Reanimation Unterricht in der Schule gefordert

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Angela Monecke

Wiederbelebungsunterricht kann Leben retten. Wiederbelebungsunterricht kann Leben retten. © Pixel-Shot – stock.adobe.com

„Prüfen, rufen, drücken“, lautet die Formel für die Laienreanimation, die sich auch in der Schulstunde vermitteln lässt. Während es für den „Wiederbelebungsunterricht“ hierzulande nur vereinzelte Initiativen gibt, ist er in Dänemark gesetzlich vorgeschrieben, hat dort die Überlebensrate verdreifacht. Deutsche Notfallmediziner fordern bundesweit verpflichtende Maßnahmen für Schüler ab der 7. Klasse.

Knapp 70.000 Menschen sterben jährlich an einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Deren Überlebenschancen lägen deutlich höher, würden mehr Personen in nächster Nähe sofort eine Wiederbelebungsmaßnahme starten. Mindestens 10.000 Menschen könnten den plötzlichen Herztod überleben, „wenn jeder Bürger wüsste, wie man einen anderen Menschen wiederbelebt“, schreibt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in einem Offenen Brief an die Kultusminister der Länder. Darin fordert sie zwei Schulstunden Wiederbelebungsunterricht für jedes Kind ab der 7. Klasse und in allen Schulen.

Wissenslücken bei der Reanimation

Neun Minuten dauert es im Schnitt, bis der Rettungswagen bei einem Notfall eintrifft. Nach einem dreiminütigen Sauerstoffstopp ist das Gehirn aber häufig bereits geschädigt, nach fünf Minuten ohne Pumpleis­tung oder Herzdruckmassage und ohne Sauerstoff zeigt es meist keine Funktion mehr. In Deutschland fehle es an Wissen zur Reanimation, kritisiert DIVI, auf politischer Ebene werde gegen dieses Informationsdefizit aber kaum etwas getan. Bereits im Kindesalter sollte man vielmehr mit dem Thema „anfangen und das Gelernte jedes Jahr wiederholen“, empfiehlt die Vereinigung. „Lebenretten“ könne damit „so selbstverständlich“ werden wie „Fahrradfahren“.

In Dänemark ist der Wiederbelebungsunterricht bereits seit 2005 gesetzlich verankert. „Die Kinder haben keine Angst zu helfen, tragen das Gelernte in die Familien und weiter in die Gesellschaft“, betont DIVI. Die Überlebensrate bei Herz-Kreislaufstillstand hat sich dort seither von 20 % im Jahr 2000 auf mehr als 60 % im Jahr 2020 verdreifacht. In den Niederlanden oder in Schweden liegt die Laienreanimationsquote sogar bei 70 % und mehr.
Einige Initiativen wurden inzwischen auch in Deutschland auf den Weg gebracht. 2021 hat etwa das Aktionsbündnis „Wir beleben Deutschland wieder“, ein Zusammenschluss aus diversen Organisationen und Verbänden, wie Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Deutsche Herzstiftung und DIVI, die Kampagne #ichrettedeinleben initiiert und als Petition gestartet.

Deren Initiatoren, die Notärztin Dr. Carola Holzner, in den Sozialen Netzwerken besser bekannt als Doc Caro, und Prof. Dr. Bernd Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung, konnten im Mai knapp 85.000 Stimmen an den Petitionsausschuss des Bundestages übergeben. Politisch konnte seither allerdings kaum etwas bewegt werden.  

Schon seit 2015 empfiehlt die WHO Wiederbelebungsunterricht für alle Schüler ab der 7. Klasse. Ein Jahr zuvor riet auch der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz in Deutschland zu einer flächendeckenden Einführung. Bis heute wurde diese Empfehlung in den meisten Bundesländern allerdings nicht oder nicht flächendeckend umgesetzt.

Was tut sich in den Ländern? Hier einige Beispiele. 

In Baden-Württemberg gibt es ein landesweites Angebot zur Schüler-Laienreanimation: die Initiative „Löwen retten Leben“ in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz und der Stiftung Deutsche Anästhesiologie. Alle weiterführenden öffentlichen und privaten Schulen des Landes habe man bereits im Sommer 2018 mit Kampagnen-Taschen und Erste-Hilfe-Übungspuppen ausgestattet, betont das Kultusministerium auf Anfrage. In die Re­animationsmodelle hat es knapp 1,5 Millionen Euro investiert.

In Bayern sei das Konzept zu Erste-Hilfe-Maßnahmen in zweijährigem Turnus, das in Absprache mit Fachleuten von Erste Hilfe-Organisationen und Anästhesisten an bayerischen Schulen entwickelt wurde, 2019 nochmals deutlich gestärkt worden, teilt das Kultusministerium in München mit. 

Herzdruckmassage am Modell lernen

Mehrere Reanimationsmaßnahmen sind darin festgelegt: Die Schulleitung an den weiterführenden Schulen hat u.a. dafür zu sorgen, dass jeder Schüler einmal während seiner Schulzeit an einer Grundausbildung in Erster Hilfe teilnehmen kann (Schüler ab Jahrgangsstufe 7/8). Zudem sollen alle Schüler ab dieser Stufe im zweijährigen Turnus in speziellen Modulen Wiederbelebungskompetenzen, wie die Herzdruckmassage, erwerben. 

In Berlin könnten die Schulen eigenverantwortlich das Thema in den Unterricht einbinden, viele würden dies bereits im Rahmen des Projekts „Schülerinnen und Schüler retten Leben“ tun, das in Zusammenarbeit mit der Charité und Vivantes läuft, erklärt die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Damit sei es gelungen, die Zahl der Schulen, die sich regelmäßig am Reanimationsunterricht beteiligten, kontinuierlich zu erhöhen. 18 % der Schulen seien mittlerweile mit Reanimationspuppen ausgestattet, zusätzlich werde den Schülern der Unterricht direkt in einer Berliner Klinik ermöglicht.

In Thüringen ist der Wiederbelebungsunterricht seit dem Schuljahr 2015/2016 als Modul für Erste Hilfe und Wiederbelebung – unterrichtsbegleitend oder außerschulisch – organisiert.

Medical-Tribune-Bericht