Online-Bewertungsportale Gute Noten, schlechte Noten – was wirklich zählt

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anouschka Wasner

Das Bild, das Ärzt:innen im Netz vermitteln, wird mittlerweile stark von Plattformen wie Google oder Jameda geprägt. Das Bild, das Ärzt:innen im Netz vermitteln, wird mittlerweile stark von Plattformen wie Google oder Jameda geprägt. © Suriyawut – stock.adobe.com

Bewertungen im Internet interessieren Sie nicht? Sie haben ohnehin schon genug Patienten? Mag sein. Es gibt aber gute Gründe, warum Ihre Praxis Jameda, Google oder andere Plattformen aktiv bespielen sollte. 

In einer großen Praxis war während einer der Corona-Wellen fast die Hälfte der dort arbeitenden Personen gleichzeitig in Quarantäne. Natürlich geht in einer solchen Situation auch einmal was schief. Dinge werden vergessen, Wartezeiten verlängern sich, vielleicht ist auch der Stress in der Praxis spürbar. Patienten, die die Hintergründe nicht kennen, sind dann auch schon mal verärgert. Die Hausarztpraxis fing sich in dieser Zeit eine nachvollziehbare, aber stark negative Rezension auf einem der wichtigen Bewertungsportalen ein. In einer ersten Reaktion ärgerte sich die Praxischefin darüber sehr, nach kurzem Nachdenken beschloss sie die unangenehme Angelegenheit zu vergessen. Besser so?  

Wer heute eine neue Hausarztpraxis sucht, tut das – wo sonst – im Internet. Selbst wer über den Bekanntenkreis Empfehlungen erhält, gibt als erstes den Namen der potenziell neuen Praxis in der Suchmaschine ein, erklärt dazu der Praxisberater Wolfgang Apel. Wo man dann landet, ist zunächst die Homepage der Praxis. Aber nicht nur: Das Bild, das eine Ärztin, ein Arzt im Netz vermittelt, wird mittlerweile fast genauso stark von Plattformen wie Google oder Jameda geprägt, sagt Apel. Gibt es dort keine oder nur wenige Bewertungen der Praxis oder ist das Gesamtbild der Rezensionen zweifelhaft, hat das Folgen, von denen Sie schlimmstenfalls noch nicht einmal etwas wissen. Denn wegbleibende Patienten – und dazu gehören dann  insbesondere Privatpatienten mit höheren Ansprüchen – melden sich nun mal nicht bei Ihnen ab.  

Warum auch unqualifizierte Bewertungen wichtig sind 

Im Grunde sind die wenigsten Patienten in der Lage, die medizinische Qualität eines Arztes zu beurteilen. Das lässt sich auch aus den Bewertungen auf Google, Jameda und anderen Plattformen herauslesen. Was dort bewertet wird, sind Dinge wie:  

  • wie gut die Praxis telefonisch erreichbar ist, 
  • wie nett die Arzthelferinnen sind,  
  • ob es Parkplätze gibt,  
  • ob der Arzt freundlich war und 
  • wie viel Zeit sich die Ärztin für den Patienten genommen hat.  

Es geht also bei den Bewertungen selten um die medizinische Qualität der Versorgung. Deswegen sind Bewertungsplattformen auch bei vielen Ärzten unbeliebt – natürlich ist es nicht gerechtfertigt, nur einen Stern zu vergeben, weil man keinen Parkplatz vor der Praxistür gefunden hat. Das ändert aber leider nichts daran, dass diese Plattformen existieren und das Bild, das potentielle Patienten von der Praxis haben, beeinflussen. Denn auch wenn niemand zugeben würde, seine Entscheidung von einer subjektiven Bewertung abhängig zu machen – wer hat sich nicht schon auf Bewertungsplattformen umgeschaut, um die Meinung anderer Laien zu Elektrogeräten oder Apps zu lesen, von denen man nichts versteht? 

Einzeln betrachtet sind alle Bewertungen nur persönliche Meinungen. Doch aus der Summe der Einzelmeinungen entsteht ein Bild. Und ob dieses eher positiv oder eher negativ ist, beeinflusst die Kaufentscheidung.

Aber wer sind diese Patienten, die sich die Mühe machen, sich in einem solchen Portal einzuloggen, damit andere davon erfahren, dass ihnen die Einrichtung einer Arztpraxis nicht gefällt? In der Regel sind es vor allem zwei Patientengruppen, die sich aktiv auf den Plattformen einbringen: Die eine Gruppe gehört zu den leicht Erregbaren, die sich z.B. darüber ärgern, dass der Aufzug ausgefallen war oder dass sie am Telefon nicht durchgekommen sind. Die andere Gruppe dagegen ist von der Praxis einfach begeistert, z.B. weil eine Mitarbeiterin besonders nett war (oder immer ist) oder die Ärztin sich so viel Zeit genommen hat (oder immer nimmt). Die einen wollen ihren Ärger loswerden, die anderen ihre Begeisterung teilen.  

Und darin liegt Ihre Chance. Denn die meisten Patienten Ihrer Praxis sind wahrscheinlich zufrieden. Sie denken aber nicht darüber nach. An diesem Punkt können Sie den Hebel ansetzen: Sie müssen diese zufriedenen Patienten wissen lassen, dass Sie sich freuen würden, wenn sie Ihre Praxis bewerten. Ein gewisser Prozentsatz kommt dieser Bitte erfahrungsgemäß auch gerne nach.   

Und wie stellen Sie das geschickt an? Zum Beispiel mit einer netten Karte, die an der Rezeption ausliegt, schlägt der Praxisberater vor. Oder über das Praxisfernsehen, das es in immer mehr Wartezonen der Arztpraxen gibt. Haben Sie als Praxis die Erlaubnis der Patienten, sie über eine E-Mail anzuschreiben, können Sie auch nach dem Praxisbesuch eine Nachricht schicken und um eine Bewertung bitten. 

Bei der Formulierung der Aufforderung sollten Sie darauf hinweisen, dass der Patient mit seiner Rezension anderen Patienten auf der Suche nach der richtigen Praxis einen Gefallen tut. Schließlich gibt er mit seiner Beobachtung eine wertvolle Orientierungshilfe. Es geht also nicht nur um den Vorteil als Praxis – und das ist ja tatsächlich so.  

Warum Praxischefs aktiv nach Bewertungen fragen sollten

Wenn Praxisinhaber anfangen, aktiv Rezensionen zu sammeln, bewirken sie damit zwei Dinge, sagt Apel.  

1.Eine höhere Anzahl Rezensionen macht glaubwürdig: Manche Praxen haben bei Google 5 von 5 Sternen oder bei Jameda die Durchschnittsnote 1,0. Doch wie viel ist das wert, wenn diese Zahlen nur auf neun oder zehn Bewertungen basieren? Erfahrungsgemäß werden erst Bewertungsmengen von etwa 50 und höher von den Lesenden ernst genommen.  
Bei dieser Größenordnung gibt es dann auch in der Regel keine Durchschnittsnoten von 1,0 mehr. Klar, es wäre mehr als außergewöhnlich, wenn über diese große Menge hinweg alle Patienten die Praxis mit der Bestnote bewerten. Das ist auch in Ordnung so: Denn ein Schnitt von 1,2 bzw. 4,8 von 5 Sternen ist immer noch exzellent – aber deutlich glaubwürdiger, unterstreicht Apel. 

Wer will schon in eine schlechte Praxis wechseln?

Neben den Patienten verlieren Praxen mit schlechten Bewertungen möglicherweise noch eine andere wichtige Gruppe, die sich solche Portale ganz genau anschaut: potenzielle Bewerberinnen und Bewerber für offene MFA- oder auch ärztliche Stellen. Diese sind mittlerweile mindestens genauso wichtig für eine Praxis wie Patienten! Denn Mitarbeitende, wie sie sich ein Praxisinhaber wünscht – also solche, die engagiert sind, sich für ihren Beruf interessieren und einen wirklich guten Job machen – haben in der Regel eine feste Anstellung. Wenn solche Kräfte einen Arbeitsplatzwechsel anstreben, werden sie nicht in eine Praxis wechseln, die möglicherweise schlechter ist als ihr aktueller Arbeitgeber. Wenn sie wechseln, dann wollen sie in eine „tolle Praxis“ wechseln. Und ob eine Praxis toll ist oder nicht – das lässt sich auch aus den Bewertungen herauslesen.

2.Schlechte Rezensionen verlieren an Bedeutung: Es wird immer auch mal negative Bewertungen gebe, ob diese gerechtfertigt sind oder nicht. Doch je mehr positive Patientenstimmen über Ihre Praxis zu lesen sind,  desto mehr verlieren die kritischen an Bedeutung.  

Warum Sie auf negative Bewertungen reagieren sollen

Egal, ob die Bewertungen positiv oder negativ sind: Versuchen Sie, auf so viele Patientenstimmen wie möglich zu reagieren. Dabei sind zwei Dinge wichtig: Nie aus der Wut über eine ungerechtfertigte Bewertung heraus kommentieren – und den Kommentar nie für denjenigen verfassen, der die negative Bewertung hinterlassen hat. Denken Sie stattdessen immer an all die anderen Leserinnen und Leser, betont der Praxisberater. Denn einen sauren Patienten wieder einzufangen, ist eine Aufgabe – ein erfolgversprechenderer und wichtigerer Job ist es, Einfluss darauf zu nehmen, was die vielen denken, die den Eintrag des wütenden Patienten gelesen haben. 

Aber wie erreichen Sie diese vielen? In der Regel hilft die Flucht nach vorne: Ehrlichkeit, die Erklärung der Hintergründe und die Bitte um Verständnis werden von den meisten Menschen gewürdigt.

Auch jene Hausarztpaxis, die während Corona so gebeutelt wurde und unfreiwillig ihren Patienten verärgert hat, hat sich letztlich entschieden, auf die Kritik zu reagieren, erzählt Apel. Der Patient habe recht, schrieb die Praxisinhaberin. Er habe nicht wissen können, dass die Praxiscrew dermaßen geschmälert war, dass es eigentlich ein Wunder war, dass der Laden überhaupt am Laufen gehalten wurde. Generell könne es immer wieder zu Ausnahmesituationen kommen, das ließe sich nicht ausschließen – trotzdem habe man aus der Erfahrung gelernt und hoffe in vergleichbaren Situationen die Krise etwas besser managen zu können. 

Ob dieser offene Umgang die Meinung des Patienten geändert hat, wissen wir nicht. Entscheidend ist, was andere, potenzielle Patienten oder Bewerber, dazu denken. Der Tipp von Praxisberater Apel ist deswegen: Bewertungsportale sollten Chefsache sein. Dass es Bewertungen gibt, lässt sich nicht verhindern – aber dass sie negative Auswirkungen auf die Praxis haben, darauf kann  die Praxis Einfluss nehmen. 

Medical-Tribune-Bericht