einem solchen neuen Vergütungssystem – und ist die Ruhe beim Ärztetag in Freiburg damit zu erklären, dass die finanziellen Ressourcen schon verteilt wurden?
Zuwendungsintensive Leistungen im Abstieg
Schaut man sich die Bewertungsformel des Schweizer Instituts an, fällt auf jeden Fall auf, dass die technischen, operativen und interventionellen Leistungen deutlich aufgewertet werden. Wird diese Grundlage der Kalkulation auf Kassenseite erst einmal akzeptiert, wird es schwer werden, sie wieder ins Wanken zu bringen – auch hier sind Parallelen zum EBM sichtbar.
Die Bewertungsdiskussion im Rahmen des Monitorings nach Inkrafttreten der neuen GOÄ wird also bei den Gesprächs- und Untersuchungsleistungen ansetzen. Denn hier wird es – da muss man kein Prophet sein – zuerst zu Abwertungen kommen. Das trifft dann in erster Linie die Basisversorger und insbesondere die Hausärzte.
Und die werden bereits mit deutlichem Rückstand ins Rennen gehen, da sie am meisten von den bereits beschlossenen Abwertungen im Allgemeinlabor betroffen sind. Hier findet übrigens die auffälligste Annäherung in der Bewertung an den EBM statt. Das Speziallabor hingegen soll durch eine Zuschlagsregelung vor Preisverfall geschützt werden.
Möglicherweise sind also die Hausärzte wieder einmal das "Omega-Hühnchen" – es sei denn, die Bundesärztekammer hält Wort und sorgt für eine GOÄ-Leistung, die ausschließlich die hausärztliche Versorgung honoriert und bewertet diese Leistung so, dass die absehbaren Verluste kompensiert und eine Steigerung um 5,8 % auch bei den Hausärzten gewährleistet ist.
Ein weiterer Sargnagel – Schulterzucken bei der BÄK?
Aber ob es dazu kommen wird, ist noch nicht sicher. Es ist immer noch möglich, dass die Verhandlungsführer der Bundesärztekammer am Ende mit leichtem Schulterzucken feststellen, dass sich ein solches GOÄ-Element bei den Kassen und der Politik leider nicht realisieren ließ. Damit hätten wir uns einen weiteren Sargnagel für die hausärztliche Versorgung in Deutschland geschmiedet.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht