So gewinnen Sie durch die Reform Über die Wirkung der Entbudgetierung entscheiden zwei neue Pauschalen

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die Zahl der abgerechneten Vorhaltepauschalen soll durch die neuen Regeln zwangsläufig reduziert werden. Die Zahl der abgerechneten Vorhaltepauschalen soll durch die neuen Regeln zwangsläufig reduziert werden. © Mumtaaz D/peopleimages.com – stock.adobe.com

Die KBV will die Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars zum 1. Oktober 2025 im EBM umsetzen. Wie sich die Änderungen in der eigenen Praxis auswirken, hängt davon ab, wie man mit zwei Pauschalen umgeht.

Das Bundesgesundheitsministerium „kalkuliert“ für die Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte Mehrausgaben von etwa 500 Millionen Euro für die Kassen. Das wäre bei aktuell rund 55.000 Hausärztinnen und Hausärzten in Deutschland ein Honorarplus von rund 9.000 Euro. Ob die Schätzung stimmt, ist schwer vorhersehbar. Ein Mehrhonorar ist ausschließlich bei der Entbudgetierung der Leistungen aus dem Abschnitt IIIa 3 (hausärztliche Leistungen) und II 1.4 (Hausbesuche) möglich.

Eigentlich müsste der Bewertungsausschuss diese Regelungen sogar schon zum 1. Juli 2025 in Kraft setzen, denn das ist der erste Tag des dritten Kalenderquartals, das auf die Verkündung folgt. Allerdings sind die Vorgaben zur erforderlichen Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung im zugrunde liegenden Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) etwas verklausuliert formuliert. Der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ins Auge gefasste Termin, der 1. Oktober, erscheint daher realistischer.

Bei neuen Pauschalen drohen Verluste

Ob eine hausärztliche Praxis aus dieser Honorarreform als Gewinner oder Verlierer hervorgeht, entscheidet sich beim Ansatz der beiden neuen Pauschalen. Eine Vorhaltepauschale soll entweder über einen Zeitraum von zwei oder vier Quartalen gezahlt werden, wenn von der Praxis bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, wie bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten, die vorrangige Erbringung von Leistungen aus dem hausärztlichen Fachgebiet, eine Mindestanzahl an zu versorgenden Versicherten, Haus- und Pflegeheimbesuche sowie die regelmäßige Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur.

Auch hier ist das Umsetzungsdatum vorgeschrieben: Der 30. April 2025 (d.h., der letzte Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats). Das wäre mitten im 2. Quartal 2025 gelegen. Die Verhandlungen mit den Kassen dürften aber schwierig werden. Noch schwieriger ist es allerdings, die Auswirkungen auf die Praxen vorherzusagen.

Vom Sinn her ersetzt diese Vorhaltepauschale die bisherige GOP 03040 des EBM. Die wird aktuell für jeden kurativen Fall von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung automatisch zugefügt. In einer Praxis mit 1.500 Fällen macht das 2025 budgetiert rund 100.000 Euro innerhalb von vier Quartalen aus. Fällt der bisherige Automatismus weg, reduziert sich nach der gesetzlichen Einschränkung zwangsläufig die Anzahl der abgerechneten Vorhaltepauschalen. Fast schon ironisch klingt deshalb, dass im Gesetzestext vorgegeben wird: „Die Regelungen über die Vorhaltepauschale sind so auszugestalten, dass sie weder zu Mehrausgaben noch zu Minderausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung führen.“

Das GVSG erlaubt allerdings: „Der Bewertungsausschuss kann die Höhe der Vorhaltepauschale in Abhängigkeit der Anzahl der vorliegenden Kriterien in Stufen beschließen.“ Der Ausschuss wird deshalb festlegen, welche Leistungen aus den beiden Abschnitten des EBM gewichtet dessen Eurowert praxisindividuell ausmachen. Das bedeutet, dass man als Praxis jetzt schon darauf achten sollte, das im Gesetzestext genannte Leistungsspektrum möglichst vollständig anzubieten.

Abrechnen, was bisher an der 4-3-2-1-Regel scheiterte

Etwas anders stellt sich die Ausgangslage für die zweite, die Versorgungspauschale dar. Auch sie soll entweder über einen Zeitraum von zwei oder vier Quartalen gezahlt werden, orientiert sich aber an Kriterien, die unmittelbar den Patienten oder die Patientin betreffen. Diese müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, an einer chronischen Erkrankung leiden, die einer kontinuierlichen Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel bedarf, aber keinen intensiven Betreuungsbedarf begründet.

Formal werden so gesehen die beiden GOP 03000 und 03220 in der Versorgungspauschale zusammengefasst. Damit erhöht sich die Anzahl an Personen, die unter solche Kriterien fallen. Die Behandlung von chronischen Schilddrüsenerkrankungen, ganzjährigen Allergien, Insomnien oder vielen funktionellen Erkrankungen, die bisher an der grotesken 4-3-2-1 Regelung gescheitert sind, kann über diese Pauschale in Rechnung gestellt werden. Da nach den bisherigen Kommentaren des Bundesgesundheitsministeriums sich für alle anderen Personen, die nicht unter diese Kriterien fallen, nichts ändern soll, ergeben sich künftig vier Fallgestaltungen (s. Tabelle).

Diese vier Fälle ergeben sich aus den beiden neuen Pauschalen
FallgestaltungBeispieleEBM
Patient ohne Altersbegrenzung mit einer Erkrankung, die nicht chronisch ist und keine regelmäßige Versorgung mit Arzneimitteln benötigtakute Infekte (Sinusitis, Bronchitis, Gastritis, Enteritis), akute Wundbehandlung (Schürfwunden nach Sturz, Furunkel, Dermatitis), funktionelle Herz-Kreislaufbeschwerden (Stress, sportliche Überforderung), akute Muskel-, Wirbelsäulen-, Gelenkbeschwerden (Lumbago, Distorsion, Zerrung), Erkrankungen ohne pathomorphologische Relevanz (vegetative Dystonie, Menstruationsbeschwerden)
 
03001 – 03005
Patient mit einer chronischen Erkrankung, der keiner regelmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln bedarfsaisonale Allergie (Heuschnupfen, saisonales Asthma bronchiale), statisch muskuläre Wirbelsäulenerkrankungen, Arthrosen, unspezifische Dermatosen, chronische passagere Kopfschmerzen (Migräne, Spannungskopfschmerz), Divertikulose03001 – 03005
03220
Patient mit einer chronischen Erkrankung, der keiner intensiven Behandlung, aber einer regelmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln bedarfSchilddrüsenerkrankung (Hyperthyreose, Hypothyreose, Struma), ganzjährige Allergien, Insomnie (Ein- und/oder Durchschlafstörung), ReizdarmsyndromVersorgungspauschale
Patient mit einer chronischen Erkrankung, der einer intensiven Behandlung und einer regelmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln bedarfHerz-/Kreislauferkrankung (Hypertonie, Herzinsuffizienz, KHK), Lungenerkrankung (Asthma bronchiale, COPD, Emphysem), Stoffwechselerkrankung (Diabetes mellitus, Gicht), psychosomatische/psychiatrische Erkrankung (Angstneurose, Depression), urologische Erkrankung (Prostatahyperplasie, Reizblase), maligne Erkrankungen, geriatrische Erkrankungen (Demenz, Depression, Schwindel)
 
Versorgungspauschale
03221

Auch bei der Versorgungspauschale darf es bei den Kassen zu keinen Mehr-, aber auch zu keinen Minderausgaben kommen. Da es sich bei der Versorgungspauschale um eine neue Leistung handelt, durch die über die Erweiterung des Patientenkreises ein Honorarplus entstehen kann, sollte darauf geachtet werden, dass die Behandlung dieser Patientinnen und Patienten auch so in Rechnung gestellt wird. Eine Quotierung ist nicht zu befürchten, da die zu erwartenden „Einsparungen“ bei der Vorhaltepauschale verrechnet werden dürften und so ggf. ein Minderhonorar dort ausgeglichen werden kann. Gelingt es einer Praxis deshalb, bei der Versorgungs- und Vorhaltepauschale Verluste zu vermeiden und möglichst vollständig die entbudgetierten Leistungen zur Abrechnung zu bringen, kann sie davon ausgehen, zu den „Gewinnern“ der Honorarreform zu gehören.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht