Hitzeschutz Patienten und Beschäftigte rechtzeitig vor gesundheitsschädlichen Folgen schützen
„Hitze und Flut haben dieselbe Ursache: den Klimawandel“, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach am Hitzeaktionstag mit Blick auf das Hochwasser in weiten Teilen Süddeutschlands. Auf die unterschätzte Gefahr durch Hitze und den Hitzeschutz als Gemeinschaftsaufgabe machte ein breites Bündnis aus Verbänden und Initiativen am 5. Juni aufmerksam.
Nach Angaben des RKI gab es im Sommer 2023 rund 3.200 Hitzetote in Deutschland. Etwa 2.700 von ihnen, also knapp 85 %, waren über 74 Jahre alt.
Hitzebedingte Beschwerden lassen sich durch angepasstes Verhalten aber vermeiden bzw. verringern. Besonders Risikogruppen wie ältere und chronisch kranke Menschen, Säuglinge und Kleinkinder sowie Schwangere sollten daher aktiv über die Gefahren von Hitze und vorbeugende Maßnahmen informiert werden. Auch für Menschen, die im Freien körperlich schwer arbeiten, intensiv Sport treiben oder bestimmte Medikamente nehmen, kann Hitze besonders gefährlich werden.
Den ersten bundesweiten „Hitzeschutzplan für Gesundheit“ hat das BMG im letzten Sommer aufgelegt, dazu eine „Roadmap für den Sommer 2024“. Wie gut Deutschland auf Hitzeperioden in den diesjährigen Sommermonaten vorbereitet ist, hat Prof. Lauterbach bei der jüngsten Hitzeschutzkonferenz im Mai erörtert und Empfehlungen für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Kommunen vorgelegt.
Der Qualitätsausschuss Pflege hat im März die „Bundeseinheitliche Empfehlung zum Einsatz von Hitzeschutzplänen in Pflegeeinrichtungen und -diensten“ beschlossen. Neben den Pflegeeinrichtungen sollen auch die Krankenhäuser bei der Planung und Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen künftig besser durch Musterhitzeschutzpläne unterstützt werden. Erstmals wurden auch Handlungsempfehlungen zur Erreichbarkeit vulnerabler Gruppen zum Hitzeschutz entwickelt.
Wenn’s heiß wird, ab in kühlere Räume!
Hitzeschutzpläne in Krankenhäusern gibt es inzwischen für alle Länder. Eine unfallchirurgische Station des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB) ist allerdings deutschlandweit die erste, die ein eigenes Hitzeschutzprojekt umsetzt, das später im ganzen Haus ausgerollt werden soll. Der Plan entstand auf Initiative des Klimateams im Unfallkrankenhaus.
Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat Ulrike Krol, Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie stellvertretende Klimamanagerin am UKB vor zwei Jahren damit begonnen, einen Hitzeaktionsplan für die Station der Unfallchirurgie zu erstellen, auf der sie selbst arbeitet. Der Plan, den Führungskräfte und Krankenhausleitung unterstützen, ist inzwischen als Modellprojekt für das gesamte UKB gestartet.
Angefertigt wurde eine Heatmap, deren Basis ein farblich markierter Grundriss der Station ist. Heizt sich zum Beispiel ein Raum besonders schnell auf, können Patienten mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in kühlere Teile der Station verlegt werden. Damit schütze man auch die Beschäftigten, da sie so ebenfalls „mehr in den kühleren Teilen der Station“ arbeiteten, erklärte Krol.
Weitere Maßnahmen an heißen Tagen sind u.a. ein Lüftungskonzept, die frühzeitige Aktivierung von Beschattungsanlagen im Außenbereich und die Bereitstellung von zusätzlichem Trinkwasser.
Nationalen Hitzeschutzplan dezentral umsetzen
„Ich bin froh, dass die Bundesärztekammer dieses Thema schon vor einigen Jahren so intensiv aufgenommen hat“, betonte Prof. Lauterbach. Sein Lob ging auch an den Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV), die Kassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft.
„Es ist unsere Pflicht als Ärztinnen und Ärzte, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels darzulegen und Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu unterstützen“, sagte Dr. Klaus Reinhard, Präsident der Bundesärztekammer. Hitzebedingte Erkrankungen und Todesfälle müssten vermieden und das Gesundheitssystem vor Überlastung bewahrt werden. Er hofft zudem, dass der nationale Hitzeschutzplan „in breiten Teilen Deutschlands auch dezentral umgesetzt“ werde.
Am stärksten unter der Hitze litten bekanntlich die vulnerablen Gruppen, „die sich meist nicht selbst schützen könnten und auf eine vorausschauende Politik angewiesen“ seien, so Claudia Mandrysch, Vorständin beim AWO Bundesverband. Fehlende Maßnahmen beim Hitzeschutz bedrohten nicht nur die Bewohner von Pflegeeinrichtungen, sondern auch die Beschäftigten, die ohnehin einen körperlich und psychisch belastenden Arbeitsalltag erlebten. „Hitzeschutz ist Pflicht und keine Kür. Wir fordern einen Rahmen, der das Hin und Her der Kostenträger von Bund und Ländern beendet“, sagte sie.
„Die Folgen des Klimawandels, vor allem für ältere und chronisch erkrankte Patienten, werden in unseren Praxen sowie bei Haus- und Heimbesuchen auf immer drastischere Weise spürbar“, betonte die HÄV-Bundesvorsitzende Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth. Die Hausärzte gelten als erste Ansprechpartner. Patienten, die mit Hitzekollaps oder Sonnenstich in die Praxen kämen, seien auch nicht mehr nur als Ausnahmen abzutun, sondern zunehmend häufiger zu beobachten.
Wartezimmer-Poster und Checklisten
Wie können sich Ärzte und ihr Personal samt Räumlichkeiten und Arbeitsabläufen auf Hitzewellen vorbereiten? Welche vorbeugenden Maßnahmen sind konkret nötig? Wie lassen sich Patienten im Sommer schützen? Diese Punkte sollten Einrichtungen in einem Hitzeschutzplan festhalten, empfiehlt die KBV. Sie hat Initiativen und Maßnahmen zum Klimaschutz von und für Praxen auf ihrer Website zusammengestellt. Eine praktische Checkliste hilft bei der Umsetzung ihres Hitzeschutzplans.
Ein Hitze-Manual inklusive Checklisten für den Praxisalltag sowie originelle Wartezimmer-Poster zum Thema Hitze hält der Hausärztinnen- und Hausärzteverband bereit. Die Poster zum Hitzeschutz im DIN-A2-Format können Sie sich kostenfrei in die Praxis schicken lassen oder im DIN-A4-Format selbst ausdrucken.
Hitzemanual mit Hinweisen für Patienten und die Praxis
Hausärzte hielten auch Besonderheiten von Hitzephasen fest, zum Beispiel bei der Medikation. „Es ist unerlässlich, auch die Auswirkungen von Medikamenten, Temperaturregulation und Wasserhaushalt zu kennen und mit den Patienten gemeinsam praktikable Lösungen zu finden, wie Routinen im Alltag. Das koordinieren wir gemeinsam mit anderen Gesundheitsakteuren wie Pflegeheimen“, führte sie an.
Für Praxen hat ihr Verband ein Hitzemanual entwickelt mit mehreren Checklisten zu hitzegefährdeten Patienten, aber auch zur Anpassung von Praxisabläufen. Ihr Tipp für heiße Tage: „Bei 40 Grad muss man nicht unbedingt eine Präsenzsprechstunde abhalten“ und könne stattdessen eine Videosprechstunde anbieten.
Klimaresiliente Versorgung in der HzV: Wann flächendeckend zuschlagsfähig?
Den Honorarzuschlag klimaresiliente Versorgung im Hausarztprogramm der AOK Baden-Württemberg gibt es seit Oktober 2023. Damit ist die Aufgabe verbunden, die Patienten über den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Gesundheit zu informieren sowie sie zu Klima- und Gesundheitsschutz zu motivieren. Vor allem chronisch kranke Menschen mit erhöhter Klimavulnerabilität stehen dabei im Fokus.
Voraussetzung für den Zuschlag ist die Teilnahme des Hausarztes und eines Mitglieds des Praxisteams (mind. 19 Stunden Wochenarbeitszeit) an einer mindestens 90-minütigen Fortbildung mit dem Schwerpunkt „Klima und Gesundheit“. Die erlangte Schulungsqualifikation muss danach an die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft gemeldet werden. Für die Qualifikation gibt es 8 Euro pro Kalenderjahr auf die Chronikerpauschale P3.
Seit Januar ist die klimaresiliente Versorgung auch im HZV-Vertrag mit der GWQ enthalten. Der HÄV fordert eine flächendeckende Finanzierung.
Da Hausärzte heute einen „kaum zu bewältigenden Versorgungsdruck“ stemmen müssten, seien Hitzeperioden herausfordernd. In den Hausarztverträgen wurde deshalb eine Stärkung der hitzeresilienten Beratung mit der AOK Baden-Württemberg und den Betriebskrankenkassen vereinbart. Der Finanzierung der „klimasensiblen Beratung“ müsse nun „flächendeckend gefolgt werden“, forderte sie.
Der Hitzeaktionstag fand 2024 zum zweiten Mal statt. Initiatoren sind Bundesärztekammer, AWO-Bundesverband, Hausärztinnen- und Hausärzteverband, GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Deutscher Pflegerat und die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit. Unterstützt wird die Initiative von zahlreichen Verbänden und Institutionen des Gesundheitswesens, z.B. der KBV.
Quelle: Pressekonferenz der Bundesärztekammer