Fast 4% mehr Honorar „Faktische Nullrunde bei Arzteinkommen"
Das diesjährige Ergebnis des Bewertungsausschusses sei „ein Tiefschlag für die Ärzte- und Psychotherapeutenschaft“, meint Dr. Peter Heinz, Vorstandsvorsitzender der KV Rheinland-Pfalz. „Eine Reform der Berechnung des Orientierungswerts ist dringend erforderlich.“ Die Steigerung des Orientierungswert von 3,85 % reiche nicht aus, um die gestiegenen Praxisaufwendungen zu decken. Ähnlich äußert der Vorstand der KV Berlin: „Jetzt haben wir ein Ergebnis, das wir nicht haben wollten. Damit kann man die enormen Preiseanstiege, die die ambulanten Praxen stemmen müssen, keineswegs ausgleichen.“
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2022 erhöhten sich die durchschnittlichen Aufwendungen pro Arztpraxis im Vergleich zum Vorjahr um 11 %. Zwar stiegen auch die durchschnittlichen Einnahmen – aber weniger stark, sodass der Reinertrag je Praxis im Schnitt sank.
Virchowbund spricht von einem „Frühverrentungsprogramm für Praxisärzte“
Der Virchowbund wertet das Ergebnis der Finanzierungsverhandlungen als „faktische Nullrunde bei Arzteinkommen“. Der Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich klagt: „Anstatt die Generation der Baby-Boomer möglichst lange in den Praxen zu halten, führt dieses demotivierende Ergebnis zu einem Frühverrentungsprogramm für Praxisärzte.“ Positiv bewertet Dr. Heinrich „das Eingeständnis der Krankenkassen“, die Personalkostenentwicklung nun kontinuierlich abzubilden und die Arztleistungen stärker zu bewerten. „Auf dieser Grundlage müssen die Abschlüsse in den nächsten Jahren aber deutlich zulegen, um die bewährten ambulanten Strukturen nicht weiter zu destabilisieren. Nun liegt es an den regionalen Verhandlungspartnern in den Ländern, das Finanzergebnis auszubauen.“
Für den Orientierungswert 2025 wurden die Veränderungen der Kosten des Jahres 2023 gegenüber 2022 berücksichtigt. „Neu ab diesem Jahr ist, das bei den Personalkosten aktuelle Daten herangezogen werden dürfen“, erklärt die KBV. „So fließen die Tarifsteigerungen für Medizinische Fachangestellte für das Jahr 2024 in die Anpassung des Orientierungswertes für 2025 ein und nicht erst für 2026.“ Die KBV hatte 5,7 % mehr Honorar gefordert, die Krankenkassen waren mit dem Angebot von 1,6 % in die Verhandlungen gestartet. Ergänzend zur EBM-Punktwertanhebung um 3,85 % erhöht sich die morbiditätsbedingte Veränderungsrate um durchschnittlich um 0,14 % (+ 44 Mio. Euro). Auf dieser Basis verhandeln die KVen jetzt mit den Krankenkassen vor Ort, wie viel Geld diese 2025 für die ambulante Versorgung ihrer Versicherten in der Region bereitstellen.
Krankenkassen sehen Verhandlungsergebnis positiv
KBV-Chef Dr. Andreas Gassen gibt zu: „Das ist sicherlich kein Ergebnis zum Jubeln, auch kein Ergebnis, das Versäumnisse in den letzten Jahren gut machen kann.“ Dennoch wertet er den Abschluss als „Erfolg der Selbstverwaltung“. Die Vorstandsvize des GKV-Spitzenverbandes Stefanie Stoff-Ahnis unterstreicht: „Unter den gegebenen Rahmenbedingungen sind 1,7 Milliarden Euro zusätzlich eine beachtliche Summe aus den Portemonnaies der Beitragszahlenden. Damit unsere Versicherten ambulant gut versorgt werden, müssen aber auch Inflation und Fachkräftemangel in Arztpraxen finanziell ausgeglichen werden. Die diesjährigen Verhandlungsergebnisse zeigen, dass wir Selbstverwaltungspartner uns der gemeinsamen Verantwortung bewusst sind und gerade auch in schwierigen Lagen zusammenarbeiten und handlungsfähig bleiben.“ Auch Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, meint, die Verhandlungspartner hätten einen guten Ausgleich zwischen den Interessen der Beteiligten erreicht. „Wir begrüßen ausdrücklich die aktuelle Entscheidung des Bewertungsausschusses.“
Kritsch äußert sich der Vorstand KV Hessen: „Die Systematik dieser Finanzierungsverhandlungen, die eigentlich eher einer Festlegung gleichen, gibt keinen Spielraum für höhere Ergebnisse.“ „Lebenserhaltende Maßnahmen für viele unrentable und nicht versorgungsrelevante Kliniken“ müssten endlich eingestellt und die Krankenversicherungen von versicherungsfremden Leistungen befreit werden, „damit das Geld dorthin fließen kann, wo 90 % der Fälle in der Gesundheitsversorgung Tag für Tag betreut werden - die ambulante, wohnortnahe Versorgung.“
Medical-Tribune-Bericht