Joints vernebeln das Hirn noch Jahre später

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Vor allem bipolare Störungen und Psychosen treten durch Cannabis gehäuft auf.
Vor allem bipolare Störungen und Psychosen treten durch Cannabis gehäuft auf. © fotolia/alco81,thinkstock

Noch immer glauben manche Menschen, dass Kiffen harmlos sei. Doch oft entstehen mentale und psychische Folgeschäden. Insbesondere, wenn Pubertierende zur Droge greifen.

Bekanntermaßen besitzt Cannabis psychotrope Effekte, vor allem Tetrahydrocannabinol (THC) löst sie aus. Die verschiedenen Formen von Haschisch (Harz der Blütenstände) und Marihuana (getrocknete Blüten und Blätter) weisen einen sehr unterschiedlichen THC-Gehalt auf. In den letzten Jahren hat er jedoch grundsätzlich zugenommen.

Aktueller Trend: Mehr THC, weniger Cannabidiol

Gleichzeitig enthalten die Produkte heute weniger Cannabidiol (CBD), das durch seine anxiolytischen, anti­psychotischen und neuroprotektiven Effekte den ungünstigen psychischen Wirkungen von THC entgegensteuern könnte. Damit steigen gesundheitliche Risiken, schreiben Prof. Dr. Ulrich W. Preuss von der Psychiatrischen Klinik Vitos Herborn und Dr. Eva Hoch von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie des Klinikums der Universität München.

Die Autoren warnen zusätzlich vor synthetischen Cannabinoiden („legal highs“), die auf dem Markt kursieren und teilweise bisher nicht verboten sind. Nach Daten des nationalen epidemiologischen Suchtsurveys haben im vergangenen Jahr ca. 6 % der Erwachsenen in Deutschland gekifft. Von den 18- bis 20-Jährigen sogar 20,5 %. Grundsätzlich werden durchschnittlich 9 % abhängig. Wenn der Konsum bereits in der Adoleszenz beginnt, sogar doppelt so viele. Bei Personen, die täglich zum Joint greifen, steigt die Abhängigkeitsrate auf 25–50 %. Damit liegt das Suchtpotenzial von Cannabis zwar niedriger als bei Nikotin und Alkohol. Aber die Konsequenzen sind beträchtlich, vor allem die psychischen und mentalen.

Bei regelmäßigem Gebrauch scheinen vor allem exekutive kognitive Leistungen zu leiden, aber auch abstraktes Denken, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit. Diese Auswirkungen verschwinden durch Abstinenz teilweise. Aber vor allem bei einer frühen Drogenkarriere bleiben die kognitiven Defizite nicht selten bestehen. Sie betreffen psychomotorische Geschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Planungsfähigkeit.

Somatische Konsequenzen

Regelmäßiger Cannabisgenuss kann somatische Veränderungen nach sich ziehen. Dazu gehören: 
  • Stomatitis und Konjunktivitis als Folge der vasokonstriktiven Wirkung der Cannabinoide 
  • bestehende Steatosis hepatis verschlechtert sich, evtl. durch steatogene und fibrosefördernde Effekte
  • chronische Bronchitis durch toxische Reizung
  • nasopharyngeale Tumoren
  • Ejakulationsprobleme, Impotenz
  • Störungen von Menstruation, Nidation und Embryonalentwicklung 
  • Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern von Müttern mit Cannabis-Exposition in der Schwangerschaft

Acht IQ-Punkte verpuffen bei häufigem Genuss

Häufiger Genuss von Cannabis im Jugendalter senkt außerdem laut einer neuseeländischen Geburtskohorte die Intelligenz. So besaßen 38-Jährige, die früher regelmäßig die Droge konsumiert hatten, einen um 8 Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten im Vergleich zu Kontrollen. Ein Start im Erwachsenenalter zeigte hingegen keine Wirkung. Menschen, die einmal abhängig waren, entwickeln zu 50–90 % im Verlauf ihres Lebens eine weitere psychische Erkrankung oder eine Substanzabhängigkeit. Insbesondere bipolare Störungen treten gehäuft auf. Das Risiko einer Depression oder Angststörung erhöht sich nur gering, während sich die Wahrscheinlichkeit einer Psychose bei regelmäßigem Drogenmissbrauch verdoppelt. Außerdem treten Psychosen schon ein paar Jahre früher auf, wenn der Gebrauch von Cannabis am Anfang der Adoleszenz beginnt. Zu organischen Folgen kommt es hingegen selten. Am ehesten kommt es zu einem Anstieg des kardiovaskulären Risikos durch Tachykardien, kardiale Ischämien und Anstieg des Blutdrucks.

So diagnostizieren Sie eine Cannabisabhängigkeit

Hat der Patient innerhalb des letzten Jahres mind. drei der Kriterin erfüllt, ist er süchtig (ICD-10):
  • er kann den Drogengenuss (z.B. Beginn und Menge) schlecht kontrollieren 
  • konsumiert der Patient weniger, entwickelt er körperliche Entzugssym-ptome
  • er braucht immer mehr (Toleranzsyndrom)
  • die Droge bestimmt den Alltag, andere Aspekte rücken in den Hintergrund 
  • obwohl der Patient weiß, dass er sich schadet, kifft er weiter

Quelle: Preuss UW, Hoch E. DNP 2017; 18: 44-49