DDG & Krankenhausreform »Die Vorschläge der DDG sind wichtig und werden gehört«
Herr Minister Lucha, Sie haben in Baden-Württemberg Meetings mit Organisationen des Gesundheitswesens durchgeführt. Welche der Anregungen, die Sie dabei erhalten haben, konnten und können Sie mit nach Berlin nehmen, um diese in die Reformarbeiten einzubringen?
Lucha: Die Pläne des Bundes zur Reform der Krankenhausvergütung werden nicht nur weitreichende Auswirkungen auf die Vergütungssystematik, sondern auch auf die Struktur der Krankenhauslandschaft haben. Für mich stand es deshalb außer Frage, dass wir die von der Reform betroffenen Akteure frühzeitig am Reformprozess beteiligen werden. Das war auch notwendig, um einige Befürchtungen auszuräumen, die an uns herangetragen werden. Zudem benötigen wir die Fachexpertise aus der Praxis als Input, um die Auswirkungen der umfassenden Reformpläne des Bundes im Detail erfassen zu können.
Ich habe in drei Anhörungsterminen die Bedenken, Anregungen und Forderungen von etwa 250 Akteuren aufgenommen. Teilgenommen haben neben medizinischen Fachgesellschaften wie der DDG auch die Krankenhausträger im Land, die Vertreter der Landkreise und kreisfreien Städte, die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen sowie der privaten Krankenversicherung, Ärzte-, Pflege- und Sozialverbände, Rettungsdienste, Selbsthilfeorganisationen und Gewerkschaften. Ein Ergebnis: Von besonderer Bedeutung war den Akteuren die Planungshoheit der Länder sowie die Möglichkeit, von Vorgaben zum Erreichen der Level abzuweichen. Beides konnten wir gegenüber dem Bund einbringen.
Bei der Krankenhausreform ging es von Anfang an darum, wie viel der Bund einheitlich vorgeben darf und wie weit der Spielraum für die Länder bleibt. Wo spüren Sie die konkreten Knackpunkte?
Lucha: Wir benötigen einheitliche Qualitätsstandards bei der medizinischen Versorgung. Ein operativer Eingriff muss in Schleswig-Holstein den gleichen personellen und technischen Voraussetzungen unterliegen wie in Baden-Württemberg. Auch erleichtern einheitliche Strukturen es, eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Andererseits ist für uns klar, dass die Umsetzung der Reform schon aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Planungshoheit der Länder verbleiben muss. Es bedarf daher auch bei weitgehend einheitlichen Bundesvorgaben noch ausreichender Gestaltungsspielräume für die Länder im Zuge der Krankenhausplanung. Dies ist einer der wesentlichen Knackpunkte der Reform. Ich gehe aber davon aus, dass uns eine rechtlich saubere Lösung gelingen wird, die eine Planungshoheit der Länder ermöglicht.
Es gibt bei Klinikträgern und Ärzten die Befürchtung, dass zu viele Krankenhäuser in die Kategorie Ii fallen und dass sie damit faktisch keine Häuser mit üblicher stationärer Versorgung mehr wären. Das würde vor allem in der Fläche zu Versorgungsengpässen führen. Teilen Sie diese Befürchtung?
Lucha: Nein, diese Befürchtung teile ich nicht. Es ist nicht möglich, die Vorstellungen der Expertenkommission auf alle Bundesländer gleichermaßen zu übertragen. Insbesondere müssen die historisch gewachsenen Krankenhausstrukturen in den Ländern berücksichtigt werden. Wenn es zu Leveln und Leistungsgruppen kommen sollte, wird der Bund jeweils Ausnahmetatbestände und Öffnungsklauseln für die Länder vorsehen müssen. Dies hat der Bundesgesundheitsminister auch bereits eingeräumt. Zu starre Voraussetzungen für das Erreichen der Level können wir nicht akzeptieren.
Nicht jedes Krankenhaus kann und sollte alles vorhalten, um ein bestimmtes Level zu erreichen. Es muss vielmehr die richtige medizinische Versorgung am richtigen Ort angeboten werden und Doppelvorhaltungen sind im Sinne einer Ressourcenschonung zu vermeiden. Grund- und Notfallversorgung müssen selbstverständlich wohnortnah und schnell erreichbar sein. Daher muss für Krankenhäuser auch ein Erreichen von Level II möglich sein, wenn etwa gewisse Fachabteilungen, wie eine Geburtshilfe oder Stroke-Unit, nicht vorgehalten werden. Wir können uns daher auch sehr gut vorstellen, dass bestimmte Mindestvoraussetzungen für Level und Leistungsgruppen durch Kooperationen von Kliniken erfüllt werden.
Jeder fünfte Krankenhauspatient über 20 Jahre hat Diabetes. Dennoch können z.B. insulinpflichtige Patient*innen nicht sicher sein, dass sie in dem Krankenhaus, in das sie wegen einer anderen Erkrankung oder eines geplanten Eingriffs aufgenommen werden, adäquat betreut werden. Das zeigen Befragungen und Berichte von Betroffenen wie Ärzt*innen. Wie kann Ihrer Ansicht nach eine qualitätsgesicherte und kostendeckende Versorgung am besten sichergestellt werden?
Lucha: Sinnvoll wäre ein einheitliches Eingangsscreening in den Notaufnahmen und auf Station, um Diabetes Typ 2 zu erkennen. Dessen Einführung muss aber von den zuständigen Gremien auf Bundesebene beschlossen werden.
Die DDG schlägt verpflichtend Diabetesteams für Krankenhäuser ohne entsprechende Abteilung vor. Öfter ist auch von telemedizinischen Verbünden zwischen Kliniken verschiedener Level zu hören sowie von der Einbindung von niedergelassenen Diabetolog*innen. Wie lässt sich das politisch fördern?
Lucha: Die Vorschläge der DDG sind wichtig und werden in der politischen Diskussion gehört. Die Diabetesexpertinnen und -experten in Baden-Württemberg, die im Fachbeirat Diabetes zusammenarbeiten, haben mir bereits einen Vorschlag gemacht, um die Versorgungssituation an dieser Stelle zu verbessern. Wie in anderen Versorgungsbereichen auch, ist die flächendeckende Umsetzung an allen Krankenhäusern eine Maximalforderung. Was zählt ist, dass alle Patientinnen und Patienten Zugang zu einer bedarfsgerechten und qualitativ guten Versorgung haben. Gerade für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 ist eine verstärkte sektorenübergreifende Zusammenarbeit notwendig, die auch präventive Maßnahmen einbezieht.
Wie weit hoffen Sie während Ihres Vorsitzes in der Gesundheitsministerkonferenz bei der Klinikreform zu kommen? Bedarf es noch eines Vorschaltgesetzes, um klamme Kliniken vor dem Aus zu retten?
Lucha: Der Bund hat uns Länder frühzeitig in den Reformprozess eingebunden und erarbeitet mit uns bis zum Sommer gemeinsam die Eckpunkte für die Reform im Rahmen von wöchentlich teils mehrfach tagenden Fach-Arbeitsgruppen sowie in regelmäßigen Bund-Länder-Runden auf Amtschef- und Ministerebene. Diese Eckpunkte sollen über den Sommer in einen Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit münden und nach den Ferien soll das offizielle parlamentarische Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt werden. Der Bund erhofft sich ein Inkrafttreten des Reformgesetzes zum 1. Januar 2024. Das ist sehr ambitioniert und stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Wir alle wissen aber, dass es aufgrund der finanziellen Situation der Krankenhäuser schnellstmöglich einer grundlegenden Vergütungsreform bedarf, sodass auch wir den straffen Zeitplan nach Möglichkeit einhalten möchten.
Worauf legen Sie in Baden-Württemberg Wert, um die Versorgung neu zu strukturieren?
Lucha: Klar ist: Wir müssen die Versorgung grundlegend überdenken. Dabei müssen verändernde Bedarfe bedacht werden und Qualitätsgesichtspunkte im Vordergrund stehen. Es ist auf einen ressourcenschonenderen Einsatz von Personal und Material zu achten, aber auch neue Möglichkeiten wie die Telemedizin sind miteinzubeziehen.
Es bedarf dringend Verbesserungen bei der Versorgungsqualität. Wir müssen wegkommen vom reinen Effizienzdenken in Fallzahlen. Die geplante Vorhaltevergütung wäre daher ein richtiger Schritt. Uns ist aber auch klar, dass es insgesamt eine bessere finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser braucht. Hier müssen sowohl der Bund, aber auch wir Länder handeln. Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen – und das mit wirtschaftlich gesunden Krankenhäusern. Daneben sind aus meiner Sicht aber auch sektorenübergreifende Angebote entscheidend, damit eine bedarfsgerechte Versorgung gelingen kann. Immer mehr Behandlungen können ambulant durchgeführt werden. Level Ii-Krankenhäuser und sogenannte Primärversorgungszentren spielen hier eine wichtige Rolle – und ebenso neue Berufsbilder wie das der Community Health Nurse. Auch hierfür werde ich mich weiterhin einsetzen.