Arzneimanagement über Praxissoftware Geringere Mortalität bei abgestimmter Medikation
Eines der größten Probleme in der Langzeitbehandlung chronischer Erkrankungen ist die mangelnde Einnahme- bzw. Therapietreue der Patienten. An diesem Punkt setzte ARMIN vor knapp acht Jahren mit den Projektpartnern an – der AOK Plus, den KVen sowie den Apothekerverbänden Sachsen und Thüringen. In dem Modellprojekt erhielten Versicherte der AOK in Sachsen und Thüringen, die dauerhaft fünf oder mehr Medikamente einnehmen, eine intensive Betreuung durch eine gemeinsame Medikationsanalyse von Ärzten und Apothekern. Knapp 10.000 Versicherte nahmen an dem Projekt teil, das Medikationsmanagement übernahmen 330 der insgesamt 550 beteiligten Ärzte und 340 von 900 Apothekern.
Für das Projekt war auch eine externe Evaluation gesetzlich vorgeschrieben, die das Universitätsklinikum Heidelberg ab 2019 in Kooperation mit dem aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen vornahm. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Untersucht wurde, welche messbaren Auswirkungen das Modellvorhaben auf der Verordnungs- und Versorgungsebene hatte und welche Meinungen und Einschätzungen die Teilnehmenden mitbrachten. Die Datenanalyse basierte auf Sekundärdaten der AOK, die in der Routineversorgung erhoben wurden. Wegen des Studiendesigns könnten hieraus aber keine kausalen Schlüsse gezogen werden, berichtete Prof. Dr. Hanna Seidling, Leiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie am Universitätsklinikum Heidelberg, bei einer Pressekonferenz.
Kein Vorteil bei der Zahl der Krankenhauseinweisungen
Ein wesentliches Ergebnis ist: Die Patienten haben im Vergleich zur Kontrollgruppe ein um 16 % verringertes relatives Sterberisiko. Das Risiko für Krankenhauseinweisungen unterschied sich jedoch nicht. In den ersten zwei Jahren nach Projekteinschluss wurden die ARMIN-Patienten etwa genauso häufig – mindestens einmal in zwei Jahren – hospitalisiert wie die der Kontrollgruppe. Drei Viertel der befragten Patienten bewerteten die Überprüfung des Medikationsplans durch den Hausarzt bzw. Apotheker als positiv. Die ARMIN-Patienten nahmen zudem vermehrt Gesundheitsdienstleistungen in Hausarztpraxen und Apotheken in Anspruch.
Dr. Annette Rommel, Vorsitzende der KV Thüringen, hebt besonders die Wirkstoffverordnung hervor, die von den Ärzten und Apothekern statt der Verordnung von Fertigpräparaten genutzt wurde. Dies vereinfache die Medikamenteneinnahme für die Patienten, erhöhe deren Therapietreue und führe so zu Kosteneinsparungen, betonte sie. Von „Stolpersteinen“ sprach sie mit Blick auf die IT-Industrie und die Praxisverwaltungsprogramme, die nicht zu 100 % die Projektmodule umgesetzt hätten. Manch interessierter Arzt habe deshalb nicht an ARMIN teilnehmen können.
Die Partner fordern nun, das Modell in die Regelversorgung zu überführen. Dafür müsse der Bundesgesetzgeber einen Rechtsrahmen schaffen, der die Aufgaben von Ärzten und Apothekern bei Medikationsanalyse, -management und -plan klar regelt. Dr. Rommel hält „digitale Lösungen“ und „die Verpflichtung der Softwareindustrie, diese Module einzuführen“, für notwendig. Denn in dem Projekt erwies es sich als besonders umständlich, den Bundesmedikationsplan auf Papier, den eMedikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte und den serverbasierten Medikationsplan parallel bedienen zu müssen. Zudem müssten den Ärzten künftig die zusätzlichen Leistungen für die Kontrolle der Gesamtmedikation angemessen honoriert werden. Für die Apotheken ist die pharmazeutische Dienstleistung der Medikationsanalyse bereits geregelt.
Medical-Tribune-Bericht