Böse Folgen bei salopper Attest-Ausstellung

Praxisführung , Praxismanagement Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

Nach der Berufsordnung hat jeder Arzt die Pflicht, ärztliche Zeugnisse nach bestem Wissen und Gewissen auszustellen. Was der Arzt hierbei beachten sollte und welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einem „unrichtigen“ Attest ergeben können, erläutert Rechtsanwältin Henriette Marcus.

Attestiert ein Arzt einem Patienten eine Erkrankung, ohne ihn vorher eingehend untersucht zu haben, liegt in einem solchen „Gefälligkeitsattest“ ein Fall des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor. Dies ist nach § 278 Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt. Folgen können eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe sein.

Als Gesundheitszeugnis definiert § 277 StGB Erklärungen über den aktuellen, früheren oder künftigen Gesundheitszustand eines Menschen. Dazu gehören typischerweise Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder Versicherungsgutachten über den Gesundheitszustand eines Patienten.

Unrichtig ist ein Gesundheitszeugnis dann, wenn wesentliche Feststellungen nicht in Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stehen oder eben auch, wenn es ohne ordnungsgemäße vorherige Untersuchung ausgestellt wurde, erläutert Juristin Marcus von der Frankfurter Kanzlei Messner, Dönnebrink, Marcus.

Freiheitsstrafe droht bei Beihilfe zum Betrug

Wird ein unrichtiges Gesundheitszeugnis vom Patienten dann zur Vorlage bei einer (Unfall-)Versicherung verwendet, um z.B. unberechtigte Schmerzensgeldzahlungen zu erreichen, so macht sich der Arzt zusätzlich der Beihilfe zum Betrug strafbar. Der Beihilfe Leistende wird zwar milder bestraft als der Haupttäter. Es drohen jedoch bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung oder gar Verurteilung des Arztes zieht zudem berufsrechtliche Konsequenzen nach sich, warnt Anwältin Marcus. Es wird durch die zuständige Ärztekammer ein berufsrechtliches Verfahren parallel zum Strafverfahren eingeleitet mit der Gefahr des Ruhens oder gar des Verlustes der Approbation. Vertragsarztrechtlich steht zugleich der Entzug der Zulassung durch ein Disziplinarverfahren bei der zuständigen KV im Raum.

Die berufsrechtliche Pflicht zur Ausstellung ärztlicher Zeugnisse nach bestem Wissen (§ 25 Musterberufsordnung-Ärzte) erfordert vom Arzt eine nachvollziehbare und transparente Dokumentation dar­über, wie er zu seiner Diagnose im Einzelfall gekommen ist. Fehlt eine solche, wird in einem Gerichtsverfahren der Beweiswert des ärztlichen Attestes, das als Urkunde gilt, erschüttert. Fehlende Dokumentatio­nen zur Diagnose werden im Strafverfahren auch als starkes Indiz für eine Betrugsabsicht bewertet.

Rückwirkend ausgestellt? Das mindert Beweiswert

Rückwirkende Krankschreibungen eines Arztes mindern ebenfalls den Beweiswert eines Attests: Nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien darf nur ausnahmsweise für maximal drei Tage eine rückwirkende Krankschreibung erfolgen, so Rechtsanwältin Milana Sönnichsen, Kanzlei Messner, Dönnebrink, Marcus.

Bestehen Zweifel an der Richtigkeit, kann die involvierte Stelle (das heißt das Arbeitsamt, die Versicherung oder das Gericht) ein Gut­achten beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) in Auftrag geben. Kommt der MDK-Gutachter zu einem anderen Ergebnis als der Arzt, hat dessen Gutachten gemäß § 7 Abs. 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie im Zweifel einen höheren Beweiswert als das Attest des Arztes.

Ergeben Prüfungen der AU-Bescheinigungen durch den MDK, dass ein Arzt Arbeitsunfähigkeit attestiert hat, obwohl die medizinischen Vor­aussetzungen dafür nicht vorlagen, können sowohl Arbeitgeber als auch Krankenkasse, die zu Unrecht Arbeitsentgelt bzw. Krankengeld bezahlt haben, von dem Arzt Schadenersatz verlangen. Das gilt dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich festgestellt worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Angestellten Ärzten droht durch die Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses zudem der Verlust ihrer Arbeitsstelle: Arbeitsrechtlich liegt in einem solchen Verhalten auch ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor.

Arzt zu 13 200 Euro Strafe verurteilt

Ein Arzt wurde wegen der Ausstellung zweier rückwirkender AU-Bescheinigungen vom Amtsgericht Hof zu einer Geldstrafe von 13 200 Euro verurteilt. Dem Arzt wurde vorgeworfen, unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben. Zu dem Strafverfahren kam es deshalb, schreibt die Frankenpost online, weil der angeklagte Arzt gegen einen Strafbefehl Einspruch erhoben hatte.


Laut Staatsanwaltschaft hätte der Arzt in nachweislich zwei Fällen im Mai und Juni 2011 Patienten bewusst und ohne medizinische Indikation rückwirkend arbeitsunfähig geschrieben. Der Arzt habe gewusst, dass die Patienten die Bescheinigungen nur zur Vorlage beim Jobcenter benötigten, da sie Vorsprachetermine versäumt hatten. Die zuständigen Stellen ließen vom Medizinischen Dienst die Sache prüfen und es folgte die Anzeige gegen den Allgemeinarzt.


Im ersten Fall ging es um einen drogensüchtigen Patienten und eine Arbeitsunfähigkeit über zehn Tage, so die „Frankenpost“. Der Arzt habe im Prozess angegeben, es sei ihm egal gewesen, wofür der Schein gebraucht werde. „Wenn jemand krank ist, braucht er Hilfe“, begründete der Arzt vor Gericht die Ausstellung des gelben Scheins. Der Mann sei in einem Drogentief gewesen mit Entzugserscheinungen wie Apathie und Depression.

Im zweiten Fall ging es um eine junge Frau, die mit ihrer Mutter in die Praxis gekommen war. Sie schilderte, dass sie mit der Pflege ihrer Mutter überfordert sei. Die Tochter hätte einen erschöpften Eindruck gemacht und hätte ähnliche Medikamentenprobleme wie die Mutter gehabt. Deshalb habe der Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, mit der die Frau beim Jobcenter zwei versäumte Termine entschuldigen sollte. Die Tochter sagte offenbar aus, der Arzt habe angeboten, die Bescheinigung rückwirkend auszustellen. 


Dass der Arzt nach bestem Gewissen und ohne Betrugsabsicht gehandelt habe, stellte der Gutachter infrage. In beiden Fällen hätten Dokumentationen und Diagnosen gefehlt. Deshalb sei eine rückwirkende Krankschreibung unberechtigt gewesen. Bei Verdacht auf Drogen sei eine Überweisung zu einem Facharzt oder in eine Klinik erforderlich. Im zweiten Fall habe es praktisch keine Untersuchung gegeben.