Coronaverordnungen Praxen am Rand des organisatorischen Kollapses

Praxismanagement Autor: Michael Reischmann

Bei geimpften oder genesenen Praxismitarbeitenden reichen zwei Antigentests pro Woche. Bei geimpften oder genesenen Praxismitarbeitenden reichen zwei Antigentests pro Woche. © iStock/stefanamer

Schon nachgeguckt, welche Bedingungen heute für Praxiszutritt, Verordnungen oder Impfen gelten? Es ist nicht leicht, in der Pandemie den Überblick zu behalten.

Was mit dem Infektionsschutzgesetz am 24. November in Kraft trat, räumten die Ländergesundheitsminister am 25.11. gleich wieder ab. Eine tägliche Testpflicht für geimpftes und genesenes Praxispersonal „schießt über das Ziel hinaus“, gibt Clemens Hoch, Minister in Rheinland-Pfalz, zu. Also forderten die Länder den Bund auf, das Infektionsschutzgesetz so anzupassen, dass für Arbeitgeber und Beschäftigte, die geimpft oder genesen sind, Tes­tungen auch mit Antigenschnelltests ohne Überwachung erfolgen können. Dies müsse bis auf Weiteres zweimal pro Kalenderwoche erfolgen. 

Zur Frage der „Besucher“ stellt Hoch klar: Sorgeberechtigte, die minderjährige Kinder zur Behandlung begleiten, sind von der Testpflicht ausgenommen. Gleiches gelte z.B. für Rettungsdienste und Postzusteller. In Nord­rhein-Westfalen hatten die Berufsverbände der Kinder- und Jugendärzte mit Praxisschließungen gedroht: „Wenn Eltern nur noch getestet in die Praxis dürfen – das sind täglich über 100 Personen – bedeutet das, dass für Behandlung und Versorgung der Kinder keine Zeit mehr bleibt.“

In Praxen, Apotheken, Testzentren und im Einzelhandel hat die Nachfrage nach Tests vehement angezogen. „Bei uns im Labor stehen die Telefone nicht mehr still, berichtet Dr. Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte. „Kritische, zum Teil erboste Nachfragen aus medizinischen Einrichtungen haben massiv zugenommen.“ Als Alternative zu pauschalen Tests schlägt er eine Orientierung am Antikörpertiter vor. Dazu müsste das RKI Grenzwerte für einen sicheren Impfschutz festgelegen. Geimpfte oder nachweislich Genesene mit einem Antikörperwert oberhalb dieses Grenzwertes sollten zwei Monate als getestet gelten, solange sie keine Symptome aufweisen. 

Vereinbarte Impf­termine mussten abgesagt werden

„Die hausärztlichen Praxen und alle anderen Beteiligten der Impfkampagne werden von Großhandel und Politik an den Rand des organisatorischen Kollapses getrieben“, ärgert sich der Deutsche Haus­ärzteverband über die Friktionen bei den Vakzinen von BioNTech und Moderna. Erst werde völlig unabgestimmt die Bevölkerung zum sofortigen Impfen und Boostern aufgerufen, die Praxen würden überrannt, und dann gehe nach kürzester Zeit der Impfstoff aus. Mehrere Länder meldeten Probleme beim Impfnachschub. Die KV Sachsen beklagt, Ärzte würden teilweise nur die Hälfte des bestellten Impfstoffes erhalten. Vereinbarte Impf­termine müssten abgesagt werden.

Das Bundesgesundheitsministerium erwidert, dass in dieser Woche knapp elf Millionen bestellte Dosen an Praxen und Impfzentren auf dem Lieferzettel standen. In der Woche davor seien bereits über sieben Millionen Booster-Dosen verteilt worden. 

Auf die meisten Corona-Sonderregelungen des G-BA hatte das Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite am 25.11. übrigens keine Auswirkung. Eine aktuelle Übersicht gibt der G-BA auf seiner Homepage. Mittlerweile können auch Patienten per Video­sprechstunde krankgeschrieben werden, die dem Vertragsarzt unbekannt sind – allerdings nur für bis zu drei Kalendertage (bei dem Arzt bekannten Versicherten: bis zu sieben Tage).

Medical-Tribune-Bericht