KVen prüfen Mindestsprechstundenzeit

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Wer die seit September 2019 gesetzlich vorgeschriebenen 25 Sprechstunden pro Woche unterschreitet, bekommt das Honorar gekürzt. Wer die seit September 2019 gesetzlich vorgeschriebenen 25 Sprechstunden pro Woche unterschreitet, bekommt das Honorar gekürzt. © greenleaf123 – stock.adobe.com

Die KV kontrolliert die Plausibilität ärztlicher Leistungen nach Zeitvorgaben und sie wacht darüber, ob Praxen zu viele Patienten gemeinsam behandeln. Jetzt kommt eine weitere Prüfung hinzu: Die KV soll Praxen aufspüren, die zu wenig arbeiten!

Mit finanziellen Sanktionen muss bisher eine Praxis rechnen, die nach den Zeitvorgaben der einzelnen Leistungen im EBM (Kapitel VI, Anhang 3) an mindestens drei Tagen mehr als zwölf Stunden oder im Quartal mehr als 780 Stunden gearbeitet haben will. Auffällig wird auch, wer sich mit einer anderen Praxis mehr als 20 % bzw. 30 % der Patienten (fachgleich/fachübergreifend) teilt. Neu hinzu kommt nun eine Prüfung des Versorgungsauftrages: Wer die seit September 2019 gesetzlich vorgeschriebenen 25 Sprechstunden pro Woche unterschreitet, bekommt das Honorar gekürzt.

Die künftigen Prüfungen beziehen sich auf alle Vertragsärzte und auf im MVZ angestellte Ärzte. Sie erfolgen anhand der abgerechneten Fälle sowie der EBM-Positionen samt der Zeitvorgaben für die ärztliche Leistungserbringung. Es können auch weitere Prüfmechanismen zur Anwendung kommen.

Um einschätzen zu können, ob ein Versorgungsauftrag nicht erfüllt wurde, müsste die KV jeweils eine Einzelfallprüfung durchführen. Da dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein Drei-Punkte-Raster für ein Auswahlverfahren entwickelt. Als Referenzgröße für das Screening werden die in § 19a Zulassungsverordnung benannten 25 Sprechstunden pro Woche herangezogen, zu denen alle vollzeitig an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten verpflichtet sind.

Im ersten Schritt der Prüfung wird die Summe der Arbeitszeit je Vertragsarzt auf Basis der Abrechnungsdaten ermittelt. Im zweiten Schritt wird der Referenzwert weiter operationalisiert und die tatsächlich ermittelte Zeit mit diesem Referenzwert verglichen. In einem bei Auffälligkeiten dann notwendigen dritten Schritt wird schließlich festgelegt, wie eine Einzelfallprüfung durchgeführt werden soll.

Schritt 1

Die Arbeitszeiten je Vertragsarzt werden je Quartal auf Basis der Abrechnungsdaten vor sachlich-rechnerischer Richtigstellung ermittelt. Im Anhang 3 des EBM-Kapitels VI wird je Gebührenordnungsposition (GOP) aus den Prüf- und Kalkulationszeiten der jeweils höhere Wert ausgewählt. Die Auswahl des höheren Wertes erfolgt, da einige Leistungen weder eine Prüf- noch eine Kalkulationszeit aufweisen (z.B. Nrn. 01100 bis 01102 oder Nr. 01415 EBM) und somit nicht berücksich­tigt werden. Beispiel: Das Belastungs-EKG nach Nr. 03321 hat eine Kalkulationszeit von elf Minuten und eine Plausibilitätszeit von zehn Minuten. Bei der Prüfung der Sprechstundenzeit werden die elf Minuten zugrunde gelegt.

Zwei Jahre Schonfrist für neugegründete Praxen

Die Summe der Zeiten je Vertragsarzt wird ermittelt, indem die zuvor bestimmten Zeiten mit den abgerechneten GOP-Häufigkeiten multipliziert und dann für alle Leistungen pro lebenslanger Arztnummer (LANR) addiert werden.

Ergänzend wird für jede LANR die Anzahl der Arztfälle ermittelt und unter Berücksichtigung von regionalen Besonderheiten ein Referenzwert in Minuten pro Fall für jede Fachgruppe festgelegt, der mit der Zahl der Arztfälle multipliziert wird. Ferner werden für jeden Arzt die der Terminservicestelle gemeldeten durchschnittlichen Sprechzeiten pro Woche berücksichtigt. Vertragsärzte, deren Zulassung weniger als acht Quartale zurückliegt (Neugründungen), werden zunächst keiner Prüfung unterworfen.

Schritt 2

In jeder KV wird die Anzahl der Werktage des Quartals ermittelt. In Anlehnung an die Zulassungsverordnung werden bei voller Zulassung für jeden Werktag fünf Stunden (= 25 Wochenstunden) unterstellt. Daraus ergibt sich für jeden Tätigkeitsumfang eine Stundenzahl pro Quartal.

Urlaube und/oder Fortbildungszeiten werden pauschal mit einer Reduktion der Stundenzahl um zehn Tage pro Quartal berücksichtigt. Krankheitsbedingte Abwesenheiten werden ebenfalls pauschal mit vier Tagen pro Quartal berücksichtigt. KV-spezifische Besonderheiten sollen dabei beachtet werden.

Vergleich der empirischen mit der Referenzzeit des Arztes

Nach dem skizzierten Vorgehen ergibt sich eine Referenzgröße in Stunden, die je nach Tätigkeits- bzw. Zulassungsumfang unterschiedlich hoch ausfällt. Liegen die empirischen Zeiten eines Vertragsarztes über der ermittelten Referenzzeit, werden keine Auffälligkeiten unterstellt. Liegen sie unter dem Referenzwert, soll eine differenzierte Einzelfallprüfung erfolgen.

Schritt 3

Erfolgt eine Einzelfallprüfung, sollen weitere, zum Teil extra zu ermittelnde Sachverhalte berücksichtigt werden. Dazu zählen insbesondere:

  • überdurchschnittliche Praxisausfallzeiten z.B. infolge einer längeren Krankheit bzw. Vertretung aufgrund von anderen Umständen (z.B. Mutterschutz),
  • die Teilnahme an Selektivverträgen, die nicht über die KV abgerechnet werden (z.B. Hausarztzentrierte Versorgung),
  • die Teilnahme an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung,
  • eine Tätigkeit als Durchgangs- oder Kur-Arzt, n überdurchschnittlich hohe Anteile an Leistungen, für die keine Prüf- oder Kalkulationszeiten vorliegen (z.B. Palliativversorgung nach Nr. 03370 oder Heimversorgung nach den Nrn. 37100ff EBM),
  • KV-spezifische Abrechnungsregelungen oder n überdurchschnittlich viele abgesagte oder nicht wahrgenommene Sprechstundentermine.

Grundsätzlich soll mit der Prüfung untersucht werden, ob Auffälligkeiten erklärt werden können und ggf. durch das Verhalten des Vertragsarztes beeinflussbar sind.

Soweit datentechnisch möglich, sollen diese Tatbestände schon im Screening berücksichtigt werden, um ungerechtfertigte Aufforderungen zur Stellungnahme an die Vertragsärzte zu vermeiden.

Bei einer für vier oder fünf Quartale festgestellten Auffälligkeit wird es aber vermutlich nicht bei einer Beratung bleiben. Moniert die vom KV-Vorstand eingesetzte Prüfungskommission, dass die 25 Stunden über einen so langen Zeitraum nicht eingehalten wurden, kürzt sie wahrscheinlich rückwirkend das Regelleistungsvolumen und andere Pauschalen wie etwa das Qualifikationsgebundene Zusatzvolumen prozentual auf die unterstellte Verkürzung des Versorgungsauftrags – etwa so, als hätte jemand statt eines vollen nur einen halben Arztsitz.

Wappnen Sie sich für Besuche der Prüfungskommission

Wie kann man sich auf die neue „Prüforgie“ vorbereiten? Eine Buchführung sollte erfassen, wenn man länger als zehn Tage im Quartal im Urlaub und/oder auf Fortbildungen oder mehr als vier Tage erkrankt war. Hausärzte sollten ab sofort die Anzahl der HzV-Patienten genau dokumentieren und die KV fragen, in welchem zeitlichen Rahmen solche Fälle berücksichtigt werden.

Die EBM-Leistungen, die keine Zeitvorgaben haben – und das sind nicht wenige – sollte man praxisindividuell erfassen und (möglichst gesondert) in der eigenen Abrechnungsdokumentation kennzeichnen.

Eine besondere Rolle spielen hier die Leis­tungen der Heimversorgung aus dem EBM-Abschnitt IV 37.2, die vom Terminservice- und Versorungsgesetz gefördert werden und deshalb keine Zeitvorgaben haben. Wird ein größeres Altenheim betreut, kann es leicht zu einer ungerechtfertigten Prüfung des Versorgungsauftrags kommen. Auch hier empfiehlt sich eine vorherige Meldung bei der KV, etwa im Rahmen des bei diesen Leistungen vorgesehenen Genehmigungsverfahrens.

Denn solche Leistungen werden nur pauschal durch die höhere Zeitvorgabe bei anderen Leistungen berücksichtigt, die meist im technischen Bereich angesiedelt sind. Wer also wenig technische Leistungen erbringt, wird keinen adäquaten Ausgleich für den Anteil ohne Zeitvorgaben erreichen können. Insbesondere bei zuwendungsintensiv tätigen Arztgruppen ist also eine Schieflage zu erwarten. Und wie die neue Prüfung z.B. bei Laborärzten erfolgen kann, die fast ausschließlich Leistungen ohne Zeitvorgaben erbringen, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrem Drei-Punkte-Plan nicht erfasst.

Medical-Tribune-Bericht