Deutsche Diabetes Gesellschaft DDG-Praxisempfehlung zur Digitalisierung

Autor: Prof. Dr. Susanne Reger-Tan et al.

Aspekte der Digitalisierung in der ambulanten und stationären klinischen Praxis werden in den neuen DDG-Praxisempfehlungen dargestellt. Aspekte der Digitalisierung in der ambulanten und stationären klinischen Praxis werden in den neuen DDG-Praxisempfehlungen dargestellt. © j-mel – stock.adobe.com

Die DDG hat eine neue Praxisempfehlung zur Digitalisierung in der Diabetologie erstellt, die darauf abzielt, den digitalen Wandel in der ambulanten und stationären Versorgung voranzutreiben. Die Autorinnen und Autoren stellen die einzelnen Aspekte des Dokuments, das auf der DDG-Herbsttagung offiziell präsantiert wird, hier vor. 

„Digitalisierung in der Diabetologie“ ist ein neues Kapitel in den Praxisempfehlungen der Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) 2024 und soll künftig Aspekte der Digitalisierung in der ambulanten und stationären klinischen Praxis darstellen. Hier fassen wir kurz Kernpunkte der ersten Ausgabe zusammen. Es werden dieses Jahr folgende Themen adressiert:

Digital-Kodex der DDG

Die DDG sieht es als ihre Aufgabe an, für den digitalen Transformationsprozess konkrete medizinische Standards und einen ethisch basierten Handlungsrahmen zu entwickeln und umzusetzen. Derzeit liegt seit Mai 2022 die Version des „Kodex zur digitalen Transformation der DDG“ vor [1]. Digitale Lösungen sollten so einfach wie möglich und komplex wie notwendig für die Versorgung sein. Die DDG erwartet bei allen künftigen Entwicklungen in der digitalen Medizin, dass der Bewertungsmaßstab für deren Bedeutung immer ihre Relevanz für die Patienten ist. Damit das gelingt, müssen auch die Belange der Ärzteschaft sowie die der Gesundheitsfachberufe mit Blick auf funktionierende Prozesse berücksichtigt werden.

Smart-Pens

Im Gegensatz zu den bisherigen Insulinpens können bei Smart-Pens die Menge und Zeitpunkt des abgegebenen Insulins gespeichert und anschließend an eine App und Software weitergeleitet werden. Hierbei stehen wiederverwendbare Pens oder konnektierbare Kappen für Fertigpens von unterschiedlichen Anbietern zur Verfügung. Neben dem Insulintracking bieten einzelne Modelle Dosiserinnerungen, Warnmeldungen bei verpasster Insulinapplikation, einen Insulindosiskalkulator mit individualisierten Parametern wie Insulin-Kohlenhydrat-Verhältnis, Insulinempfindlichkeitsfaktor, Ziel-Glukosewert, Dauer der Insulinwirkung. Es gibt Positionierungen der amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften in dem Sinne, dass smarte Insulinpens für das Diabetesmanagement hilfreich sein können [2,3].

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Grundsätzlich ist es unsere Sicht, dass nur solche Software und digitalen Lösungen medizinisch bevorzugt empfohlen werden, die eine klare Wirksamkeit beim und Nutzen für den Patienten zeigen. Voraussetzungen dafür sind prospektive Interventionsstudien, die mit hohem wissenschaftlichem Standard die Wirksamkeit im Indikationsgebiet nachweisen sowie in einem Peer-Review-Journal öffentlich publiziert wurden.

Videoschulung und Telemedizin

Seit dem 9. März 2024 ist nach einem Beschluss des G-BA die Patientenschulung der anerkannten Schulungs- und Behandlungsprogramme für die DMP-Programme Typ 1 und Typ 2 im Videoformat möglich. Unter einer Videoschulung wird eine Schulung in Form einer Videokonferenz oder eines Webinars mit synchroner Interaktion zwischen dem Schulungspersonal und zu schulenden Personen in Echtzeit verstanden.

DDG, DGKED, VDBD und diabetesDE sowie AGDT und BVND begrüßen, dass der G-BA Videoschulungen in seine Richtlinie zu den DMP-Anforderungen mitaufgenommen hat und als Alternative zu Präsenzschulungen akzeptiert (Position unter Stellungnahmen, Homepage DDG). Die Richtlinie gewährleistet eine hohe Qualität bei der Umsetzung der Schulungsprogramme im Videoformat. Durch den G-BA-Beschluss ist auch sichergestellt, dass sogenannte Tutorials, „self-guided“ Onlinetools im Rahmen von DiGA und Online-Vorträge keinen Ersatz für eine Videoschulung mit den anerkannten strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen darstellen.

Digitalisierung im stationären Bereich

Die DDG hat Empfehlungen zur Therapie des Diabetes mellitus im Krankenhaus formuliert und gemeinsam mit der DGIM und der DGE in einem gemeinsamen Positionspapier zur Sicherstellung und Ausbau stationärer Versorgungsstrukturen aufgerufen, um eine qualitätsgesicherte und interdisziplinäre Behandlung Diabetes-betroffener im Krankenhaus zu garantieren (www.t.ly/rcl9G).

Ein digitalisiertes Diabetesmanagement kann die Integration unterschiedlichster Technologien wie CGM, CKM, connected Pens, AID, Software zur Dokumentation oder Vernetzung (ePA, eDA), Diabetes-Edukation, DiGA und Clinical Decision Support, bis hin zur Nutzung Künstlicher Intelligenz in die Diabetesversorgung beinhalten, aber auch telemedizinisch im Sinne eines Virtual Hospitals sowohl klassisch zur Diabetesteam-Patienten-Kommunikation als auch als überregionaler Krankenhaus-zu-Krankenhaus-Support interpretiert werden.

Die inhospitale Nutzung von Sensoren zur kontinuierlichen Glukosemessung stellt dabei das derzeit am weitesten fortgeschrittene Thema dar und wird bereits vereinzelt in internationalen Leitlinien adressiert. Dabei stehen vor allem die fortgeführte Nutzung eines Patienten-eigenen Sensors im Krankenhaus und die Überwachung Hypoglykämie-gefährdeter Patienten im Fokus [4,5]. Das iCoDE-Projekt (The Integration of Continuous Glucose Monitoring Data into the Electronic Health Record) hat Empfehlungen erarbeitet, um die CGM-Integration in das Krankenhausinformationssystem bzw. die digitale Patientenakte (EHR) zu erleichtern. Wir sind der Meinung, dass die Anwendung digitaler Technologien ein großes Potenzial hat, um die die Versorgungsqualität und das inhospitale Diabetesmanagement nachhaltig zu verbessern.

Datenschutz und -sicherheit in der Praxis

Kürzlich hatte die DDG zusammen mit dem BVND eine Handlungsempfehlung für Diabetes-Teams in ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen zur Datensicherheit und zum Datenaustausch gegeben, die juristisch geprüft und auf der Webseite der DDG zusammengestellt ist. Zudem bedarf die Digitalisierung im Gesundheitswesen im Alltag eine besondere Sorgfalt im Umgang mit IT und effektive Maßnahmen zur Datensicherheit. Kliniken, Medizinische Zentren und Praxen, besonders DSP (Diabetologische Schwerpunktpraxen) sind zunehmend potenzielle Opfer von Cyberattacken hochprofessioneller Täter.

Von Sicherheitsbehörden wird eine ganzheitliche Cyber-Sicherheits-Strategie mit Einrichtung eines Informationssicherheits-Management-Systems (ISMS) nach anerkannten Standards empfohlen. Mit einer einfachen „Datensicherheit-Trias“ erreichen Sie bei richtigem Einsatz einen Schutz Ihrer Daten von ca. 99 %. Hierzu gehören eine funktionierende Firewall (Hardwareschutz), ein sicherer Virenschutz (Software) und eine aktuelle Mail-Security (E-Mail). Regelmäßige Aktualisierung und professionelle Pflege der Schutzprogramme ist zwingend erforderlich.

Autorinnen und Autoren der Praxisempfehlungen

Folgende Autorinnen und Autoren waren an der Erstellung der Praxisempfehlung „Digitalisierung in der Diabetologie” beteiligt:

  • Prof. Dr. Susanne Reger-Tan (Essen/Bad Oeynhausen)
  • Angelika Deml (Regensburg)
  • Manuel Ickrath (Wiesbaden)
  • Dr. Jens Kröger (Hamburg)
  • Prof. Dr. Bernhard Kulzer (Bad Mergentheim)
  • Friedhelm Petry (Wetzlar)
  • Dr. Nikolaus Scheper (Marl)
  • Dr. Oliver Schubert-Olesen (Hamburg)
  • Prof. Dr. Peter Schwarz (Dresden)
  • Dr. Dietrich Tews (Gelnhausen)
  • Marlo Verket (Aachen)
  • Sabrina Vite (Berlin)
  • Dr. Tobias Wiesner (Leipzig)
  • Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland (Aachen)

Weitere effektive Schutzmaßnahmen sind: sichere und sicher verwahrte Passwörter, regelmäßige komplette Datensicherung mit Überprüfung, klare Regelung für Zutritts-, Zugangs- und Zugriffskontrolle, Beschränkung Team-Viewer-Zugang, Notfallplan (Aktualisierung) mit Maßnahmenkatalog zum Notfallmanagement und regelmäßige Schulung des gesamten Teams mit Übungsszenarien. Ein professioneller IT- Dienstleister zur Umsetzung der Maßnahmen ist in der Regel erforderlich.

Weitere Informationen, Hilfen und praktische Tipps bietet die KBV in der Richtlinie zur Datensicherheit der Praxis-IT zur Umsetzung der Richtlinie nach § 75b SGB V über die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit.

Referenzen:
1. Kommission Digitalisierung für die Deutsche Diabetes Gesellschaft. Kodex der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Digitalisierung: Update 2023. Diabetologie und Stoffwechsel 2023; 18(05): 394-400
2. American Diabetes Association Professional Practice Committee. Diabetes Technology: Standards of Care in Diabetes – 2024. Diabetes Care 2024; 47(Suppl. 1): S126-S144
3. Davies MJ, Aroda VR, Collins BS et al. Management of hyperglycaemia in type 2 diabetes, 2022. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2022; 65: 1925-1966
4. American Diabetes Association Professional Practice Committee. Diabetes Care in the Hospital: Standards of Care in Diabetes-2024. Diabetes Care 2024; 47(Suppl 1): S295-S306
5. McCall AL, Lieb DC, Gianchandani R. et al. Management of Individuals With Diabetes at High Risk for Hypoglycemia: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 2023; 108: 529-562