Diabetes Typ 1 oder Typ 2 – Korrekte Diagnose durch Autoantikörper

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Nicht immer ist die Diagnose eines Diabetes einfach. Nicht immer ist die Diagnose eines Diabetes einfach. © WrightStudio – stock.adobe.com

Der Nüchternblutzucker lässt einen Typ-2-Dia­betes vermuten, doch Alter und Gewicht des Patienten passen nicht ins Bild. Die fehlende Ketonurie spricht eher gegen eine Typ-1-Erkrankung. Bei solch unklaren Fällen braucht es weitere Untersuchungen, um zwischen den beiden Typen zu differenzieren.

Selbst wenn nur zwei – statt wie in der bekannten Fernsehshow drei – Optionen infrage kommen, muss die Diabetesdiagnose korrekt ausfallen. Weist ein Patient die charakteristischen Zeichen eines Typ-2-Diabetes auf und liegen die Blutzuckerwerte zweimal über 200 mg/dl, ist die Zuordnung auch ohne weitere Labordiagnostik klar. Kopfzerbrechen bereiten v.a. zwei Gruppen:

  • Patienten unter 40 Jahren, die initial mit Insulin behandelt wurden, deren Klinik aber eher für einen Typ-2-Diabetes spricht
  • Patienten ab dem 40. Lebensjahr mit spätem Krankheitsbeginn, die eine Insulintherapie benötigen und Symptome eines Typ-1-Dia­betes aufweisen, z.B. einen BMI unter 25 kg/m2

In diesen Fällen sollte man prüfen, ob der Betroffene nicht doch unter einem frühen Typ 1 mit atypischer Präsentation oder einem latenten Autoimmundiabetes des Erwachsenenalters (LADA) leidet.

Allein auf das Alter ist bei der Differenzierung jedenfalls kein Verlass, schreiben die Diabetologin Dr. Alexandra­ Butler­ von der University of Qatar und Professor Dr. David­ Misselbrook­, Allgemeinmediziner an der Medical University of Bahrain. In 40 % der Fälle manifestiert sich ein Typ-1-Diabetes erst jenseits des 30. Lebensjahres. Auch eine Ketonurie muss nicht unbedingt vorhanden sein und der BMI liegt schon mal über 25 kg/m2. Aufs Glatteis führen kann selbst der HbA1c, denn die Hypoglykämie entwickelt sich mitunter so rasch, dass sie mit dem Langzeitwert nicht erfasst wird.

Typische Typen anhand der Klinik unterscheiden
Typ-1-Diabetes
Typ-2-Diabetes
Gewichtsverlustmeistens (kann fehlen bei z.B. verzögertem Beginn)ungewöhnlich
Ketonurieja (bei protrahierter Manifestation nicht immer)nein (außer nach Fastenperioden)
Auftreten der Symptomeinnerhalb von Wochen oder Tageninnerhalb von Monaten bis Jahren
Schweregrad (z.B. Nykturie ≥ 3 x pro Nacht)
oft ausgeprägtvariabel (überwiegend keine schweren Symptome)
Familienanamnese evtl. positiv für Autoimmunerkrankungen bzw. Insulinabhängigkeit im jungen Alter in 30 % positiv für Typ-2- Diabetes im Erwachsenenalter
AlterBeginn in jedem Alter möglich, meist Vorschulalter oder Adoleszenz typischerweise ab 40 Jahren, aber auch im jüngeren Alter möglich

Autoimmundiabetes wird oft als Typ 2 fehldiagnostiziert

Patienten mit LADA produzieren zwar Diabetes-typische Antikörper. Sie benötigen aber zumindest in den ersten sechs Monaten nach der Diagnosestellung noch kein Insulin. Zwischen 4 % und 14 % der frisch erkannten Typ-2-Diabetiker haben in Wirklichkeit einen LADA, unter den über 40-Jährigen ist sogar etwa jeder Vierte betroffen. Wie ein Typ-2-Diabetes auch, beginnt der LADA meist subklinisch, nur selten akut. Allerdings muss man jederzeit mit dem Übergang in einen Typ 1 rechnen. Lässt sich nur ein Autoantikörper nachweisen, geschieht dies in 20 % der Fälle – gegenüber 80 % mit vier Autoantikörpern.

Für die Praxis raten die Autoren, bei unter 40-jährigen Patienten mit Verdacht auf einen Diabetes vom Typ 2, die zudem einen BMI ≤ 25 kg/m2 aufweisen, eine Auto­immunität auszuschließen. Gemessen werden sollten die Antikörpertiter gegen Glutamatdecarboxylase (anti-GAD), Inselzellen (ICA) und Insulin (IAA). Anti-GAD-Antikörper haben die höchste Sensitivität für den Nachweis eines erst im Erwachsenenalter auftretenden Typ 1. In Kombina­tion mit der passenden Klinik sichern Autoantikörper gegen Betazellen oder Insulin die Diagnose­.

Mit einer Kontrolle des C-Peptids lässt sich die noch erhaltene körpereigene Insulinsekretion erfassen. Sehr niedrige Werte sprechen für einen Typ-1-Diabetes, allerdings ist das C-Peptid bei etwa 30 % der Betroffenen noch nachweisbar. Die Kontrolle der Autoantikörper und/oder des C-Peptids wird auch für Patienten mit mutmaßlichem Typ-1-Diabetes, aber atypischer Präsentation (BMI > 25 kg/m2 bzw. Alter über 50 Jahre) empfohlen.

Symptomatische Patienten mit Ketonurie zum Spezialisten

Die Labordiagnostik setzt allerdings voraus, dass der Patient stabil ist und keine relevanten Akutbeschwerden aufweist. Sie darf den Beginn einer dringend benötigten Insulintherapie nicht verzögern. Bei symptomatischen Patienten mit Ketonkörpern in Urin oder Blut empfehlen die Autoren die Überweisung zu einem Spezialisten.

WHO-Kriterien des Diabetes mellitus

  • Gelegenheitsglukose ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l) bei Patienten mit typischen Diabetessymptomen oder
  • Nüchternblutzucker ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l) oder
  • HbA1c von ≥ 6,5 %
  • Zweistundenwert im oralen Glukosetoleranztest ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l)

Wie knifflig sich das Ganze in der Praxis darstellen kann, zeigt der Fall eines 33-Jährigen. Für einen Typ-2-Diabetes war dieser eigentlich zu jung und mit einem BMI von 25 kg/m2 auch etwas zu leicht. Allerdings wies er einen Nüchternblutzucker von 250 mg/dl auf. Die Urinanalyse fiel normal aus. Gemäß des eben geschilderten Vorgehens erfolgte eine Kontrolle der Autoimmunität und tatsächlich ließen sich Autoantikörper gegen Glutamatdecarboxylase und Insulin nachweisen. Jedoch hatte man den jungen Mann bereits erfolgreich mit Metformin behandelt. Zudem benötigte er kein Insulin, was einen Typ-1-Diabetes ausschließen ließ. Letztlich diagnostizierten die Ärzte einen latenten Autoimmundiabetes des Erwachsenenalters. Der Patient kam zurück in hausärztliche Behandlung und wurde in der Blutzuckerselbstmessung geschult, um eine akute Verschlechterung mit Insulinbedarf rechtzeitig zu erkennen.

Quelle: Butler AE, Misselbrook D. BMJ 2020; 370: m2998; DOI: 10.1136/bmj.m2998