Off label als Regressgefahr Volle Summe bei unzulässigen Verordnungen
Eigentlich soll die sog. Differenzschadensmethode nach § 3a Absatz 1 SGB V die Vertragsärzte bei der Verordnung von Arzneimitteln entlasten. Hierzu hat das Bundesschiedsamt nunmehr festgelegt: „Die Berücksichtigung einer Kostendifferenz ist dann vorzunehmen, wenn die in Rede stehende Verordnung unwirtschaftlich ist und nicht unzulässig und somit von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen ist. Ausgenommen von der Anwendung der Differenzschadensmethode sind ärztliche Verordnungen, die durch gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen wie z.B. § 34 SGB V, Anlage 1 der Heilmittel-Richtlinie ausgeschlossen sind und für die die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 11 Arzneimittel-Richtlinie nicht vorliegen.“
Einzelregress ist ohne vorherige Beratung möglich
Was bedeutet das im Klartext? Im § 34 SGB V werden eine Reihe von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln ausgeschlossen, z.B. Produkte zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfende und -lösende Mittel, Mund- und Rachentherapeutika (ausgenommen bei Pilzinfektionen), Abführmittel und Produkte gegen Reisekrankheit.
Da dieser Ausschluss auch Präparate betrifft, die nicht verschreibungs-, aber apothekenpflichtig sind, werden im § 12 der Arzneimittel-Richtlinie des G-BA Mittel gemäß § 34 Absatz 1 Satz 2 SGB V definiert, die trotzdem verordnungsfähig sind. Aus beiden Vorgaben resultieren die in der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie des G-BA konkretisierten Verordnungsausschlüsse und deren Ausnahmen.
Dieser Teil der Arzneimittel-Richtlinie gewinnt durch den Schiedsspruch enorm an Bedeutung. Künftige Verordnungen sollten deshalb peinlich genau an dieser Vorgabe orientiert werden, da die Krankenkassen hier nun die Möglichkeit haben, ohne vorherige Beratung einen Einzelregress auszusprechen, der in voller Höhe beglichen werden muss.
Genehmigung der Kasse zum Off-Label-Use einholen
In seiner Begründung bestätigt nämlich das Bundesschiedsamt die vom GKV-Spitzenverband vertretene Auffassung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung bittet deshalb das Bundesgesundheitsministerium, Anpassungen bei den gesetzlichen Vorgaben vorzunehmen. Bis zu einer ggf. (positiven) Entscheidung gilt es, die folgenden Punkte seit dem 9. Juni 2022 genau zu beachten:
Verordnungen von Arzneimitteln im Off-Label-Use sollten unbedingt im Vorfeld der Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt werden. Ein Off-Label-Use ist gegeben, wenn ein Arzneimittel bei bestimmten Indikationen nicht zugelassen ist. In der Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie werden Wirkstoffe aufgelistet, die im Off-Label-Use „verordnungsfähig“ sind (Teil A der Anlage) oder als „nicht verordnungsfähig“ (Teil B) eingestuft werden.
Hier ist für Hausärzte Vorsicht geboten! (Auswahl) | |
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Verordnungsausschluss für | Ausnahmen |
Analgetika, Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen |
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Antazida in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen | Kombinationen verschiedener Antacida |
Antidementiva, sofern der Versuch einer Therapie mit Monopräparaten über 12 Wochen Dauer (bei Cholinesterasehemmern und Memantin über 24 Wochen Dauer) erfolglos geblieben ist | Nach erfolgreichem Therapieversuch ist eine Weiterverordnung zulässig. |
Antidiabetika, orale | Nach erfolglosem Therapieversuch mit nicht-medikamentösen Maßnahmen. |
Antidysmenorrhoika |
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Clopidogrel als Monotherapie zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt, mit ischämischem Schlaganfall oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit | Patienten mit
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Clopidogrel in Kombination mit Acetylsalicylsäure bei akutem Koronarsyndrom zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse |
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durchblutungsfördernde Mittel |
Der Einsatz von durchblutungsfördernden Mitteln ist besonders zu begründen. |
Gichtmittel |
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Hypnotika/Hypnogene oder Sedativa zur Behandlung von Schlafstörungen, Tranquillanzien |
Bei Hypnotika/Hypnogenen, Sedativa
Eine längerfristige Anwendung von Hypnotika/Hypnogenen oder Sedativa |
Lipidsenker |
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Verordnungen in der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinien sollte man auf ihre Zulässigkeit prüfen. Eindeutig ist dort der Ausschluss von Azida, Amara, Anabolika, Antianaemika-Kombinationen, Antiarthrotika und Chondroprotektiva, Antiemetika in Kombination mit Antivertiginosa zur Behandlung von Übelkeit (Mittel gegen „Reisekrankheit“), Antikataraktika (Vorsicht bei der Übernahme von Verordnungen von Augenärzten), Arzneimitteln, die als „traditionelle pflanzliche“ Arzneimittel gelten, Externa bei traumatisch bedingten Schwellungen, Ödemen und stumpfen Traumata oder Rheumamittel (Analgetika/ Antiphlogistika/Antirheumatika) zur externen Anwendung („Rheumasalben“), Geriatrika, Arteriosklerosemittel, Hämorrhoidenmitteln in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen, zur lokalen Anwendung, Hustenmittel als fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektoranzien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen, Migränemittel-Kombinationen, Muskelrelaxanzien in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen, Rhinologika in fixer Kombination mit gefäßaktiven Stoffen, Roboranzien, Tonika und appetitanregende Mittel, Venentherapeutika, Zellulartherapeutika und Organpräparaten oder Dipyridamol in Kombination mit Acetylsalicylsäure. Anders und zum Teil sehr kompliziert sind viele andere Arzneimittel betroffen, was mit einem hohen Dokumentationsaufwand verbunden ist.
Medical-Tribune-Bericht