Holt ein in der Praxis angestellter Arzt nur die Kosten wieder rein?
Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der angestellten Ärzte im ambulanten Bereich von knapp 8500 auf über 22 300 erhöht. Durch die Beschäftigung von Kollegen erhöhen die Niedergelassenen ihre Produktivität, argumentieren die Krankenkassen. Dieser gewinnsteigernde Effekt müsse in Verhandlungen über die Höhe des Orientierungswerts (dämpfend) berücksichtigt werden.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) der KBV hat sich deshalb die Praxisdaten angeschaut. Es kommt anhand einer Regressionsanalyse zu dem Eindruck: „Unterm Strich können wir beim Jahresüberschuss keinen signifikanten Beitrag durch angestellte Ärzte feststellen“, so Institutsleiter Dr. Dominik von Stillfried.
Macht der angestellte Arzt den Renditeunterschied?
Im Zi-Vergleich fallen die Jahresüberschüsse in den Praxen mit angestellten Ärzten bei den meisten Fachgruppen durchaus „nennenswert“ höher aus als bei den Praxen ohne angestellte Mediziner. Bei den Hausärzten sind das je Praxisinhaber 178 000 Euro versus 142 500 Euro. Bei den Augenärzten lauten die Mittelwerte 358 100 und 179 400 Euro.
Doch es fehlt die Kausalität. Gerade das letzte Beispiel zeigt, dass es diverse Faktoren sind, die die Unterschiede ausmachen, sagt Dr. von Stillfried. Bei den Augenärzten lässt sich z.B. vermuten, dass unterschiedliche Leistungsspektren, etwa durch operierende Kollegen, eine Rolle spielen. Statistisch relevante Größen der Geschäftsentwicklung sind der Zeitaufwand des Praxisinhabers und die Anzahl der Patienten. Dr. von Stillfried hält „vertiefende Analysen“ für notwendig.
Er hebt hervor, dass „die Anstellung von Ärzten nicht dazu führt, dass die Praxisinhaber weniger arbeiten“. Laut Zi-Daten ist ein hausärztlicher Praxisinhaber ohne angestellte Kollegen im Schnitt 2321 Stunden im Jahr gefordert, ein Praxisinhaber mit angestellten Kollegen sogar 2472 Stunden. Das ergibt im ersten Fall einen Jahresüberschuss von 60,09 Euro pro Stunde und im zweiten Fall von 69,30 Euro.
Wenn es wirklich so wäre, wie die KBV behauptet – „die Betriebskosten durch die Anstellung von Ärzten steigen offenbar in dem Maße wie dadurch zusätzliche Einnahmen entstehen“ – würden die Arbeitgeber wenig ökonomisch handeln.
Hans-Joachim Schade, Rechtsanwalt in Wiesbaden und gefragter Berater bei Kooperationen, wähnt hinter dieser Auslegung auch Politik. Er unterscheidet zwei Typen von Ärzten. A – der echte Unternehmertyp: Mit viel Einsatz, guter Organisation und Führung sowie einem motivierten Team betreibt er eine große Praxis. Hier tragen das Management, z.B. Schichtbetrieb, und die Menge an Patienten dazu bei, dass ein in Vollzeit angestellter Kollege durchaus eine „Rentabilität“ von 30 000 bis 35 000 Euro zum Praxisgewinn beisteuert.
40-Stunden-Woche ist für Selbstständige unübli
Typ B erhofft sich von dem angestellten Kollegen vor allem eine zeitliche Entlastung, um sich selbst intensiver den Patienten, der Fortbildung oder Privatem zu widmen. Wenn aber der Selbstständige seinen Einsatz stark reduziert und der angestellte Kollege nur eine Halbtagsstelle abdeckt, muss man zu zweit mit z.B. 1000 bis 1200 Scheinen auskommen. Hier verpufft der Renditeeffekt einer Anstellung, so Schade. Laut KBV arbeiten selbstständige Ärzte im Schnitt über 50 Wochenstunden, ihre angestellten Kollegen sind meist im Rahmen einer 40- oder 20-Stunden-Woche tätig.
Die Einschätzung der KBV, dass die Überschüsse durch angestellte Vertragsärzte bescheiden bleiben, teilt Allgemeinarzt Dr. Günter Spatz. Er ist mit Kollegen an drei Standorten in Bremen aktiv: Fast 20 Ärzte – vier davon in Weiterbildung, die anderen je zur Hälfte Selbstständige und Angestellte – behandeln rund 10 000 Fälle pro Quartal.
Wenn sich der Chef reinhängt, läuft der Laden
Die Praxis, in der er selbst vor Ort ist, laufe gut, erzählt er. In den beiden Dependancen sei es „schwierig“; in den ersten Jahren sei ihr Betrieb defizitär. Sein Eindruck ist: Wo sich ein Chef im Betrieb „voll reinhängt“, läuft der Laden. Passiert das nicht, kann es dauern, bis die Praxis auf einen grünen Zweig kommt. Denn angestellte Ärzte verhalten sich anders als selbstständige, sagt der Hausarzt: Lieber reden sie einige Minuten länger mit dem Patienten, als diese Zeit der Dokumentation und Abrechnung zu widmen oder auf mögliche Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen hinzuweisen.
Suboptimale Abrechnungen sind keine Ausnahme. Dr. Spatz beschäftigt eigens eine Helferin, die die angesetzten Ziffern kontrolliert und ggf. nachhakt. Wenn z.B. bei einem Privatpatienten die Nr. 5 GOÄ für die symptombezogene Untersuchung vergessen wird, sei das „haarsträubend“, stöhnt der Arzt. Vielleicht könnten ausgeklügelte Beteiligungsmodelle die Einstellung zu den Einnahmen verändern, überlegt er.
„Ich arbeite immer noch sehr viel“, sagt Dr. Spatz, d.h. bei solchen Praxisdimensionen viel Verwaltungstätigkeit und Personalführung.
Vorbereitung für die Praxisnachfolge
Eine wichtige Überlegung, Kollegen als Angestellte ins Boot zu holen, ist die Vorbereitung einer Praxisnachfolge. Die fällt Einzelpraxen heutzutage schwerer als Partnerschaften.
Angestellte bevorzugen auch größere Einheiten. Dort sind Teilzeitmodelle und feste Arbeitszeiten eher möglich als in kleinen Praxen. Und das Praxisarztgehalt kann den Vergleich mit dem Grundgehalt eines Oberarztes bestehen, sagt Dr. Spatz.
Der Betrieb einer Praxis mit angestellten Ärzten sei ein Risiko, betont der Hausarzt. Man muss die geeigneten Leute finden – und wenn diese wieder abspringen, drücken die Kos-ten der anderen laufenden Verträge (Miete, Personal). Wenn seine Investitionen plus/minus null aufgehen, sei er schon zufrieden, sagt Dr. Spatz. Ihm ist wichtig, dass die Patientenversorgung in den Stadtteilen gesichert ist.