„Wichtiges Signal an die Ärzteschaft“ Verbände verlangen bestmögliche Umsetzung bei Entbudgetierung und neuen Pauschalen

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Die Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung halten die geplanten Änderungen für eine fast unlösbare Aufgabe für die Selbstverwaltung. Die Chefs der Kassenärztlichen Bundesvereinigung halten die geplanten Änderungen für eine fast unlösbare Aufgabe für die Selbstverwaltung. © andranik123 - stock.adobe.com

Die Freude über das Wahlgeschenk von FDP, SPD und Grünen an die Hausärztinnen und -ärzte ist nicht ungetrübt. Je nach Position in Körperschaft oder Verband fallen die Kommentare zur avisierten Entbudgetierung recht unterschiedlich aus. Auch die nächste Bundesregierung wird sich mit den Vertragsarzthonoraren beschäftigen ­müssen. 

Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier sind überzeugt: „Die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen ist ein großer Schritt nach vorn und ein wichtiges Signal an die ambulant tätige Ärzteschaft. Die Ampel-Parteien haben in diesem Punkt Wort gehalten und geliefert. Die Reform ist eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Krise der hausärztlichen Versorgung.“ Der vom BMG am 20. Januar präsentierte Regelungsvorschlag sei nicht perfekt, aber eine deutliche Verbesserung zum Status quo. Die Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag war nach Redaktionsschluss dieser MT-Ausgabe vorgesehen.

Im schlimmsten Fall drohen Honorarumverteilungen

Von der Entbudgetierung werden vor allem Hausarztpraxen in Hamburg und Berlin profitieren, aber auch Praxen in Flächenländern, wo erbrachte Leistungen nicht vollständig bezahlt werden.
Der KBV-Vorstand spricht allerdings von einer „fast unlösbaren Aufgabe für die Selbstverwaltung“. Die geplanten Änderungen seien „in ihrer Detailtiefe sehr komplex und in ihren Auswirkungen auf die Versorgung kaum vorhersehbar“. Denn eine Entbudgetierung von Leistungen müsse mit neuen Finanzmitteln einhergehen. Das sei aber nicht der Fall; die Kassen seien nicht bereit, zusätzliche Gelder bereitzustellen. „Es drohen im schlimmsten Fall Honorarumverteilungen innerhalb der Ärzteschaft.“

Prof. Buhlinger-Göpfarth und Dr. Beier kommentieren diese KBV-Stellungnahme als „eine Bankrotterklärung und Schlag ins Gesicht der zahlenden Mitglieder“. Die KBV solle mit den Verbänden an der bestmöglichen Umsetzung arbeiten. Das verlangt auch der Vorstandschef des Spitzenverbands Fachärzte Dr. Dirk Heinrich. Es gehe hier um den „ersten Schritt zur Entbudgetierung aller vertragsärztlichen Leistungen“. Der Gesetzgeber in der neuen Legislatur sei gefordert, nachzulegen.

Die KBV fühlt sich zu Unrecht gescholten. Schließlich sei man mit den Verbänden und Bundestagsfraktionen im Gespräch. Es gelte, die Entbudgetierung „so auszugestalten, dass keine Praxis Geld verliert“. Denn wenn für die neue Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung der Hausärzte zu viel Geld zurückgelegt werden müsse, fehle dieses an anderer Stelle. „Dann wären Hausärzte trotz Entbudgetierung bei den nicht entbudgetierten Leistungen mit einer steigenden Quotierung konfrontiert.“

Organisationen der Diabetologie wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft appellierten an die Abgeordneten des Bundestages, „dieses Gesetz nicht im Schnelldurchlauf zu verabschieden, um kurzfristig Wählerstimmen einzusammeln“. Es solle mit dem erforderlichen Weit- und Detailblick verabschiedet werden.

Die diabetologischen Schwerpunktpraxen (DSP), de facto Hausarztpraxen mit Zuweisungen, befürchten, dass ihnen mit Einführung einer jährlichen Versorgungspauschale etwa 40 % ihrer Einnahmen verloren gehen, sollte die Pauschale nur für die erste Hausarztpraxis einer/eines Versicherten abrechenbar sein. Der Verband der niedergelassenen Diabetologen Niedersachsens fordert deshalb, den spezialisierten diabetologischen Hausarztpraxen die Abrechnung der Chroniker- und Versorgungspauschale weiterhin wie bisher zu ermöglichen.

Die FDP will, dass bei der quartalsübergreifenden Versorgungspauschale zur Behandlung chronisch Kranker ohne intensiven Betreuungsaufwand „die besondere Rolle der Schwerpunktpraxen berücksichtigt“ wird. Der Bewertungsausschuss habe die Möglichkeit, das zu regeln. Aus dem BMG gab es Äußerungen, dass bei chronisch Kranken mit intensivem Betreuungsbedarf oder bei Personen einer vulnerablen Gruppe die bisherigen Regeln fortbestehen könnten.

Bezüglich der Vorhalte- und der Versorgungspauschale bleibt der KBV-Vorstand bei seiner Warnung, dass „manche Praxis leer ausgehen könnte oder sogar schlechter gestellt würde“. In beiden Fällen heißt es im BMG-Entwurf, dass der Bewertungausschuss die Regeln so auszugestalten hat, dass sie weder zu Mehr- noch zu Minderausgaben der GKV führen. „Die KBV wird im Bewertungsausschuss für eine sachgerechte Umsetzung der Pauschalen kämpfen“, kündigt ihr Vorstand an.

Unklare Voraussetzungen für die Vorhaltepauschale

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) moniert, dass die Vorhaltepauschale mit mehr Bürokratie verbunden sein wird. Zudem seien die Voraussetzungen unbestimmt formuliert: „Was sollen bedarfsgerechte Öffnungszeiten sein? Und welche TI-Anwendungen sollen die Praxen regelmäßig nutzen, um sich für die Pauschale zu qualifizieren?“

Ulrike Elsner, Vorstandesvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, moniert die Entscheidung von SPD, Grünen und FDP. Die Versorgung verteuere sich dadurch „noch einmal um geschätzt 500 Millionen Euro jährlich, ohne sie gezielt zu verbessern“. Auch der Vorstandsvize des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, kritisiert die „expansive Ausgabenpolitik“ der Ampel. „Die Patientinnen und Patienten werden nichts davon haben. Denn die Entbudgetierung wird die Niederlassung von hausärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten in ländlichen oder sozial benachteiligten Regionen nicht befördern.“