Interview „Stoffwechselmedizin lebt vom Labor“

Autor: Angela Monecke

Labormessungen: ohne Qualitätskontrolle keine Qualität. Labormessungen: ohne Qualitätskontrolle keine Qualität. © jechm – stock.adobe.com / zVg

Laboruntersuchungen sind in der Diabetologie für Diagnostik und Qualitätssicherung essenziell – und sind trotzdem oft eher nur ein Randthema. Dr. Matthias Kaltheuner vom wissenschaftlichen Institut der niedergelassenen Diabetologen (winDiab) gibt ein Update zur Labormessung.

Ohne Laborwerte keine Diabetesdiagnose bzw. vernünftige -einstellung. Warum steht das Thema dennoch nicht so sehr im Fokus?

Dr. Matthias Kaltheuner: Allgemein gilt: Bei Diabetes sind die pathophysiologischen Veränderungen – außer im fortgeschrittenen Stadium – nur über Labormessungen erkennbar. Ähnliches gilt für Begleit- und Folgeerkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen, NASH und Nierenerkrankungen. Ohne Qualitätssicherung keine Qualität. Zwar ist im Versorgungsalltag die Genauigkeit von Laboruntersuchungen oft nicht so bedeutsam, da die Ergebnisse ohnehin semiquantitativ bewertet werden – z. B. normal, leicht, deutlich, stark erhöht –, für die Diagnosestellung bei Diabetes mellitus, auch z. B. Schwangerschaftsdiabetes (GDM), sind aber selbst die am besten zu erreichenden Toleranzen bedeutsam. So soll etwa der GDM ab einem Wert von 92 mg/dl diagnostiziert werden, die Diabetesdiagnose gilt ab einem Nüchternwert von 100 mg/dl (jeweils ± 8 %).

Wie genau sind dann die Laboruntersuchungen in Deutschland?

Dr. Kaltheuner: Wir haben beobachtet, dass vermutlich die Mehrzahl der Labore keine mehrfach gepufferten Glukoseröhrchen ausgibt, die für die Messgenauigkeit und zur Verhinderung der Glykolyse relevant sind. Da kann man schon an der Qualität zweifeln. Auch unsere Befragungsergebnisse zur Glukosemessung (s. u.) mit einer Quote von circa 80 % bei der internen und externen Qualitätskontrolle zeigten, dass hier noch deutlich Luft nach oben ist.

Wie schätzen Sie die Bedeutung und den Aufwand für diese interne und externe Qualitätssicherung ein?

Dr. Kaltheuner: Für Behandelnde, die in einem POCT-Setting (POCT:  Point-of-Care-Testing) arbeiten und selbst für die Qualität der Analytik verantwortlich sind, ist es wirklich sehr belastend, wenn Unsicherheit über die Genauigkeit des eigenen Labors besteht. Bei den ohnehin nicht vermeidbaren Ungenauigkeiten ist es wirklich wichtig zu optimieren, was geht, und dies funktioniert nicht ohne entsprechende Qualitätssicherung – entweder durch interne und externe Qualitätskontrollen in der Praxis und/oder eben dann über die externen Labore.

Wie wichtig ist dabei das POCT? 

Dr. Kaltheuner: Sehr wichtig. POCT beschleunigt den Behandlungsablauf in der Schwerpunktpraxis, da die Laborergebnisse sofort verfügbar sind. Wenn Werte erst nach Stunden oder Tagen vorliegen, führt dies zu deutlichem Mehraufwand und ggf. zu verzögerten Entscheidungen. Die Qualität der POCT-Messungen muss aber immer gut sein.

Mit der EBM-Reform ändert sich zum 1. Januar 2025 auch die Vergütung für die HbA1c-Messung, die von 4,00 auf 2,67 Euro gesenkt wird. Welche Konsequenzen befürchten Sie?

Dr. Kaltheuner: Die Vergütung macht uns tatsächlich Probleme. Denn damit ist die POCT-Messung in der Praxis so nicht mehr ohne Weiteres machbar. Die Unit-use-Reagenzien liegen preislich nahe am Erstattungspreis, beim HLPC (Säulen-Flüssigchromatographie-Methode) zur Bestimmung des HbA1c-Werts sind die externen Preise je nach Menge niedriger, der interne Aufwand mit dem Gerät ist aber größer.

Nach den Ergebnissen der Befragung von winDiab, BVND und der KLD in Diabetes-Schwerpunktpraxen wünschen sich die Mitarbeitenden mehr Fortbildungen hinsichtlich der Laboruntersuchungen. Wo sollte der thematische Schwerpunkt liegen?

Dr. Kaltheuner: Es sollte mehr Fortbildungen zu den präanalytischen und analytischen Fehlerquellen und deren Vermeidung geben, Stichwort: best practice. Das wäre sehr hilfreich.

Neue Rili-BÄK: Grenzwerte für Glukose-Messsysteme gesenkt

Die grundsätzlichen Anforderungen an Qualitätsmanagement und -sicherung von laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen in der Heilkunde legt die Richtlinie der Bundesärztekammer (Rili-BÄK) fest. In der aktuellen Version, die das Deutsche Ärzteblatt im Mai 2023 veröffentlicht hat, wurden die Grenzwerte für Glukose-Messsysteme von 11 auf 5 % gesenkt. Mit der Veröffentlichung der Neufassung hat eine dreijährige Übergangsfrist begonnen, um die darin festgelegten Anforderungen zu erfüllen. Bis zum Ablauf der Übergangsfrist (30. Mai 2026) kann weiter nach den Vorgaben der Fassung von 2019 verfahren werden.

Bei der Nutzung von Unit-use-Reagenzien zur patientennahen Sofortdiagnostik (POCT), wie sie auch in den Schwerpunktpraxen üblich ist, sieht die Richtlinie (unter Punkt 2.1.5) eine Ausnahmeregelung vor. Diese greift, sofern die Messsysteme bei der täglichen Benutzung elektronische/physikalische Standards anwenden bzw. eine integrierte Prüfung der Gerätefunktion haben, die fehlerhaft ausgegebene Messergebnisse verhindert. Die Geräte benötigen demnach keine externe Qualitätskontrolle, sondern müssen praxisintern nach den Vorgaben des Herstellers geprüft werden.

Rili-BÄK: bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/qualitaetssicherung