TI-Pauschale Krankenkassen ziehen Gewinn aus der Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums

Praxismanagement , Praxis-IT Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Nach der BMG-Vorgabe müssen die Vertragsärztinnen und -ärzte die TI-Pauschalen zunächst gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit einem geeigneten Nachweis geltend machen. Nach der BMG-Vorgabe müssen die Vertragsärztinnen und -ärzte die TI-Pauschalen zunächst gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit einem geeigneten Nachweis geltend machen. © Henrik Dolle – stock.adobe.com

Weil sich die KBV und der GKV-Spitzenverband wieder einmal nicht einigen konnten, hat das Bundesgesundheitsministerium über die neue TI-Pauschale entschieden. Das Ergebnis stellt das Prinzip der Kostenerstattung auf den Kopf.

Am 27. Juni 2023 hat das BMG gegen Postzustellungsurkunde die KBV über seine Entscheidung zur Finanzierung der TI-Pauschalen für die vertragsärztlichen Praxen informiert. Diese Ersatzvornahme ist bereits am 1. Juli 2023 in Kraft getreten. Die Verlierer in diesem Spiel werden die Vertragsärztinnen und -ärzte sein, die frühestens ab dem 20. Dezember 2023 ihr Geld für die geforderten Investitionen unverzinst und in einem monatlichen Abschlagsverfahren über einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten.

Nach der BMG-Vorgabe müssen die Vertragsärztinnen und -ärzte die TI-Pauschalen zunächst gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mit einem geeigneten Nachweis geltend machen. Die KV prüft einmalig die Berechtigung der Praxis und der Einrichtungen, wobei mögliche Veränderungen der Praxisform und -größe berücksichtigt werden sollen. 

Die auf dieser Grundlage folgende Abrechnung der monatlichen TI-Pauschalen durch die KVen gegenüber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erfolgt quartalsweise in Form von Sammelabrechnungen, jeweils bis zum 20. des auf das Abrechnungsquartal folgenden Monates, erstmalig also zum 20. Oktober 2023 für das dritte Quartal 2023. Die KV muss die Ansprüche der Vertragsarztpraxen dem GKV-Spitzenverband in einer der vier folgenden Quartalsabrechnungen in Rechnung stellen. Der GKV-Spitzenverband soll dann die Zahlung des genannten Gesamtbetrages unverzüglich nach vollständigem Eingang der von den Kassen erhobenen Umlagen, spätestens bis zum 20. des dritten auf das Abrechnungsquartal folgenden Monats leisten. Das ist der 20. Dezember 2023. Und generell gilt: Arztpraxen müssen ihren Anspruch innerhalb eines Jahres nach Anschluss an die TI bzw. erstmaliger Nutzung der geforderten Anwendungen, Komponenten und Dienste der TI gegenüber ihrer KV geltend machen. 

Und es gibt noch ein paar Feinheiten zu beachten: Ansprüche gegenüber der KV auf vorzeitige Auszahlung vor Zahlungseingang seitens des GKV-Spitzenverbandes können nicht geltend gemacht werden. Auch Ansprüche, die mehr als ein Jahr zurückliegen, werden nicht mehr bezahlt. Diese Frist beginnt mit Erbringung des Nachweises über den Anschluss an die TI gegenüber der zuständigen KV. Und im Rahmen des Abrechnungsverfahrens darf der GKV-Spitzenverband eine Prüfung der von den Vertragsärztinnen und -ärzten abgerechneten Pauschalen auf Basis von Stichproben vornehmen und ggf. Rückforderungen geltend machen oder Zahlungen verweigern.

TI-Pauschalen, die ab dem 1. Juli 2023 in monatlichen Abständen gezahlt werden

Praxisgröße nach Anzahl der Ärzte

≤ 3

> 3 bis ≤ 6

> 6

Erstausstattung gesamt

6.366,50

8.369,00

10.371,50

Betriebskosten gesamt

7.900,00

8.597,50

9.062,50

Monatliche TI-Pauschale

237,78

282,78

323,90

TI-Pauschale bei fehlender Anwendung

118,89

141,39

161,95

TI-Pauschale bei bereits erfolgter Anbindung

131,67

143,29

151,04

TI-Pauschale bei bereits erfolgter Anbindung und fehlender Anwendung

65,84

71,65

75,52

Konnektortausch-Pauschale gesamt

2.300,00

2.300,00

2.300,00

gSMC-KT-Pauschale

0,00

100,00

200,00

TI-Pauschale bei bereits erfolgtem Konnektortausch

199,45

242,78

282,23

TI-Pauschale bei bereits erfolgtem Konnektortausch, aber fehlender Anwendung

99,73

121,39

141,12

Quelle: BMG

Wer früh reagiert hat, ist (etwas) besser dran

Eine Vertragsarztpraxis, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 30. Juni 2023 erstmals an die TI angebunden worden ist und bereits eine Erstattung der Erstausstattungskosten erhalten hat oder bis zum 31. Dezember 2023 erhalten wird, bekommt über dreißig Monate nach der Erstausstattung eine um die Kosten der Erstausstattung reduzierte TI-Pauschale. Ebenso wird eine Praxis behandelt, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 30. Juni 2023 aufgrund ablaufender Sicherheitszertifikate bei den Konnektoren (gSMC-K) einen Konnektortausch vorgenommen und eine Erstattung der Kosten dafür erhalten hat oder bis zum 31. Dezember 2023 erhalten wird. Eine bei einigen Anbietern mögliche Laufzeitverlängerung gilt dabei nicht als Konnektortausch.

Bei den Kosten für eine Erstausstattung geht das BMG von einer Summe von 6.366,50 Euro zzgl. einer Pauschale für die Betriebskosten von 7.900 Euro und damit 14.266,50 Euro aus, die geteilt durch 60 (12 Monate für fünf Jahre) eine monatliche TI-Pauschale von 237,78 Euro ergibt, wenn die Praxis über drei oder weniger Ärztinnen/Ärzte verfügt. 

Bei größeren Arztzahlen in der Praxis erhöht sich der Betrag entsprechend. Die TI-Pauschale umfasst auch die Kosten der mobilen Kartenterminals und des Telematikinfrastruktur-Messengers. 

Fehlen Anwendungen der TI, reduziert sich die Summe um die Hälfte auf 118,89 Euro. Ist die Praxis im Hinblick auf den o.g. Stichtag bereits angebunden, werden über die Laufzeit 131,67 Euro gezahlt, fehlen geforderte Anwendungen, reduziert sich die Summe auf 65,84 Euro. Bei bereits erfolgtem Konnektortausch erhält die Praxis in der oben genannten personellen Größenordnung 199,45 Euro, bei fehlenden Anwendungen 99,73 Euro. Erst ab dem auf die Erbringung des erforderlichen Nachweises folgenden Monat erhält die betreffende Vertragsarztpraxis wieder die volle TI-Pauschale. Wird ein solcher Nachweis nicht fristgerecht erbracht, wird die Pauschale nicht rückwirkend gezahlt. Und bei zwei fehlenden Anwendungen oder mehr wird gar keine TI-Pauschale gezahlt.

Kommen neue, gesetzlich erforderliche Anwendungen, Komponenten und Dienste hinzu, muss die Anschaffung gegenüber der zuständigen KV innerhalb von drei Monaten belegt werden. Die Anpassung der Höhe der monatlichen TI-Pauschalen erfolgt jährlich zum 1. Januar nach Maßgabe der Veränderung des Orientierungspunktwertes (OPW).

Das braucht die Praxis für die volle Pauschale

Diese TI-Anwendungen bzw. -Komponenten muss eine Praxis vorhalten, um die volle Förderpauschale zu erhalten:

  • Notfalldatenmanagement (NFDM)/elektronischer Medikationsplan (eMP)

  • Elektronische Patientenakte (ePA)

  • Kommunikation im Medizinwesen (KIM)

  • Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

  • Elektronischer Arztbrief (eArztbrief)

  • Ab dem 1. Januar 2024: elektronische Verordnungen

  • Konnektor inkl. gSMC-K und VPN-Zugangsdienst, ggf. in Rechenzentrum gehostet, sofern dort zugelassene Komponenten und Dienste zum Einsatz kommen, oder TI-Gateway in Verbindung mit Nutzung eines Rechenzentrum-Konnektors

  • eHealth-Kartenterminal(s) inkl. gSMC-KT

  • HBA-Smartcard oder eID für Ärzte mit Gematik-Zulassung

  • SMC-B-Smartcard oder SM-B oder eID für Vertragsarztpraxen mit gematik-Zulassung

Fazit: Die Blockade einer Entscheidung auf dem Verhandlungsweg hat sich für die Kassen gelohnt. Sie sind der große Gewinner dieser Ersatzvornahme, während Vertragsärztinnen und -ärzte klar auf der Verliererseite stehen. Sie müssen über einen Zeitraum von fünf Jahren den Kassen einen unfreiwilligen zinslosen Kredit geben und werden auch noch mit einer willkürlich gewählten Pauschalenkürzung bestraft, wenn sie nicht alle vorgeschriebenen TI-Komponenten anschaffen. 

Bisherige Kostenerstattung habe sich „nicht bewährt“

Das BMG begründet die Maßnahme damit, dass die bislang praktizierte Finanzierung der Kosten der Arztpraxen für den Anschluss an die TI und den Betrieb der TI sich nicht bewährt hätte. Trotz hoher Kosten für die Krankenkassen wäre oftmals die notwendige Servicequalität und Innovationsfreude vermisst worden, sodass sich Marktmechanismen und in der Folge Marktpreise nicht hinreichend entfalten konnten. Diese Argumentation zeigt, dass der Bundesgesundheitsminister, obgleich selbst Arzt, kein Freund der Ärzte ist.

Medical-Tribune-Bericht