Interview 10-Punkte-Plan der DGfN zur Heimdialyse – eine Zwischenbilanz

Autor: Elke Klug

Unter Ärzte- und Pflegepersonal gibt es immer noch zu wenig Bewusstsein für die Vorteile der Heimdialyse. Unter Ärzte- und Pflegepersonal gibt es immer noch zu wenig Bewusstsein für die Vorteile der Heimdialyse. © April Tarathai – stock.adobe.com

2021 hatte die DGfN einen 10-Punkte-Plan zur STÄRKUNG DER HEIMDIALYSE UND TRANSPLANTATION IN DEUTSCHLAND vorgestellt. Im Vorfeld des 14. Kölner Heimdialysekongresses des KfH 2024 gab DGfN-Pressesprecherin Univ.-Professorin Dr. Julia Weinmann-Menke im Interview Auskunft zum aktuellen Stand der Umsetzung.

Trotz vieler Bemühungen und Initiativen wie dem 10-Punkte-Plan der DGfN dominiert bei der Nierenersatztherapie in Deutschland nach wie vor die Zentrumsdialyse. Und das, obwohl es, zumindest für einen Teil der Patienten, bessere Alternativen gibt. Heimdialyseverfahren wie die Peritoneal- oder auch die Heimhämodialyse (PD, HHD) bieten den Patienten mehr Flexibilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, lange und teure Anfahrten entfallen, und auch aus medizinischer Sicht werden die Heimbehandlung und die Zentrumsdialyse als gleichwertig beurteilt. Warum also sind Heimdialyseverfahren hierzulande unterrepräsentiert (ca. 5,5 %), während ihr Anteil in anderen Ländern deutlich höher ist? Förderprojekte des G-BA-Innovationsausschusses wie MAU-PD* oder Befragungen von Nephrologinnen und Nephrologen durch die DGfN ergeben zwar, dass es viele alters- und krankheitsbedingte Umstände seitens der Patienten gibt, die ein Heimdialyseverfahren ausschließen – zu krank, infektbedingt oder voroperiert. 

Andererseits wurden auch Defizite aufgezeigt und Handlungsbedarf signalisiert, um das Heimdialyseangebot für geeignete Patienten zu verbessern. So wurden strukturelle und Kommunikationsdefizite mit den Patienten, zu wenig PD/HHD-Inhalte in der Facharztausbildung (61 % der Befragten hätten sich mehr PD-Inhalte in der Facharztausbildung gewünscht) und wirtschaftliche Barrieren für Ärzte (es bedarf zurzeit 10,5 PD-Patienten, ehe das Verfahren für ein Dialysezentrum wirtschaftlich ist) eruiert. Dementsprechend hieß es auch in der Einladung zum diesjährigen 14. Heimdialysekongress des KfH erneut „Themen wie der individuelle Therapiewunsch der Patientinnen und Patienten, Fachkräftemangel, Ressourcenverbrauch und finanzielle Belastung des Gesundheitssystems erfordern unser intensives Engagement und alternative Konzepte“. Die DGfN stellt sich seit längerem dieser Herausforderung und erarbeitete als Beitrag zur Verbesserung der Versorgung im Heimdialysebereich den 10-Punkte-Plan, der neben der Nierentransplantation als Behandlungsoption einer CKD u. a. auch Verfahren wie die PD und HHD stärken soll. Im Interview zieht Professorin Dr. Weinmann-Menke eine Zwischenbilanz bezüglich der Umsetzung der darin genannten Vorhaben.


Worin sieht die wissenschaftliche Fachgesellschaft die Notwendigkeit, die Heimdialyse zu stärken?

Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke: Die Peritoneal- respektive Bauchfelldialyse ist für Patienten, die hierfür geeignet sind, sicherlich die physiologischere Art, ein Nierenersatzverfahren einzusetzen. Es ist ein kontinuierliches Verfahren, weil 24 h lang ein Austausch über das Bauchfell stattfindet. Die Patienten sind, wenn es gut funktioniert, weniger an bestimmte Zeiten gebunden im Gegensatz zu denen, die eine Zentrums-Dialyse durchführen. So bleibt bei der Peritonealdialyse ein höheres Maß an Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit erhalten. Da insbesondere jüngere dialysepflichtige Patienten häufig voll berufstätig sind, kommt ihnen diese Form der Dialyse entgegen. Aber auch die Hämodialyse können Patienten zu Hause selber durchführen, wenn sie geistig und körperlich fit und erfahren genug sind, um z. B. auch ein Gefäß punktieren zu können und die erforderlichen Gegebenheiten vorhanden sind, um zuhause das Gerät und das übrige Material unterzubringen. Weil die Patienten bei der Heimhämodialyse täglich, auch nachts, dialysieren können, und dies über viele Stunden, ist eine optimale Dialyse-Behandlung möglich. Dies wird den Patienten auch im Aufklärungsgespräch zu den verschiedenen Dialyseverfahren vermittelt: Je mehr und kontinuierlicher dialysiert wird, umso physiologischer ist dies.

Warum wird in anderen Ländern so viel mehr Heimdialyse angeboten (Schweden 23,8 %, Honkong sogar 79,4 %)?

Weinmann-Menke: Es gibt sicherlich ganz viele Faktoren, die da mit reinspielen. Wir waren bisher ein Land, das ausreichend Zentrumsplätze hat, um gute Dialysen anzubieten, ob PD (den Cycler im Zentrum gibt es ja auch noch) oder die HD, so dass die Notwendigkeit nicht so dringend bestand, andere Verfahren anzubieten. Allerdings nehmen wir hier in den letzten Jahren eine Veränderung wahr. Durch Mangel an Pflegepersonal und zum Teil auch eine ärztliche Unterversorgung kommen Dialysezentren an ihre Kapazitätsgrenzen.

Andererseits bindet die Heimdialyse ja auch Personal….

Weinmann-Menke: Aber nicht in diesem Umfang und in der Form wie im Zentrum. Wenn Patienten eine Heimdialyse machen, dann kommen sie normalerweise nur alle ein bis drei Monate ins Zentrum und nicht dreimal die Woche. Abgesehen von der Assistierten HHD, bei der eine Pflegekraft nach Hause kommt, und die damit natürlich in keiner Weise Personal-sparend ist, sind die Heimdialyse- Patienten autark und völlig selbstständig. Sie haben zu Hause in der Regel keine Pflegekraft, maximal die Unterstützung durch einen Angehörigen sowie einen Ansprechpartner im Dialysezentrum zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Die Heimdialyse hat viele Vorteile, aber sie ist, wie Sie erklärten, auch nicht unbedingt für alle Betroffenen geeignet. Wie hoch ist der Anteil der Dialysepflichtigen, grob geschätzt, der dafür infrage kommt?

Weinmann-Menke: Man kann es nicht ganz genau belegen, u. a. deshalb, weil es in Deutschland kein Dialyseregister gibt. Wir kennen auch nicht den exakten Gesundheitszustand unserer Dialysepatienten. Dies ist ein weiteres großes Manko, das wir seit Jahren beklagen. Wir gehen aber davon aus, dass wir auf die gleichen Zahlen kommen könnten wie andere europäische Länder, also ca. 20−30 %, wie etwa in Frankreich.

Im Plan enthalten ist eine Vielzahl von Vorschlägen, wie die Heimdialyse gestärkt werden könnte und wo noch bestehende Defizite auszugleichen wären. Es fehle beispielsweise an speziell ausgebildeten Fachkräften und auch an in einfacher Sprache formulierten, standardisierten Aufklärungsmaterialien über sämtliche Verfahren der Nierenersatztherapie. Welche Maßnahmen wurden seitens der DGfN diesbezüglich bislang in Angriff genommen? Welche zeitgemäßen Kommunikationsmöglichkeiten, über gedruckte Flyer oder Broschüren hinaus, gibt es, damit informierte Patienten und Angehörige auch selbst aktiv Heimdialysemöglichkeiten nachfragen?

Weinmann-Menke: Es ist nicht so, dass es kaum ausgebildete Fachkräfte gibt. Unabhängig vom generell zahlmäßigen Mangel an Ärzten und Pflegepersonal gibt es durchaus für PD sehr gut qualifiziertes Pflegepersonal und auch alle Ärzte sind in Bauchfell- und Heimdialyse ausgebildet. Es steht verpflichtend in der Weiterbildungsordnung, alle kennen die verschiedenen Verfahren und sind geschult. Zudem hat die DGfN anschauliches Informationsmaterial für Patienten zu allen Verfahren erstellt, die die Verfahren beschreiben und Erfahrungen von Patienten abbilden und darstellen, für Arztpraxen oder auch als Unterstützung für Patientenorganisationen. Darüber hinaus gibt es sehr viele Aufklärungsvarianten für die verschiedenen Dialyseverfahren auch aus Quellen im Internet, die nicht immer objektiv und neutral über alle Möglichkeiten informieren. Wir als Fachgesellschaft haben, um unabhängig, neutral und nach dem aktuellen Stand der Forschung über die Möglichkeiten des Organersatzes zu informieren, das Nieren-Navi (www.nieren-navi. de) entwickelt. Auf dieser Seite wird umfassend erläutert, durch welche medizinischen Versorgungsmöglichkeiten Patienten ein hohes Maß an Lebensqualität erreichen können. Es werden systematisch alle Nierenersatzverfahren in Form eines einfach formulierten Textes vorgestellt, der zur besseren Verständlichkeit noch mit Bildern illustriert ist. Zu jedem Verfahren gibt es ein kleines Video, in dem ein Patient und ein Arzt Vor- und Nachteile der Verfahren, auch der Heimdialyse, beschreiben. Es kommen Patienten zu Wort und erzählen, warum sie dieses oder jenes Verfahren besonders gut finden. Hier im Umkreis von Mainz z. B. informieren wir alle kurz vor der Dialyse stehenden Patienten und auch zuweisende Praxen über das Nieren-Navi, und es wird nach unseren bisherigen Erfahrungen mittlerweile auch rege genutzt.

Aktueller Stand zur Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse

Die Richtlinie zur Sicherung der Qualität von Dialyse-Behandlungen nach den §§ 135b und 136 Abs. 1 Nummer 1 SGB V – QSDRL ist zum 1. Januar 2020 außer Kraft getreten. Sie ist aufgegangen in der Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung.

In der Anlage zum Beschluss des G-BA über die Freigabe des Abschlussberichts vom BQS Institut zur Evaluation der Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse vom 21. April 2022 heißt es zum Thema Heimdialyse: „Die Peritonealdialyse wurde von den Expert:innen im Rahmen der Evaluation als sehr wichtiges, wenn auch noch selten durchgeführtes Dialyseverfahren beschrieben. Einige Vertreter:innen der Einrichtungen und Kommissionen beschrieben Unsicherheiten in der Durchführung dieses Verfahrens. … Um insbesondere den Anteil der Heimdialyse, aber auch beispielsweise der Nachtdialyse zu erhöhen, bedarf es insbesondere einer umfangreicheren Information und Schulung der Patient:innen, aber auch der Familienangehörigen. Dies sollte im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Rahmen der Dialysebehandlung berücksichtigt werden.“. Auf Anfrage, ob und wann mit einer überarbeiteten Richtlinie zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Rahmen der Dialysebehandlung zu rechnen ist, schreibt die Pressestelle des G-BA: Im Rahmen des Verfahrens QS NET wird u. a. die Organisationsform der Dialysebehandlung erfasst, d. h. ob die Dialyse als Heimdialyse, zentralisierte Heimdialyse, ambulante Zentrumsdialyse oder teilstationäre Dialyse durchgeführt wird. 

Die Angaben zur Heimdialyse werden auch bei der Auswertung der Qualitätsindikatoren genutzt. Bis zum Erfassungsjahr 2023 wurde beispielsweise über den Qualitätsindikator „Aufklärung über Behandlungsoptionen“ (ID 572001) und die Kennzahl „Aufklärung über Behandlungsoptionen bei Patientinnen und Patienten unter 18 Jahren“ (ID 572048) erfasst, ob ein Patient über die Heimdialyse als Behandlungsoption informiert wurde. Allerdings wurde dieser Qualitätsindikator/ diese Kennzahl mit Beschluss vom 20. Juli 2023 zum Erfassungsjahr 2024 wegen Überarbeitungsbedarf ausgesetzt (s. Tragende Gründe S. 9). Die Beratungen des G-BA zu den vorgesehenen Änderungen der DeQS-RL, die auch die Wiedereinsetzung dieses QI/dieser Kennzahl in modifizierter Form betreffen, dauern noch an. Zukünftig ist vorgesehen, im Verfahren QS NET auch Daten aus Patientenbefragungen zu nutzen. Ein diesbezüglicher Bericht des IQTIG wurde mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 () zur Veröffentlichung freigegeben und befasst sich auch mit der Thematik „Heimdialyse“. 

Die Beratungen über Anpassungen der themenspezifischen Bestimmungen einschließlich der Spezifikationsempfehlungen zum Verfahren QS NET in Bezug auf Patientenbefragungen dauern ebenfalls noch an.

Im Plan war von der Notwendigkeit einer Anpassung der (Muster-) Weiterbildungsordnung die Rede…. Wie ist das denn gemeint?

Weinmann-Menke: Im Moment ist es so, dass die Heimdialyse als Ausbildungsinhalt eine der Voraussetzungen ist, um seine Weiterbildung abzuschließen. Man könnte die Vorgaben natürlich noch deutlich strenger fassen und den Fokus in der WBO darauf richten, indem man die zu behandelnde Patientenzahl definiert, wie es auch für andere Therapieverfahren abgebildet ist. Das Problem ist, obwohl ausgebildet wird und die Möglichkeiten der Heimdialyse bekannt sind, wir machen es zu wenig. Es fehlt die Erfahrung, da wir diese Verfahren bisher nur bei wenigen Patienten einsetzen. Grundsätzlich glaube ich, es muss sich in der Ärzteschaft einfach das Bewusstsein dahingehend verändern, dass die PD auch ein Verfahren ist, das für ein betreuendes Zentrum ohne Mehraufwand gut einsetzbar ist. Eine Hürde stellt sicherlich die Notwendigkeit einer 24 h-Verfügbarkeit eines Ansprechpartners dar. Zu jeder Tag- und Nachtzeit kann etwas passieren. Das können nicht alle Zentren leisten. Hier sollten Kooperationen entstehen, z. B. zwischen Dialysezentren und Kliniken. Eine große Klinik, die ohnehin einen 24 h-Dienst hat und die in der Nähe ist, könnte problemlos die Bereitschaft in der Nacht und an Wochenenden übernehmen. Solche Lösungen können Synergien schaffen und neue Möglichkeiten in der optimalen Versorgung unserer Patienten eröffnen.

Welche Fortschritte gibt es bei der Ausweitung der Telemedizin (auch eines der Vorhaben im Plan), um die Sicherheit während der Heimtherapie zu erhöhen?

Weinmann-Menke: Es gibt immer mal einzelne kleinere Projekte, die alle Bereiche der Nephrologie abbilden, ob Transplantation oder Heimdialyse. Aber hier ist man noch nicht flächendeckend vorangekommen. Es fehlen einfach die finanziellen Mittel, weil es teuer ist, die Telemedizin zum Einsatz zu bringen. Man muss ja bedenken, es ist zwar schön, wenn man Wearables hat, mit denen man alles Mögliche monitoren kann, aber es muss eben auch jemand am anderen Ende sitzen, der ständig alles überwachen und ggf. reagieren muss. Diese Mittel müsste das Gesundheitswesen aufbringen, sprich die Krankenkassen, wenn sie ein Erfordernis für mehr Telemedizin sehen. Aber dafür gibt es im Moment weder die Datenlage, dass dadurch die Versorgung verbessert würde, noch dass es zu Kosteneinsparung käme. Im Gegenteil, es würde erst einmal teurer. So ist es im Moment schwierig, überzeugende Argumente für einen flächendeckenden Einsatz zu finden. Wir befinden uns hier noch in der Evaluationsphase, für welche Situationen in der nephrologischen Versorgung der Einsatz der Telemedizin sinnvoll und effizient sein könnte und welche Möglichkeiten der Umsetzung am besten geeignet sind. Die DGfN fördert und unterstützt immer wieder solche Pilotprojekte, um Daten zu generieren, die dann eine Weiterentwicklung und Erweiterung des Einsatzes möglich machen.

„Die DGfN möchte, wie auch der G- BA, die Heimdialyse und die Nierentransplantation in Deutschland unter Berücksichtigung des individuellen Patientenwohls fördern. Den 10-Punkte- Plan möchten wir nun gemeinsam mit Unterstützung der G-BA und der Gesundheitspolitik umsetzen“, erklärte 2021 der damalige DGfN-Präsident Prof. Dr. Hermann Pavenstädt. Woran ist erkennbar, dass der G-BA die Bemühungen der DGfN unterstützt?

Weinmann-Menke: Es geht nicht darum, dass der Gemeinsame Bundesausschuss uns unterstützt, sondern das Thema. Der G-BA definiert zur Sicherung des Leistungsanspruchs der gesetzlich Krankenversicherten, was im Einzelnen unter einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung, wie sie im Gesetz beschrieben wird, zu verstehen ist, macht entsprechende Vorgaben und erteilt Auflagen zur Qualitätssicherung, u. a. auch in der Dialyseversorgung. Er verwendet dafür alle Daten, die es zur Nierenersatztherapie gibt, wie beispielsweise die Daten, die die Dialyseeinrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Qualitätssicherung verpflichtend an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) zu liefern haben. Die Berechnung und Abbildung der Dialysequalität scheint sich jedoch sehr schwierig zu gestalten, so dass auch nach vier Jahren der Datenerhebung durch das IQTIG keine belastbaren Ergebnisse vorliegen. Damit dies zeitnah besser wird, arbeitet das IQTIG gerade im Auftrag des G-BA daran. Gelangt der G-BA jedoch im Rahmen seiner Förderprojekte oder Qualitätssicherungsverfahren zu belastbaren Erkenntnissen, gibt er Hinweise, was sich verändern muss. Stellt der G-BA z. B. fest, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr wenig Heimdialyse gibt, kann er fragen, warum das so ist und damit die Erwartung verbinden, dass es mehr Heimdialyse geben muss. Die Richtlinie bzw. die entsprechenden Berichte kann man auf der Seite des G-BA einsehen.

Ein weiteres Vorhaben war, Patientenorganisationen stärker einzubeziehen. Welche Maßnahmen wurden dafür ergriffen? 

Weinmann-Menke: Insgesamt haben wir einen regen und zunehmenden Austausch mit den Patientenorganisationen. Das haben wir in jüngster Vergangenheit sehr intensiviert. Zu diesen Patientenorganisationen gehören der Bundesverband Niere (BN e.V.), der Bundesverband der Organtransplantierten (BDO e.V.) und die Deutsche Nierenstiftung. Sie nehmen an unserem Kongress teil und haben dort eine eigene Patientenveranstaltung. Gemeinsam wollen wir Patienten, die kurz vor der Dialyse stehen, umfassend informieren, damit sie sich damit auseinandersetzen können und dann die bestmögliche Form für sich finden. Gleichzeitig versuchen wir die Früherkennung/Prävention voranzubringen, damit die Patienten gar nicht erst dialysepflichtig werden. Dabei ergänzen und unterstützen wir die Aktivitäten der Patientenverbände und umgekehrt.

Gibt es mittlerweile einen, im 10-Punkte-Plan ebenfalls anvisierten, Nationalen Nierenplan und/oder ein Disease-Management-Programm und/oder ein Dialyseregister für chronische Nierenerkrankungen? Wo sind Fortschritte zu verzeichnen? 

Weinmann-Menke: Da sind derzeit leider keine nennenswerten Fortschritte zu verzeichnen. Es gibt sie aber in der Hinsicht, dass wir jetzt deutlich aktiver in der Kommunikation mit der Politik sind und dass wir dort durchaus auch Gehör finden. Aber das ist eben noch keine Umsetzung. Die Fachgesellschaft hat angefangen, verstärkt politische Kontakte aufzunehmen. Am Weltnierentag gab es z.B. das erste parlamentarische Frühstück, um den Fokus mehr auf das Thema Nephrologie zu richten. Sabine Dittmar (SPD), Mitglied des Bundestages, Parlamentarische Staatssekretärin für Gesundheit war die Schirmherrin. Das wollen wir auch weiterführen. Es gibt mehr interaktive Treffen mit Politikern, wo man sich zu bestimmten Themen, wie z. B. dem Dialyse-Register, austauscht. Da sind wir jetzt deutlich präsenter als in den Jahren zuvor. In Rheinland/Pfalz unterstütze ich selbst z. B. aktiv die Initiative Guardians of Health (https://gfh-rlp.de/) zur Prävention von Nierenerkrankungen, unter der Schirmherrschaft des Altbundespräsidenten Herrn Gauck. Für die Disease-Management-Programme ist der G-BA verantwortlich. Das muss verhandelt werden. Ein DMP für chronische Nierenerkrankungen zur Prävention, zur Vernetzung aller Akteure und zur Unterstützung der Patienten beim Weg in die Heimdialyse, wie im Plan angedacht, gibt es noch nicht. 

Gibt es Anzeichen, dass sich bei der Vergütung im Heimdialysesektor etwas bewegt? 

Weinmann-Menke: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Hier wären die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband oder der Berufsverband die richtigen Ansprechpartner. Die Vergütung insgesamt für die Dialyse ist ja gerade etwas besser geworden, erstmals wieder seit vielen Jahren. Es wäre wünschenswert, wenn sich dieser Prozess zur Förderung der Heimdialyse und der Dialyse insgesamt fortsetzen würde.

Im 10-Punkte-Plan war auch die Gründung eines Deutschen Zentrums für Nierenkrankheiten (DZNK) enthalten. Wie weit ist dieses Vorhaben gediehen? 

Weinmann-Menke: Das Vorhaben ist im Fachbereich weiterhin sehr präsent. Es handelt sich hierbei jedoch sowohl um ein komplexes als auch ein langfristiges Projekt. Wir haben unsere politischen Aktivitäten verstärkt, allerdings gibt es im Moment noch keine konkrete Umsetzungsplanung. Ob es etwas Vergleichbares geben wird wie das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) oder das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht klar und damit nicht zu beantworten. Allerdings ist das Ziel unverändert, ein Deutsches Zentrum für Nierengesundheit (DZNG) zu etablieren. 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Professorin Weinmann-Menke.

Quelle: Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Nierenarzt/Nierenärztin 3/2024