Telemedizin, Telematik, Apps und Internet – die Praxen tasten sich erst ran
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Auf den ersten Blick ergeben die Aussagen der 1750 vom Berliner IGES Institut befragten Ärzte und Psychotherapeuten ein lobenswertes Bild und der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen zeigt sich deshalb auch zufrieden:
- Alle Praxen rechnen digital mit ihrer Kassenärztlichen Vereinigung ab.
- 74 % der Praxen haben die Patientendokumentation mehrheitlich oder vollständig digitalisiert.
- 75 % der großen, meist interdisziplinär arbeitenden Praxen nutzen Programme für die Raumplanung und Gerätenutzung.
- Rund 60 % der Hausärzte haben eine digitale Anwendung zum Erkennen von Arzneimittelwechselwirkungen.
Der zweite Blick auf die Befragungsergebnisse zeigt jedoch zum Teil recht niedrige Raten bei der Nutzung digitaler Technik. So verfügen zwar, wie IGES-Geschäftsführer Dr. Martin Albrecht berichtete, 74 % der vertragsärztlichen Praxen über medizinische Geräte mit digitalen Schnittstellen. In 37 % der Praxen besteht jedoch keine oder nur eine teilweise Verbindung dieser Geräte mit der Praxis-EDV. Die Telemedizin hat in nur 14 % der Einrichtungen Einzug gehalten; bei Hausarztpraxen sind es 21 %.
Kollegen schreiben lieber Faxe und Briefe
Auch die digitale Kommunikation mit anderen Praxen und ambulanten Einrichtungen führt eher ein Schattendasein. 86 % der Ärzte kommunizieren mehrheitlich bzw. komplett in Papierform mit den Kollegen. Die Kommunikation mit Krankenhäusern verläuft noch zu 94 % in traditioneller (Papier-)Form. Nur 11 bis 17 % der vertragsärztlichen Praxen versenden Bildmaterial, Befundbriefe und Befunddaten digital.
Deutlich macht die Befragung aber auch, dass viele Ärzte trotz der Zurückhaltung die Digitalisierung positiv bewerten. Sie biete „viele Möglichkeiten, die Zukunft sinnvoll, also patientengerecht, zu gestalten“, erklärte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Chancen liegen für die Ärzte z.B. in elektronischen Medikationsplänen (63 %), digitalen Notfalldatensätzen (56 %) sowie in digitalen Verordnungen (48 %). Auch in einem digitalen Mutter- bzw. Impfpass (50 %) sowie einrichtungsübergreifenden digitalenPatientenakten (45 %) sehen viele Ärzte großes Potenzial für die Patientenversorgung. Nicht dagegen in Online-Sprechstunden und Gesundheits-Apps (17 bzw. 18 %).
Für Dr. Gassen ist mit den Bewertungen das Glas zumindest schon einmal halb voll. Der KBV-Chef verweist aber auch auf Hindernisse, die die Kollegen von der Nutzung elektronischer Möglichkeiten abhalten. Dazu gehöre z.B. das ggf. erforderliche Signieren mit dem Heilberufeausweis. Dies sei „völlig idiotisch“ und stelle keine Arbeitserleichterung für die Ärzte dar. Hier müsse der Gesetzgeber nachbessern. „Nicht jede Digitalisierung passt in jede Praxis.“