
Karotten als Keksersatz Die richtige Ernährung für Dialysepflichtige

Im Fokus der Ernährungsberatung bei Patientinnen und Patienten in Dialyse steht eine kalium- und phosphatarme Kost. Um die Konzentration der Elektrolyte richtig einschätzen zu können, muss man auf deren Bioverfügbarkeit in verschiedenen Nahrungsquellen achten. Wenig verarbeitete pflanzliche Lebensmittel enthalten Elektrolyte häufig in einer an Ballaststoffe gebundenen Form. Deshalb steht vom gesamten Kalium und Phosphat nur zwischen 20 % und 40 % am Wirkungsort zur Verfügung, schreiben Prof. Dr. Martin Kuhlmann, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin, und Dr. Susanne Fleig von der Uniklinik RWTH Aachen. In wenig verarbeiteten tierischen Lebensmitteln wird eine Bioverfügbarkeit von 50–60 % erreicht.
Fast zu 100 % verfügbar sind Kalium und Phosphat dagegen in Zusätzen hochverarbeiteter Lebensmittel wie Geschmacksverstärkern, Farb- und Konservierungsstoffen. Für eine wirksame Restriktion ist es deshalb wichtiger, hochverarbeitete Lebensmittel weitgehend zu vermeiden, als mit Obst und Gemüse zu sparen. Dass sich das lohnt, zeigt eine Studie mit 8.000 Dialysepflichtigen: Darin war ein höherer Anteil von Obst und Gemüse in der Nahrung mit einer niedrigeren Mortalität assoziiert.
Einweichen entzieht Kartoffeln Kalium
Allerdings eignen sich nicht alle Sorten gleichermaßen. Weniger als 75 mg Kalium pro Gramm Ballaststoffe enthalten z. B. Äpfel, Himbeeren, Auberginen, Karotten, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte. Kartoffeln kann man Kalium entziehen, indem man sie vor dem Kochen lange einweicht und das Einweichwasser verwirft. Zu warnen ist vor trockenen Gebäcken, die meist hochverarbeitet sind und entsprechend gut bioverfügbares Kalium enthalten. Schwankt der Serum-Kaliumspiegel zwischen den Dialysen stark, kann ein oraler Kaliumbinder eingesetzt werden.
Als versteckte Phosphatquelle kommen auch Medikamente in Betracht, z. B. Amlodipin oder Omeprazol. Der Phosphatgehalt unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller. Man sollte bei Dialysepflichtigen unabhängig von Rabattverträgen gezielt ein Medikament mit geringem Phosphatgehalt wählen. Bei Bedarf lässt sich mit Phosphatbindern die enterale Aufnahme minimieren.
Die Darmpassage dauert bei dialysepflichtigen Patientinnen und Patienten etwa doppelt so lange wie in der Normalbevölkerung, und mehr als die Hälfte von ihnen leidet an einer Obstipation. Durch den längeren Darmtransit entstehen mehr Urämietoxine aus dem Proteinabbau der Mikrobiota und mehr Elektrolyte werden resorbiert. Eine hohe Ballaststoffzufuhr (> 25 g/Tag) beschleunigt den Darmtransit und verkürzt die Kontaktzeit für die Kalium- und Phosphataufnahme. Zudem erhöhen Ballaststoffe das Stuhlvolumen und sorgen dafür, dass mehr Flüssigkeit auf diesem Weg ausgeschieden werden kann.
Entscheidend für den Flüssigkeitshaushalt ist die Wasseraufnahme. Die erlaubte Trinkmenge lässt sich grob errechnen, wenn man zur Restausscheidung 500 ml pro Tag addiert. Dies schließt die in Mahlzeiten enthaltene Flüssigkeit ein.
Wichtig für Patientinnen und Patienten unter Dialyse ist eine kochsalzarme Ernährung, d. h. weniger als 5 g pro Tag. Diese Maßnahme geht nachweislich mit einer Blutdrucksenkung einher. Da durch die Hämodialyse wasserlösliche Vitamine wie Folsäure, Vitamin-B-Komplex und Vitamin B12 abfiltriert werden, müssen diese substituiert werden, wenn sich ein Mangel zeigt.
Insgesamt besteht unter Dialyse ein erhöhter Bedarf an Kalorien und Proteinen. Bis zu 70 % aller Dialysepflichtigen entwickeln eine Malnutrition bedingt durch einen erhöhten Eiweißkatabolismus bei verminderten anabolen Prozessen. Wenn es gelingt, die Verarmung an Eiweiß- und Energiereserven und den daraus folgenden Verlust an Muskelmasse zu verhindern, verbessern sich die Überlebenschancen erheblich. In Verbindung mit einer regelmäßigen Ernährungsanamnese sind deshalb zumindest halbjährliche Kontrollen des Ernährungszustands mit einem validierten Score zu empfehlen sowie die longitudinale Kontrolle von Muskelmasse und Muskelkraft.
Auch enterale und parenterale Ernährung kommt in Betracht
Die KDIGO* empfiehlt Menschen, die sich in Dialyse befinden, eine Zufuhr von 1–1,2 g Protein und 25–35 kcal/kg, um eine katabole Stoffwechsellage zu verhindern oder in Anabolie zurückzuführen. Wenn sich damit keine Anabolie erreichen lässt, sollte eine enterale Ernährungstherapie erfolgen, zunächst in Form einer zusätzlichen oralen Trinknahrung, bei Bedarf auch als passagere enterale Sondenernährung. Auch eine intradialytische parenterale Ernährung kommt in Betracht, um das definierte Zielgewicht erreichen zu können.
* Kidney Disease Improving Global Outcomes
Quelle: Kuhlmann MK, Fleig S. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: 1431-1442; DOI: 10.1055/a-2199-8816