GOÄ-Novellierung Neue Abrechnungsempfehlungen zu psychotherapeutische Leistungen

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Privatrechnung Autor: Dr. med. Gerd W. Zimmermann

Bekannterweise wird dem Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen auf politischer Ebene eine hohe Relevanz eingeräumt. Bekannterweise wird dem Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen auf politischer Ebene eine hohe Relevanz eingeräumt. © Charlie's – stock.adobe.com

Zum 1. Juli 2024 haben Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Beihilfestellen von Bund und Ländern (ausgenommen Hamburg und Schleswig-Holstein) neue gemeinsame Abrechnungsempfehlungen vereinbart. Betroffen sind ausschließlich psychotherapeutische Leistungen.

Inhaltlich fällt bei den Empfehlungen auf, dass sie aktuellen Anpassungen im EBM ähneln. Angesichts der Tatsache, dass auch die Beihilfestellen und damit indirekt auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diesen umfangreichen und durchaus finanziell relevanten Regelungen zugestimmt haben, drängen sich Überlegungen zu den Hintergründe auf.

Bekannterweise wird dem Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen auf politischer Ebene eine hohe Relevanz eingeräumt. Weil die aktuelle – stark veraltete – GOÄ dem Leistungsanspruch auf diesem Gebiet mehr noch als bei somatischen Erkrankungen nicht gerecht wird, die neue GOÄ aber immer noch auf sich warten lässt, hat man sich offensichtlich auf diesen „Vorleistung“ geeinigt.

Das sind die neuen Empfehlungen zur analogen Abrechnung von Leistungen:

AnalogbewertungLeistungslegendeEuro (Einfachsatz)
804Einbindung einer die Psychotherapie spezifisch ergänzenden oder unterstützenden DiGA, die bei psychotherapeutisch-psychiatrischer Indikation eingesetzt wird8,74
855

Durchführung, Auswertung und Besprechung einer psychologischen – auch neuropsychologischen – Testbatterie zum umfassenden Assessment (mindestens 3 Testverfahren, z.B. PHQ-D, BDI, PSSI, ISR, HAQ)

 

, je Testbatterie

42,08
855Anwendung eines validierten, standardisierten, strukturierten klinisch-diagnostischen Interviews (z.B. SIAB-EX, Module des SCID-5-CV, PANSS-Interview) mit schriftlicher Aufzeichnung, je Interview42,08
801Erhebung des aktuellen psychischen Befundes14,57
804Psychotherapeutische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch – auch mit gezielter Exploration, einmal je Kalendertag8,74
807Vertiefte Exploration in Fortführung einer biographischen psychotherapeutischen Anamnese bei Kindern oder Jugendlichen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung, auch in mehreren Sitzungen23,31
807Vertiefte Exploration in Fortführung einer biographischen psychotherapeutischen Anamnese bei Erwachsenen unter Einschaltung der Bezugs- und Kontaktpersonen mit schriftlicher Aufzeichnung23,31
860Erhebung einer biographischen Anamnese mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung und Indikationsstellung eines wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahrens, auch in mehreren Sitzungen53,62
817Eingehende psychotherapeutische Beratung der Bezugsperson von Kindern oder Jugendlichen anhand erhobener Befunde und Erläuterung geplanter therapeutischer Maßnahmen10,49
817Eingehende psychotherapeutische Beratung der Bezugsperson von Erwachsenen anhand erhobener Befunde und Erläuterung geplanter therapeutischer Maßnahmen10,49
870Systemische Therapie sowie Neuropsychologische Psychotherapie oder EMDR als psychotherapeutische Methode in den Anwendungsbereichen der Psychotherapie gemäß Anlage 1, Einzelbehandlung, Dauer mindestens 50 Minuten – gegebenenfalls Unterteilung in zwei Einheiten von jeweils mindestens 25 Minuten43,72
85Erstellung des verfahrensspezifischen Berichts an den Gutachter für die Beantragung einer Psychotherapie mit einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren unter Einbeziehung vorliegender Befunde und ggf. Abstimmung mit vor- und mitbehandelnden Ärzten und Psychotherapeuten, je angefangene Stunde Arbeitszeit29,14
812

Psychotherapeutische Akutbehandlung – psychotherapeutische Behandlung zur Entlastung bei akuten psychischen Krisen- und Ausnahmezuständen mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden mit einem Behandlungsbeginn nach Indikationsstellung innerhalb von zwei Wochen, je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 861, 863, 870, 870 analog

nicht berechnungsfähig.

 

Die Leistung ist bis zu zweimal an einem Kalendertag und bis zu vierundzwanzigmal im Jahr berechnungsfähig.

29,14
812

Psychotherapeutische Kurzzeittherapie – symptom- und/oder konfliktbezogene Behandlung mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden gemäß Anlage 1, je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 861, 863, 870, 870 analog nicht berechnungsfähig.

 

Die Leistung ist bis zu zweimal an einem Kalendertag und bis zu achtundvierzigmal im Jahr berechnungsfähig.

29,14
812

Psychotherapeutische Sprechstunde – über die Durchführung der Psychotherapie mit dem Ziel der Abklärung des Vorliegens einer krankheitswertigen Störung, ggf. einschließlich

  • orientierende, diagnostische Abklärung der krankheitswertigen Störung
  • differentialdiagnostische Abklärung der krankheitswertigen Störung
  • Abklärung des individuellen Behandlungsbedarfes und Empfehlungen über die weitere Behandlung
  • psychotherapeutische Intervention
  • Hinweise zu weiteren Hilfemöglichkeiten

je vollendete 25 Minuten, daneben sind die Nrn. 801 analog, 861, 863, 870, 870 analog nicht berechnungsfähig.

 

Die Leistung ist höchstens sechsmal im Jahr, bei Kindern und Jugendlichen sowie Patienten mit einer geistigen Behinderung höchstens zehnmal berechnungsfähig.

29,14
812

Gruppenpsychotherapeutische Kurzzeittherapie – symptom-, konfliktbezogene und/oder störungsspezifische Gruppenbehandlung mittels geeigneter psychotherapeutischer Interventionen nach wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren und -methoden gemäß Anlage 1 mit mindestens 2 bis 9 Teilnehmern, je vollendete 50 Minuten und Teilnehmer, daneben sind die Nrn. 862, 864, 871, 871 analog nicht berechnungsfähig.

 

Die Leistung ist bis zu zweimal an einem Kalendertag und bis zu achtundvierzigmal im Jahr berechnungsfähig.

29,14

Die Frage ist nur, ob das in der momentanen Situation taktisch klug ist? 

Wie es scheint, hat die Bundespsychotherapeutenkammer einem diesbezüglichen Druck, psychotherapeutische Leistungen in der GOÄ schon vorab sachgemäßer abzubilden, mit diesem Mittelweg Rechnung getragen. Damit hat man zugleich aber auch für Gefahren gesorgt. Diese vorgezogene Novellierung psychotherapeutischer Leistungen in der GOÄ könnte dazu führen, dass dem Druck auf der politischen Seite, die neue GOÄ bald einzuführen, die Nachhaltigkeit genommen wird. Zugleich besteht für die Psychotherapeuten die Gefahr, dass man die hier praktizierte „EBMisierung“ der GOÄ nicht wieder los wird.

Ob die Bundesärztekammer (BÄK) gut beraten war, hier mitzumachen, wird sich auch noch zeigen!