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Medikation Ungeeignete Medikamente für Alte im Blick haben

Verordnungen Autor: Angela Monecke

Beim Blick auf die Facharztgruppen zeigt sich, dass Hausärzte und hausärztliche Internisten die meisten PIM verordneten. Beim Blick auf die Facharztgruppen zeigt sich, dass Hausärzte und hausärztliche Internisten die meisten PIM verordneten. © Rawpixel.com ‒ stock.adobe.com
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Mehr als vier Medikamente pro Tag nehmen ältere Menschen ab 65 im Schnitt ein. Fast die Hälfte von ihnen erhielt im zurückliegenden Jahr mindestens ein ungeeignetes Arzneimittel.

Die Priscus-Liste, die solche potenziell inadäquaten Medikamente für ältere Menschen (PIM) in Deutschland seit 2010 zusammenfasst, wurde jetzt aktualisiert. Ein Kapitel ist ihr im neuen Arzneimittel-Kompass 2022 gewidmet, den das Wissenschaftlichen Institut der AOK im November in Berlin vorgestellt hat. 

Die Priscus-2.0-Liste umfasst nun mehr als doppelt so viele Wirkstoffe (177 statt vormals 83). Auffällig ist, dass die Menge an verordneten Tagesdosen der GKV-Versicherten seit 2012 um etwa 12 % zugenommen hat. Wurden den 65-Jährigen und Älteren früher im Schnitt noch 3,9 Medikamente verschrieben, waren es 2021 durchschnittlich 4,4 Arzneimittel pro Tag.  Ein Großteil dieser Verordnungen sei leitliniengerecht, erklärt Prof. Dr. Petra Thürmann von der Universität Witten/Herdecke, Mitherausgeberin des Kompasses. Es bedeute also nicht, „dass all diese Verordnungen falsch oder schlecht sind, aber man sollte sie sorgfältig betrachten“. 

75- bis 80-Jährige besonders betroffen

Als „erschreckend hoch“ schätzt sie die PIM-Verordnungen ein. Nach der neuen Liste bekam fast die Hälfte (49,5 %) der 16,4 Millionen älteren GKV-Versicherten 2021 mindestens ein für ältere Patienten inadäquates Medikament verordnet. Bei den 65- bis 70-Jährigen liegt der heutige Anteil bei 44,2 %, bei den 75- bis 80-Jährigen sogar bei 54,1 %. Damit ist Verordnungsanteil der PIM bei den über 65-Jährigen stark angestiegen, nach früheren Berechnungen lag er noch bei 15 bis 20 %. In allen Altersgruppen tragen zudem Frauen ein höheres Risiko als Männer, eine oder mehrere PIM verordnet zu bekommen.

Neu aufgeführt in der Liste sind u.a. Protonenpumpenhemmer (PPI) ab einer Verordnungsdauer von mehr als acht Wochen – wegen des höheren Risikos für Pneumonien, clostridien-assoziierten Darmerkrankungen und Osteoporose bei Dauereinnahme dieser Magenmittel. Über die Hälfte (53 %) der Gesamtverordnungen der PIM sind PPI. Direkte orale Antiko­agulanzien (DOAK) sind auch in der neuen Liste nicht zu finden, da inzwischen auch für ältere Patienten genügend Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit der Gerinnungshemmer vorliegt. Neu aufgenommen wurden die Diabetesmedikamente Glibenclamid, Glimepirid und Acarbose. 

Beim Blick auf die Facharztgruppen zeigt sich, dass Hausärzte und hausärztliche Internisten – sie haben 2021 knapp 87,4 % aller an ältere GKV-Versicherte verordneten Arzneimitteltagesdosen verschrieben – auch die meisten PIM verordneten. Während jedoch der Anteil an allen verordneten Tagesdosen beim Hausarzt bei 12,5 % liegt, beläuft sich dieser bei den Psychiatern auf 44,2 %. Verbesserungspotenzial sehen die Autoren daher bei der differenzierten Betrachtung der Facharztgruppen. Mit dem nächsten Listen-Update wolle man auch nicht wieder zwölf Jahre warten, so Prof. Thürmann.

Medical-Tribune-Bericht

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