Sprachbarriere im Sprechzimmer Dolmetsch-Hotline hilft Kindern
Seit wann hat Ihr Kind diese Bauchschmerzen?“ Die Mutter zuckt mit den Schultern: Sie spricht kein Deutsch, versteht die Frage des Arztes nicht. Das Erstgespräch scheitert an der Sprache.
Die Sprachmittlung „Triaphon“, die derzeit in 100 Berliner und Hamburger Kinderarztpraxen getestet wird, stößt in diese Lücke: Der Übersetzerdienst steuert das Gespräch zwischen Kinderarzt und Patient. Ein niederschwelliges Angebot, das denkbar einfach funktioniert: Der Arzt ruft die 24h-Dolmetsch-Hotline an. Per Knopfdruck wählt er eine von neun Sprachen: Arabisch, Bulgarisch, Dari/Farsi, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch, Vietnamesisch und Ukrainisch. Er wird zum gewünschten Dolmetscher durchgestellt – einem von über 130 geschulten Sprachmittlern, die ehrenamtlich für die Hotline arbeiten. Der Übersetzer übernimmt dann das kurze Gespräch zwischen Arzt und Patient.
Medizinische Dolmetsch-Hotline rund um die Uhr
Im Rahmen des Projekts „TriaKi” (Triaphon in Kinderarztpraxen) nutzen seit Juni 2021 Pädiater in 23 Kinderarztpraxen die medizinische Dolmetsch-Hotline „Triaphon“.
Das Pilotprojekt, das die Auridis Stiftung fördert und das jetzt auf 100 Praxen in Hamburg und Berlin erweitert wurde, untersucht das telefonische 24h-Dolmetsch-Angebot im Praxialltag.
Die Evaluationsergebnisse seien ein erster Hinweis darauf, dass „eine Dolmetsch-Hotline ein gutes und handhabbares Instrument für die ambulante medizinische Versorgung von Kindern darstellt“, sagt der Projektleiter Dr. Korbinian Fischer.
Das Anrufverhalten aus 23 Kinderarztpraxen (Stand: Anfang März 2022) zeigte, dass der Übersetzungsservice gefragt ist:
- Es gab insgesamt 464 gedolmetschte Gespräche.
- Die durchschnittliche Gesprächsdauer lag bei 7,66 Minuten pro Anruf.
- Anrufstärkster Monat: September 2021 (88 Anrufe, über 700 Min. Anrufzeit).
Erstgespräch: Welche Symptome, seit wann?
Der Bedarf an Dolmetscherdiensten steigt, vor allem in Folge des Ukraine-Kriegs. Knapp 10 % der Notfallpatienten hätten aber schon zuvor mit Sprachbarrieren zu tun, betont Projektleiter Dr. Korbinian Fischer aus Berlin. Ohne Anamnese-Gespräch am Anfang ginge es nicht. „Welche Symptome hat der Patient? Seit wann geht es ihm schlecht? Diese Fragen stellt man ja auch deutschsprachigen Patienten.“
Im Praxisalltag hätten sich jedoch inakzeptable Praktiken eingeschlichen, kritisiert er. „Es kommt vor, dass ohne funktionierende Kommunikation behandelt wird.“ Dies führe zur Unter-, Fehl- oder Überversorgung, wie unnötiger Bildgebung (Röntgen, CT oder MRT), und sei für das Gesundheitssystem am Ende viel teurer, so Dr. Fischer. Die Kosten fürs Dolmetschen übernehmen die Kassen bislang nicht (nur für Gebärdensprache), sie liegen beim Patienten. Der Projektleiter fordert eine Gesetzesänderung.
Dolmetschen im Gesundheitswesen wird derzeit politisch verstärkt diskutiert, etwa beim 126. Deutschen Ärztetag. Patienten sollten baldmöglichst ein Anrecht auf Dolmetscher mit Kostenübernahme erhalten, heißt es. Der Koalitionsvertrag führt die Sprachmittlung auch mithilfe digitaler Anwendungen im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung als Bestandteil des SGB V auf.
Medical-Tribune-Bericht