Interview „Es wird irgendwann auch bei der ePA mit einem Klick klappen“

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Anouschka Wasner

Der Allgemeinarzt Stefan Spieren aus der Modellregion NRW testet seit dem 15. Januar die ePA. Der Allgemeinarzt Stefan Spieren aus der Modellregion NRW testet seit dem 15. Januar die ePA. © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

Der Allgemeinarzt Stefan Spieren aus der Modellregion NRW testet seit dem 15. Januar die ePA. Wie er seine Patientenklientel früh an digitale Tools und an die ePA herangeführt hat, erzählt er im Interview. 

Wie geht es Ihnen nach den ersten Wochen mit der ePA? 
Stefan Spieren: Sie funktioniert, und zwar erstaunlich schnell, wenn man sie aufruft. Es gibt Unterschiede je nach Krankenkasse. Manchmal ruckelt es bei dem einen Aktensystem, manchmal beim anderen. Ich habe auch nicht erwartet, dass am 15. Januar alles läuft. Patientinnen und Patienten allerdings schon. Letzte Woche rief jemand an: „Guten Morgen, wo finde ich denn die Laborberichte von letzter Woche in meiner Patientenakte?“ Sie gehen davon aus, dass alles schon funktioniert.  

Wer hat Ihren Patientinnen und Patienten die ePA erklärt?  
Wir machen Digitaltrainings. Der Gesetzgeber hat gesagt, ein Aushang reicht, aber wir setzen auf Aufklärung. Bei der digitalen Terminvereinbarungen oder dem E-Rezept war es auch so: Meine MFA haben gemerkt, erst fragt Oma Müller, dann Opa Meier, dann noch jemand. Also haben sie allen gesagt: Kommt heute Nachmittag wieder rein, dann erklären wir alles. Das wurde zu einem festen Sprechstundentermin. Für die ePA haben wir außerdem im Januar eine Hybrid-Info-Veranstaltung gemacht. Wir haben mit 40 Leuten gerechnet, teilgenommen haben 250.  

Ich verstehe jeden, der keine Lust auf Aufklärung in der Praxis hat. Die Frage ist aber doch: Hilft es mir, wenn der Patient mit der ePA umgehen kann? Wenn jemand zur Blutentnahme da war, will er den Bericht haben. Ich muss den ausdrucken und mitgeben oder zuschicken. Wissen alle, wie die ePA funktioniert, entfällt das.

Wie gehen Sie mit schwierigen Laborergebnissen um? 
Natürlich sichte ich die Werte. Ich habe eine App, über die ich hochpathologische Werte per Push-Nachricht kriege. Dann rufe ich die Betroffenen an oder bestelle sie ein.  

Könnte es sein, dass jemand problematische Ergebnisse über die ePA erhält, bevor er oder sie mit dem Arzt oder der Ärztin in Kontakt war?  
Das wird so sein. Das Ergebnis vom HIV-Test wird nicht übermittelt. Aber die normale Laborkontrolle landet irgendwann sicherlich direkt in der ePA. Damit muss ich umgehen können. Was ein bisschen schwierig ist: Wenn wir morgens 100 Blutentnahmen machen, sind davon ein paar garantiert pathologisch. Um 12 Uhr habe ich die Werte – und der Patient auch. Also glüht bei mir ab 5 nach 12 Uhr die Telefonleitung. Dafür testen wir gerade einen Avatar, der mit Patienten diese Berichte bespricht.

Das geht nicht für hochpathologische Werte, aber in allen anderen Fällen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass nicht mehr wir die Hoheit haben, zu sagen: Frau Meyer kriegt die Werte, Herr Müller nicht. 

Welche Funktionen der ePA sind für Ihre Praxis die hilfreichsten? 
Dass ich Daten herunterladen kann. Ich mache die ePA mit einem Klick auf. Es dauert keine zehn Sekunden und ich sehe alles. Ich markiere, was ich haben will, lade es runter und es ist sofort in meiner Patientenkartei drin. Das Hochladen von Dokumenten funktioniert noch nicht so, wie man sich das wünscht, aber das wird kommen. Auch das Wegschicken der Befunde aus unserem Praxisverwaltungssystem läuft noch nicht ganz erwartungsgemäß, aber es wird immer besser. 

Welche Unterstützung erhalten Sie von KV, Gematik und Ihrem PVS-Anbieter? 
Wir haben wöchentliche Austausch-Sessions mit der KV und den anderen ePA-Modellpraxen. Die KV spricht mit der Gematik. Außerdem gibt es ein ePA-Hotline. Wenn ich Schwierigkeiten mit meinem Anbieter habe, melde ich es an die KV, die dann Kontakt aufnimmt.  

Wie stehen Sie zu der Kritik der KVen während und nach der ePA-Testphase? 
Wir testen jetzt seit einigen Wochen und haben eine Version, die funktioniert, aber wir können noch nicht von wirklicher Entlastung reden. Die vielen Kombinationen an Anbietern in den Praxen kann man nicht in einem Versuchsumfeld abbilden. Deswegen müssen wir uns vorantesten. Es kommt jetzt auf die Softwarehersteller an, sie müssen unsere Anregungen aufgreifen. Ich glaube nicht, dass wir Mitte des Jahres alle Praxen angebunden haben. Aber vielleicht sind wir in einem Jahr an dem Punkt, wo alles funktioniert.  

Sie sagen, die ePA sei eines der sichersten Systeme weltweit. Im Januar hat der Chaos Computer Club aber Einfallstore öffentlich gemacht.  
Der CCC hat Einfallstore öffentlich gemacht, aber ein wirklicher Datenabfluss ist meines Wissens nicht erfolgt. Sicherlich wird immer irgendjemand mit krimineller Energie auf die Daten zugreifen können. Aber es ist wohl einfacher, Ihre PIN und Ihre Sparkassenkarte zu bekommen und Geld zu klauen, als auf die ePA zuzugreifen. 
Und man vergisst dabei auch die andere Seite: Ohne verfügbare Gesundheitsdaten wird man schlechter behandelt. Wer Angst hat, dass seine Patientendaten nicht sicher genug sind, kann ja widersprechen.

Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die die ePA kritisch sehen.
Ich mag es nicht, wenn Menschen mit Parolen wie „Die Daten sind nicht sicher“ das System blockieren wollen. Was allerdings richtig ist: Man muss sich mit der Sache beschäftigen. Vielleicht haben manche dafür keine Lust oder keine Zeit. Doch irgendwann wird es auch bei der ePA so sein, dass es mit einem Klick klappt.

Quelle: Medical-Tribune-Interview