Leichenschau: Beruhigt sich mit der neuen GOÄ-Abrechnung nun die Lage?
Vor etwa einem Jahr ließ eine Meldung des Südwestrundfunks aufhorchen: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt gegen 100 Ärzte, die bei der Leichenschau zu hohe Beträge (jenseits von 77 Euro) abgerechnet haben sollen. Wieder wurde breit über die inadäquate Bezahlung nach GOÄ diskutiert. Dann handelte der Bundesgesundheitsminister. Mit der „Fünften Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte“ wurden die „vorläufige“ und „eingehende“ Leichenschau ab 2020 geregelt und höhere Honorare festgelegt.
Gros der Verfahren ad acta gelegt
Hat sich das Problem der umstrittenen Arztrechnungen damit erledigt? Für eine Bewertung der Umstellung ist es zu früh, heißt es bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Deren Präsident Dr. Wolfgang Miller hatte sich bei Jens Spahn für die GOÄ-Anpassung stark gemacht und freut sich: „Der Minister hat Wort gehalten.“
Immerhin: Die Ermittlungen in Karlsruhe gingen für die meisten Ärzte glimpflich aus. Wie der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Mirko Heim mitteilt, wurde der „Großteil“ der Verfahren nach § 153 Strafprozessordnung (StPO) wegen Geringfügigkeit eingestellt. „Einige wenige“ Verfahren wurden nach § 153a StPO, also gegen eine Geldzahlung oder andere Auflagen, nicht weiter verfolgt. Acht Verfahren seien noch anhängig.
Parallel zu den laufenden Verfahren leitete der Verordnungsgeber eine Rechtsänderung ein, die die verdächtigen Honorarforderungen der Ärzte relativierte. So etwas beeinflusst jedoch nicht die Strafbarkeit einer Handlung, denn entscheidend ist der Zeitpunkt der Tat, erklärt Staatsanwalt Heim. Allerdings könne solch eine Entwicklung bei der Bewertung der Schuld eine Rolle spielen und dazu beitragen, dass ein Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wird.
Der Verein Aeternitas aus Königswinter, der als „Verbraucherinitiative Bestattungskultur“ Angehörige berät, konnte im Januar nur von zwei, drei Fällen berichten, wo es Informationsbedarf zu den neuen Gebühren gab. In einem Fall wendete ein Arzt diese schon im Dezember 2019 an, obwohl die GOÄ-Änderung erst seit dem 1.1.2020 gilt. Ansonsten war den Angehörigen mangels Uhrzeitangaben unklar, ob der Arzt wirklich 40 Minuten mit der eingehenden Untersuchung beschäftigt war. Für den Fall, dass diese mindestens 20 aber keine 40 Minuten dauert, darf die Gebühr nach Nr. 101 GOÄ nur zu 60 % abgerechnet werden. Alexander Helbach von Aeternitas kann sich deshalb vorstellen, dass es für Ärzte „verführerisch“ ist, immer mindestens 40 Minuten anzusetzen.
Die Angehörigen werden weiterhin kaum in der Lage sein, die Korrektheit einer Arztrechnung einschätzen zu können, sagt er, als Kassenpatienten hätten sie kein Gespür dafür. Die Initiative hilft Bürgern, die z.B. eine Arztrechnung monieren möchten, bei der Formulierung ihrer Schreiben. In der Regel seien die Ärzte einsichtig, zu juristischen Maßnahmen komme es nicht, berichtet Helbach.
Der Verein weist darauf hin, dass jetzt für die Angehörigen Todesfeststellungsgebühren von mehr als 400 Euro entstehen können, weil bei einer vorläufigen Leichenschau, z.B. durch den Rettungsdienst, eine anschließende eingehende Leichenschau verpflichtend ist. Er würde es begrüßen, wenn die Krankenkassen die Gebühren übernehmen würden. Sie hätten auch das Fachwissen, „um falsche oder überzogene Rechnungen schneller zu erkennen“.
Gebühren für die Leichenschau erhöhen sich um 82 Mio. Euro
Hausbesuch wird nicht zusätzlich bezahlt
Beschwerden über die höheren Gebühren hat die Landesärztekammer Hessen bislang nicht vernommen. Sie weist darauf hin, dass sich die Bundesärztekammer „mit Nachdruck gegen die Festlegung von zeitlichen Mindestangaben für die Leichenschau“ ausgesprochen hatte. Kritisiert wurde auch das „Einpreisen“ des Aufsuchens; die Leichenschau wird erst ab der Tätigkeit des Arztes vor Ort vergütet. Berufsgerichtliche Verfahren gab es nach Angaben der Frankfurter Kammer übrigens nur wenige. Die betrafen primär das unzulässige Abrechnen von Pauschalbeträgen oder die Nichtdurchführung der Leichenschau durch angefragte Ärzte.Medical-Tribune-Bericht