Schwächelnder Bodybuilder Verdacht auf Anabolikamissbrauch bestätigte sich nicht

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ein junger Bodybuilder litt nach einem Wettkampf zum zweiten Mal an einer beidseitigen Kraftminderung in den Beinen. (Agenturfoto) Ein junger Bodybuilder litt nach einem Wettkampf zum zweiten Mal an einer beidseitigen Kraftminderung in den Beinen. (Agenturfoto) © andy_gin – stock.adobe.com

Ein junger Bodybuilder suchte am Tag nach einem Wettkampf die Uniklinik auf. Der Grund: eine plötzlich aufgetretene Muskelschwäche in den Beinen und Schulterschmerzen. Man unterstellte ihm einen Medikamentenabusus – zu Unrecht.

Der 23-Jährige hatte vor einem ­halben Jahr schon eine ähnliche Episode mit zunehmenden Schmerzen an den Oberschenkeln und subjektiver Kraftminderung erlebt. Auch damals war ein Wettbewerb vorausgegangen. Er hatte zu dieser Zeit Amilorid plus Hydrochlorothiazid eingenommen und Insulin gespritzt, was jetzt nicht der Fall war.

In beiden Situationen fiel eine Hypokaliämie auf, die sich ebenso wie die Beschwerden beim ers­ten Mal von selbst zurückbildete, so die Internistinnen Dr. Nadine ­Wilhelm und Dr. Alessandra ­Angelini vom Kantonsspital Baselland in Liestal. Die Untersuchung ergab eine beidseitige Kraftminderung in den Beinen, der Achillessehnenreflex war symmetrisch abgeschwächt. 

Schwäche nach kohlenhdyrat- und salzreicher Kost

Unter Kaliumzufuhr bildeten sich die Symptome zurück. Der junge Mann gab außerdem an, dass die Muskelschwäche nach kohlen­hydrat- und salzhaltiger Kost aufgetreten sei. Daher lag der Verdacht einer periodischen Paralyse nahe, aber wodurch ausgelöst? Eine sekundäre Hypokaliämie schied dieses Mal aus, da der Mann glaubhaft versicherte, keine Laxanzien, Diuretika etc. eingenommen zu haben und Nierenwerte und Glukose normal ausfielen. Der normwertige TSH-Wert sprach gegen eine thyreotoxische Lähmung, die sich klinisch nicht von der hypokaliämischen Variante unterscheidet. 

Damit stand die Diagnose einer primären hypokaliämischen periodischen Paralyse im Raum. Ein Kalium-Kreatinin-Quotient unter 2,5 im Urin kann diesen Verdacht stützen, aber nicht bestätigen. Dazu bedarf es eines Gentests, der dem jungen Mann empfohlen, bislang aber nicht durchgeführt wurde. Trotzdem erachteten die Schweizer Kolleginnen die Diagnose als wahrscheinlich aufgrund der Anamnese, des Alters des Patienten und der Laborbefunde.

Die Therapie der Lähmung erfolgt primär nicht-pharmakologisch mit Beschränkung auf leichte körperliche Aktivität. Zur Prävention eignen sich salz- und kohlenhydratarme Kost, eine Kalium­substitution oder die Einnahme kaliumsparender Diuretika. Zur Stabilisierung des intrazellulären Elektrolytwerts kommt – die Bestätigung durch den Gentest  vorausgesetzt – die prophylaktische Einnahme von Acetazolamid oder Dichlorphenamid infrage. 

Der Bodybuilder erhielt bereits in der Notfallsituation eine i.v.-Substitution von Kalium und Magnesium, die oral fortgesetzt wurde. Schon am Folgetag hatte sich der Kaliumspiegel normalisiert und der Mann keine Beschwerden mehr. Im symptomfreien Intervall zeigten sich weder Paresen noch Perkussionsmyo­tonien, Achillessehnenreflex und obere Muskeleigenreflexe waren bei der Kontrolle unauffällig. 

Die primäre hypokaliämische ­periodische Lähmung ist eine Ionenkanalerkrankung, die autosomal-dominant vererbt wird (Häufigkeit 1: 100.000). Die Erstmanifestation erfolgt meist im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt. Kohlenhydrat­reiche Speisen, Stress und schwere körperliche Aktivität verstärken die Symptome, die vielfach in der Nacht oder am frühen Morgen auftreten. Klinisch fällt eine oft schmerzlose Muskelschwäche auf. Sie befällt initial die proximale Beinmuskulatur und kann sich auf Arme und Rumpf ausbreiten. Schluckstörungen sind möglich, die respiratorische Muskulatur wird nur selten befallen. Als charakteristisches Laborzeichen gilt die auf mehr als das Doppelte erhöhte Kreatinkinase.

Quelle: Wilhelm N, Angelini A. Swiss Medical Forum 2023; DOI: 10.4414/smf.2023.1137076672

Ursache der primären hypokaliämischen Form der Lähmung sind Störungen in den Ionenkanälen. Ursache der primären hypokaliämischen Form der Lähmung sind Störungen in den Ionenkanälen. © alfa md – stock.adobe.com