Reha Geändertes Formular gilt ab Juli

Verordnungen Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Der Zugang zu einer geriatrischen Reha-Maßnahme wird erleichtert. (Agenturfoto) Der Zugang zu einer geriatrischen Reha-Maßnahme wird erleichtert. (Agenturfoto) © contrastwerkstatt – stock.adobe.com

Die Krankenkassen sollen ab Juli 2022 bei der Verordnung einer geriatrischen Reha nicht mehr prüfen, ob die Maßnahme medizinisch erforderlich ist. Das klingt zunächst gut! Aber das Formular (Muster 61) wurde in wesentlichen Teilen geändert – und es muss umgehend verwendet werden.

Mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz erhielt der G-BA den Auftrag, die Reha-Richtlinie so anzupassen, dass der Zugang zu einer geriatrischen Reha-Maßnahme erleichtert wird. Und das sind nun die wesentlichen Neuerungen bei der ärztlichen Verordnung:

  • Bei Versicherten ab 70 Jahren prüfen die Kassen nicht mehr, ob eine geriatrische Reha medizinisch erforderlich ist. Dieser Schritt wird auf die Praxen verlagert. Sie müssen bei der Verordnung Angaben machen, aus denen die geriatrietypische Multimorbidität hervorgeht. Es sind bestimmte Funktionstests durchzuführen und zu dokumentieren.
  • Bei allen anderen Indikationen zur Reha können die Krankenkassen die Verordnung weiter ablehnen, wenn die medizinische Einschätzung durch den verordnenden Arzt von der gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MD) abweicht.
  • Versicherte müssen vor einer Reha-Verordnung gefragt werden, ob sie dem Übersenden der gutachterlichen Stellungnahme des MD an die verordnende Praxis zustimmen und ob sie wollen, dass die Krankenkassenentscheidung an Dritte, z.B. Angehörige oder Vertrauenspersonen, übermittelt wird. Diese Einverständniserklärung ist auf dem Verordnungsformular zu dokumentieren.

Während diese Regelungen für den Versicherten und die Kassen eine Entlastung darstellen, kommen auf die Praxen eine zusätzliche Belastung zu. Das betrifft in erster Linie die Verordnung einer geriatrischen Reha. Bei allen anderen Indikationen kommt „nur“ die Dokumentation der Einwilligung des Patienten zur Datenübermittelung hinzu. Diese erfolgt durch Ankreuzen des jeweiligen Feldes auf dem neuen Formularteil E im Abschnitt VIII. Die restlichen Felder des Teils E muss der Versicherte selbst ausfüllen, wenn er der Übermittlung der Krankenkassenentscheidung an Dritte zustimmt. Er kann dort den Namen und die Anschrift der Person oder Einrichtung eintragen, der/die die Unterlagen erhalten soll.

Etliche Zusatzangaben bei der geriatrischen Verordnung

Bei geriatrischen Reha-Verordnungen sind auf dem Formular umfangreiche Zusatzangaben erforderlich. Angegeben werden müssen neben den Diagnosen, die Ergebnisse von Funktionstests sowie eine Zuweisungsempfehlung. Als geriatrietypische Diagnosen werden chronische Schmerzen, Harninkontinenz, Muskelschwund und Muskelatrophie (Sarkopenie), Demenz oder Sturzneigung angesehen. Sie  sind auf dem Formularteil B im Unterabschnitt B des Abschnitts I als „weitere rehabilitationsrelevante/geriatrietypische Diagnosen“ anzugeben. Eine Liste weiterer (anerkannter) geriatrietypischer Diagnosen ist in Anlage II der Vordruckerläuterungen zum Reha-Formular zu finden.

Funktionstests, die die  Schädigung gut abbilden

Die Schädigungen, die sich aus den rehabilitationsbegründenden und weiteren reharelevanten oder geriatrietypischen Diagnosen ergeben, müssen künftig mit mindestens zwei geeigneten Funktionstests aus unterschiedlichen Schädigungsbereichen nachgewiesen werden.

Die Funktionstests sollen so gewählt werden, dass sie die Schädigungen medizinisch am besten abbilden. Dabei muss ein Test für die rehabegründende Funktionsdiagnose aus dem folgenden Spektrum erfolgen, der nicht älter als sechs Wochen ist und auf dem Formular dokumentiert werden:

  • Mobilität: Timed „Up & Go“ (TUG) in Verbindung mit Chair Stand-Up Test (Chair-Rise), Morton Mobilitäts Index (DEMMI), Motilitätstest nach Tinetti, Handkraft-Messung
  • Kognition: Mini Mental Status Test (MMST), Geriatrische Depressions-Skala (GDS 15), Uhrentest nach Watson
  • Schmerz: Visuelle oder Numerische Schmerzskala
  • Herz-/Lungenfunktion: Ergometrie in Verbindung mit Spirometrie, NYHA-Skala (New York Heart Association Classification)

Neu auf dem Formular ist ein Ankreuzfeld für die Zuweisungsempfehlung in eine geriatrische Reha-Klinik. Dieses befindet sich auf Formularteil D in Abschnitt VI unter B. Andere inhaltliche Schwerpunkte (z.B. orthopädisch, kardiologisch oder Kinder-Jugend) können wie bisher im Freitextfeld hinterlegt werden.

Weitere Neuerungen auf dem Formular sind weniger spektakulär. So wurden die Angaben über bisherige Interventionen und Maßnahmen auf Teil B zusammengefasst. In dem neuen Unterabschnitt D finden sich Informationen zu den bisherigen ärztlichen und psychotherapeutischen Interventionen sowie zu anderen Maßnahmen, einschließlich Heilmittelbehandlungen.

Die Einführung des neuen Formulars 61 erfolgt zum 1. Juli. Deshalb dürfen die bisherigen Formulare (Muster 61, Stand 4.2020) ab dem dritten Quartal nicht aufgebraucht werden. Die Praxen müssen neue Formulare bestellen. Das neue Muster 61 wurde bereits den Softwareherstellern zum Einbinden in die Praxisverwaltungssysteme übermittelt.

Wie wird der Mehraufwand vergütet?

Die Verordnung medizinischer Reha mit dem Vordruck 61 wird aktuell mit 34,02 Euro vergütet. Das kann aber nicht die künftige Vergütung sein, denn die umfangreichen Testverfahren bei der geriatrischen Reha kommen hinzu. Auch entsteht ein erheblicher Gesprächsmehraufwand beim Aufklären des Patienten zur neuen Zustimmungsregelung. Dazu gibt es noch keine Entscheidung, obwohl  der Start des neuen Formulars vor der Tür steht. Die KBV teilt lapidar mit, dass zur Abbildung der Richtlinienänderungen im EBM Beratungen im Bewertungsausschuss stattfinden und – sobald eine Entscheidung getroffen ist – die Praxen informiert werden.

Medical-Tribune-Bericht