Charité und Barmer vereinbaren Telemedizin-Nutzung für Herzpatienten
Die Berliner Charité arbeitet seit Jahren, gefördert vom Bundesforschungsministerium, an einem Telemedizinprojekt für Menschen mit Herzinsuffizienz in NYHA-Klasse II oder III. Das Projekt in Nordbrandenburg wurde begleitet mit der Versorgungsforschungsstudie TIM-HF II (Fontane-Studie).
Diese belegte eine 20%ige Senkung der Mortalität und 30 % weniger Krankenhauseinweisungen dank der Telemedizin und des eingesetzten Frühwarnsystems. Bei Verschlechterung der Herzschwäche reagierte das für die Datenauswertung zuständige medizinische Personal im Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité sofort und kontaktierte den Arzt vor Ort.
Jede dritte Hospitalisierung kann vermieden werden
Die Ergebnisse bedeuten u.a., so Dr. Friedrich Köhler, Leiter der Kardiovaskulären Telemedizin der Charité und Studienleiter, dass von jährlich 450 000 Hospitalisierungen aufgrund von Herzinfarkten jede dritte vermieden werden könnte.
Die – in einer anderhalbjährigen Nachbeobachtungsphase bestätigten – Vorteile des Programms überzeugten auch die Barmer. Die Krankenkasse, die das Projekt schon seit Jahren mit eigenen Daten begleitet, hat deshalb mit der Charité einen Kooperationsvertrag zur integrierten Versorgung abgeschlossen. Bundesweit können Patienten profitieren. Interessenten für den zwölf Monate dauernden Telemedizineinsatz fragen dazu ihren behandelnden Arzt oder kontaktieren direkt die Charité.
Für die Nutzung der überlassenen Technik werden die Patienten geschult. Sieben Minuten sind täglich aufzuwenden, konkret sieben Minuten am Morgen (EKG, Wiegen, Blutdruckmessen). Selbst für die älteste Studienteilnehmerin (92) war das kein Problem. Überhaupt war die Compliance hervorragend: 97 % der Telemedizinpatienten führten an mindestens 70 % der möglichen Messtage ihre Messungen durch. Übertragen wurden die Werte umgehend per Tablet, verschlüsselt und über eine sichere VPN-Leitung.
Telemedizin hat ihren Platz in der Versorgung im ländlichen Raum
„Was für ein Erfolg“, kommentiert Professor Dr. Adelheid Kuhlmey, Wissenschaftliche Leiterin des Charité-Zentrums für Human- und Gesundheitswissenschaft sowie Sprecherin der Plattform Charité-Versorgungsforschung, die Daten und den neuen Vertrag. Digitale Medizin sei inzwischen ein Schwerpunkt an der Charité. 150 Projekte gebe es bereits.
Telemedizin kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Versorgungslücken zu schließen, allem voran in ländlichen Regionen, ist Barmer-Vorstandsmitglied Dr. Mani Rafii überzeugt. Einsparungen seien nicht einfach zu beziffern, stünden aber auch nicht im Vordergrund.
Dr. Anke Schwerecke, hausärztliche Internistin in Templin, betont u.a. die Sicherheit für die Patienten als Vorteil der Telemedizin. Sie könne so ihr Patienten fachärztlich mit betreuten – in der kritischen Phase nach einem stationären Aufenthalt und außerhalb der Sprechzeiten der Praxen. Die nächsten Fachkollegen seien 32 bzw. 62 Kilometer entfernt niedergelassen. Patienten hätten zudem im ländlichen Raum vielfach 20 bis 35 Kilometer bis in die Praxis zurückzulegen, oft benötigten Senioren auch eine Begleitung durch Familienangehörige oder Pflegedienst.
Folglich könne man sie im Zeitraum einer Medikamenteneinstellung oder in Dekompensationsphasen nicht so oft in die Praxis einbestellen, wie man es eigentlich für notwendig erachte.
Ideal geeignet in Phasen der Medikamenteneinstellung
Hier helfe die Telemedizin. Sie habe Patienten, die am Programm teilgenommen haben, übrigens als sehr aufgeklärte Patienten wahrgenommen, die mit ihren Gesundheitsdaten und mit ihrer Erkrankung insgesamt umzugehen verstehen – eine gute Schulung vorausgesetzt. „Gezielt und indikationsgerecht eingesetzt hat die Telemedizin ihren Platz in der Versorgung im ländlichen Raum“, so Dr. Schwerecke.
Studienleiter Prof. Köhler geht davon aus, dass die telemedizinische Versorgung von Herzinfarktpatienten künftig über spezialisierte Zentren organisiert wird, in enger Kooperation mit den Praxen vor Ort. 20 bis 30 Zentren sind seiner Ansicht nach für eine flächendeckende Versorgung ausreichend, angesiedelt nicht unbedingt in Unikliniken, aber z.B. in Herzzentren wie in Leipzig.
Interesse? Bitte hier melden:
Telemedizin.charite.de
Quelle: Pressekonferenz von Charité und Barmer