Beim Kinderschutz gespart: Zur Kooperation zwischen Pädiatern und Jugendämtern

Niederlassung und Kooperation Autor: Ruth Bahners

Empfiehlt ein Kinderarzt einer Familie, Hilfsangebote des Jugendamtes anzunehmen, bleibt dies oft ohne Konsequenz. Empfiehlt ein Kinderarzt einer Familie, Hilfsangebote des Jugendamtes anzunehmen, bleibt dies oft ohne Konsequenz. © fizkes – stock.adobe.com

Medizinischer Kinderschutz geht alle an. Aber die Zusammenarbeit zwischen Kliniken, Hausärzten und Pädiatern mit staatlichen Stellen wie den Jugendämtern scheitert oft an bürokratischen Hürden. Auch mangelt es an Zeit und Geld.

„Medizinischer Kinderschutz ist eine multiprofessionelle Disziplin, die sehr anspruchsvoll und belastend sein kann“, stellt der Vorsitzende der Fachgesellschaft Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), Dr. Bernd Herrmann, klar. Erst 2016 gegründet, zählt die Fachgesellschaft heute mehr als 500 Mitglieder.

Als Fortschritte zählt Dr. Herrmann die bundesweit 180 Kinderschutzgruppen an Kliniken sowie eine S3-Leitlinie auf. Mehr als 180 Kollegen hätten inzwischen das Zertifikat „Kinderschutzmedizin“ der DGKiM erworben. Aber noch immer fehle die Integration in die kindermedizinische Regelversorgung.

Der Allgemeinpädiater macht das an der Finanzierung fest. Für die Kliniken gebe es zwar inzwischen im Fallpauschalenkatalog die OPS „Kinderschutz“ in Höhe von 900 bis 1200 Euro. Doch die Vergütung ambulanter Hilfen stelle nach wie vor ein Problem dar. „Die Ambulanzen erbringen 30 % ihrer Leistungen umsonst“, hat laut Dr. Herrman eine Umfrage unter den Kinderschutzambulanzen ergeben.

Kommen an die Jugendhilfe verwiesene Familien dort an?

Und die Fallzahlen steigen, berichtet Dr. Tanja Brüning, Oberärztin an der Kinderschutzambulanz der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln. Bei der Gründung vor zehn Jahren betreute die Ambulanz 150 Fälle im Jahr, heute sind es 1000. „Doch den Aufwand, den eine gute Versorgung leisten muss, finde ich nicht im Abrechnungskatalog.“

Das sei bei Hausärzten und Päd­iatern nicht anders, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Bundesverbands der Kinder- und Jugend­ärzte (BVKJ). Häufig werde eine „karitative Gesinnung“ eingefordert. „Wenn wir uns beteiligen sollen, brauchen wir Zeit und Geld.“

Dr. Fischbach moniert auch die „Unidirektionalität der Information“ durch Einrichtungen der Jugendhilfe, vornehmlich der Jugendämter. Es sei tägliche Übung der niedergelassenen Kinderärzte, Familien bei Problemen zu beraten, auch durch Hinweise auf Angebote der Jugendhilfe. Es gebe aber so gut wie keine Rückmeldungen, ob die Familien dort angekommen seien. Nur einmal in 26 Jahren sei er in ein Hilfeplanverfahren eingebunden worden, berichtet der Pädiater. Aber wenn dazu für Montagmorgen, 10 Uhr, eingeladen werde, sei die Zusammenarbeit schon verunmöglicht.

Dr. Fischbach macht für die Ko­operationsprobleme die unterschiedlichen Rechtskreise verantwortlich, die im Kinder- und Jugendschutz greifen würden. Die medizinische Versorgung im engeren Sinne wird durch das Sozialgesetzbuch V geregelt. Der Kinder- und Familienschutz fällt ins SGB VIII. Bis heute fehlten darin Bestimmungen, die die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Jugendämtern regeln.

Strukturell, bei den Standards und der Transparenz hakt es

In einem gescheiterten Novellierungsversuch war vorgesehen, Ärzte an der Gefährdungseinschätzung durch das Jugendamt regelhaft zu beteiligen und die strukturellen wie finanziellen Aspekte einer institutionalisierten Zusammenarbeit zu regeln. „Darauf warten wir schon drei Jahre“, so Dr. Fischbach. Die Novelle verrotte im Bundesrat.

Kooperationen beruhten größtenteils auf Freiwilligkeit, bestätigt Ulrich Adler, Leiter Vertragswesen der Techniker Krankenkasse NRW. „Nötig sind jedoch geregelte Strukturen in den Kommunen, Standards für die Zusammenarbeit im Kinderschutz sowie mehr Transparenz.“ Die Vergütung der Kooperation von Ärzten mit Jugendämtern sei keine Aufgabe der GKV.

Schutzkonzept in Erprobung

Über den Innovationsfonds wird das Projekt MeKidS.best (Medizinischer Kinderschutz im Ruhrgebiet) finanziert. Ziel ist es, eine neue Versorgungsform zu konzipieren, in der der medizinische Kinderschutz standardisiert, sektorenübergreifend und in regionalen Netzwerken aufgebaut wird. Pädiatrische Praxen sowie neun Kinder- und Jugendkliniken im Ruhrgebiet arbeiten hierbei mit 20 Jugendämtern zusammen.

Medical-Tribune-Bericht