Bei wem müssen stillgelegte Elektroden wieder raus?

Autor: Manuela Arand

Wie mit stillgelegten Elektroden verfahren werden soll, klären Leitlinien unzureichend. Wie mit stillgelegten Elektroden verfahren werden soll, klären Leitlinien unzureichend. © iStock.com/Trout55

Ob vom Schrittmacher oder vom implantierbaren Defi – Hunderttausende Elektroden liegen hierzulande in den Ventrikeln. Nicht alle erfüllen (noch) einen Zweck. Stellt sich die Frage: Soll man inaktive Sonden ziehen? Und wenn ja, wann?

Sonden von kardiovaskulär implantierbaren Geräten verwachsen über die Jahre häufig mit der Gefäßwand, zum Teil auch mit der Trikuspidalklappe. Das kann deren Entfernung erschweren. Unstrittig ist, dass eine Infektion des Sondenmaterials eine Extraktion erfordert – gemäß Leitlinie eine Klasse-I-Indikation. Auch eine okkludierte V. cava sollte die Entfernung nach sich ziehen, wenn sich der Zugang auf andere Weise nicht wiederherstellen lässt. Register­daten belegen bei beiden Indikationen hohe Erfolgs- und geringe Komplikationsraten.

Was aber passiert mit Sonden, die schlicht nicht mehr funktionieren oder die z.B. wegen einer Systemaufrüstung stillgelegt werden sollen? Müssen sie vorsorglich raus oder können sie liegenbleiben, solange keine Komplikationen auftreten? „Die Leitlinien helfen uns da kaum weiter“, bemängelte Dr. Thomas­ Blum, Oberarzt am Universitäts-Herzzentrum Bad Krozingen. Die europäische Heart Rhythm Society etwa empfiehlt in einem Konsensusstatement, stillgelegte Kabel so zu belassen, dass eine künftige Extraktion möglich ist und ein Zurückrutschen ins Gefäß verhindert wird.¹

Entscheidung zur Extraktion am Einzelfall festmachen

Quasi im selben Atemzug heißt es aber: Stilllegung und Entfernung könnten sinnvolle Strategien sein, wenn eine Sonde klinisch überflüssig wird oder nicht mehr funktioniert. Für die frühe Extraktion spricht, dass die Prozedur bei später Entfernung schwieriger wird und mehr Komplikationen resultieren. Befürchtungen, dass Komplikationsrate und Mortalität kurz nach dem Eingriff erst einmal steigen, haben sich nicht bestätigt. Stattdessen gibt es eine ganze Reihe weiterer Argumente pro frühe Entfernung: Die Sonden altern im Patienten und werden fragiler, Fibrosen bilden sich. Das kann dazu beitragen, dass die Kabel später nicht mehr vollständig entfernt werden können.

Dr. Blum sprach sich dafür aus, das Prozedere nicht zu standardisieren, sondern am Einzelfall auszurichten. Patienten sind heute im Schnitt 77 Jahre alt, wenn sie einen Schrittmacher bekommen. „Wenn so ein Patient mit 85 Jahren neue Elektroden braucht, rate ich dazu, die alten liegen zu lassen.“ Aber einem 25-Jährigen mit Brugada-Syndrom würde der Kollege keine dritte Elektrode legen. Auf Patientenseite lassen sich Faktoren definieren, die das Risiko, dass eine Extraktion mit sich bringt, erhöhen. Dazu zählen:

  • niedriges Körpergewicht
  • hohes Alter
  • schlechte Pumpfunktion, Niereninsuffizienz, Anämie
  • Zustand nach transitorisch isch­ämischer Attacke oder Schlaganfall
  • Antikoagulation (muss unterbrochen werden)

„Der Herzchirurg muss mit am Tisch stehen!“

Darüber hinaus zeigen große Vegetationen oder Thromben Gefahr an, ebenso okkludierte Venen. „Was einen gewissen Schutz bietet, ist eine vorangegangene Operation am offenen Herzen, weil es dann nicht so leicht zur Tamponade im Bereich des Ventrikels kommt“, so Dr. Blum.

Manche Sonden lassen sich schwerer ziehen als andere, vor allem wenn sie mehr als zehn Jahre gelegen haben. Und natürlich steigt die Komplexität mit der Zahl der Kabel in situ – ab drei wird es schwierig. Entscheidet man sich für die Extraktion, ist das Back-up durch den Herzchirurgen unverzichtbar. Rufbereitschaft reicht da nicht: „Der Kollege muss mit am Tisch stehen, falls eine Notfall-Thorakotomie erforderlich wird“, betonte der Referent. Alles andere verstieße übrigens auch gegen die Leitlinien.

Quellen:
DGK Herztage 2018
¹ Kusumoto et al. Heart Rhythm 2017; 14: e503-e551

Bei diesem Patienten entschied man sich gegen eine Extraktion. Die inaktive Sonde läuft bis unter die linke Clavivula. Bei diesem Patienten entschied man sich gegen eine Extraktion. Die inaktive Sonde läuft bis unter die linke Clavivula. © iStock.com/Trout55