Diabetische Nephropathie: Es drohen Dialyse und kardiovaskulärer Tod
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Zu einer „diabetischen Nephropathie“ zählt man im deutschsprachigen Raum alle Formen von Nierenerkrankungen, die sich auf einen Diabetes mellitus zurückführen lassen, schreiben Hannes Alder und Patrice M. Ambühl vom Stadtspital Waid und Triemli, Zürich. Grund dafür ist, dass die mit dem Diabetes verbundene Hyperglykämie verschiedene Pathomechanismen in Bewegung setzt (s. Kasten unten). Je nach individuell unterschiedlicher Ausprägung, variieren klinische Manifestation, Therapieansprechen und Prognose von Patient zu Patient. Zudem werden die Mechanismen durch weitere Faktoren wie Bluthochdruck oder Rauchen potenziell verstärkt.
Das geht an die Nieren
- Durch den erhöhten intraglomerulären Druck mit Hyperfiltration kommt es zu einer Schädigung der Blut-Harn-Schranke. Dem kann durch eine Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron- Systems (RAAS) oder durch SGLT2-Hemmer entgegengewirkt werden. Sie dilatieren das abführende Gefäß des Glomerulus und senken den intraglomerulären Druck.
- Bei anhaltender Hyperglykämie entstehen Advanced Glycation End Products (AGE). Diese stimulieren proinflammatorische Zytokine und Wachstumsfaktoren und stören ebenfalls die Blut-Harn-Schranke, was eine Albuminurie fördert.
- Hohe intrazelluläre Glukosespiegel führen zu oxidativem Stress mit vermehrter Bildung von Sauerstoffradikalen, was durch AGE noch verstärkt wird.
Zusammengenommen führen die Vorgänge zu einer Störung der Blut-Harn-Schranke inkl. Albuminausscheidung: Entzündungsvorgänge, Tubulusschäden und Fibrose sind die Folge. Symptomatisch werden Albuminurie und Nierenfunktionseinschränkung allerdings erst bei starker Ausprägung, z.B. bei nephrotischem Syndrom, Urämie oder Komplikationen der chronischen Niereninsuffizienz.
Nicht jede Nierenerkrankung muss eine diabetische sein
Ausgehen von einer diabetischen Nephropathie kann man, wenn nach sorgfältiger Anamnese, Beurteilung des Urinsediments und Nierensonographie keine Hinweise auf eine andere Ursache der Nierenerkrankung vorliegen. Nicht jede Nierenerkrankung bei einem Diabetiker ist automatisch eine diabetische. Differenzialdiagnostisch muss auch an eine vaskuläre Genese oder an Glomerulonephritiden anderer Ätiologie gedacht werden. Die meisten Patienten mit diabetischer Nephropathie sind i.d.R. bereits seit Jahren Diabetiker, eingeschränkte Nierenfunktion und/oder Albuminurie kommen erst mit der Zeit hinzu. Das macht ein regelmäßiges Nephropathie-Screening bei diesen Patienten so wichtig, betonen die Schweizer Kollegen. Sie empfehlen bei Typ-1-Diabetes über mehr als fünf Jahre und bei einem Typ-2-Diabetes mindestens jährliche Intervalle. Dabei gilt:- Bestimmung des Albumin-Kreatinin-Quotienten im Spot-Urin (UAKQ) und der eGFR. Unter 45 ml/min/1,73m² sollte eine nephrologische Betreuung erwogen werden.
- Erhebung der Albuminurie im 24-h-Sammelurin oder Schätzung mittels UAKQ. Generell unterscheidet man zwischen Mikroalbuminurie (moderate Albuminurie) bei 30–300 mg/24 h und Makroalbuminurie (schwere Albuminurie) bei > 300 mg/24 h.
- Verkürzen der Screening-Intervalle bei auffälligen Befunden, da das kardiovaskuläre Risiko und das für eine Progression der Nephropathie mit zunehmendem Nierenfunktionsverlust und ausgeprägterer Albuminurie steigt. Metformin und die entsprechenden Lebensstilveränderungen gelten weiterhin als Standard für Typ-2-Diabetiker mit assoziierter Nephropathie.
Herzensangelegenheit Nephropathie
Patienten mit diabetischer Nephropathie haben ein deutlich erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko: Die Wahrscheinlichkeit eines kardiovaskulären Todes ist höher als die Entwicklung einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz. Daher steht bei gesicherter diabetischer Nephropathie die Behandlung der Risikofaktoren im Vordergrund:
- Lebensstil: Sport, ausgewogene Ernährung, Gewichtsreduktion bei Adipositas, Salzrestriktion
- Blutdruck: Werte unter 130/80 mmHg anstreben, bei höheren Werten vorzugsweise mit RAAS-Blockade beginnen (ACE-Hemmer oder Sartan).
- Ein Lipidsenker sollte gemäß Risikorechner evaluiert und bei einer eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 und einem Alter über 50 Jahren eingesetzt werden.
- Die Blutzuckereinstellung muss individuell erfolgen und der Nierenfunktion angepasst werden.
Metformin sollte bei abnehmender Nierenfunktion aufgrund des höheren Laktatazidoserisikos allerdings neu evaluiert und ggf. mit einem SGLT2-Inhibitor – bis zu einer eGFR von 30 ml/min/1,73 m² – ergänzt werden. Dieser reduziert vor allem bei herzinsuffizienten Patienten kardiovaskuläre Ereignisse und kann das Risiko für die Entwicklung einer Niereninsuffizienz senken bzw. deren Fortschreiten bremsen. Geht die eGFR weiter zurück, kommen GLP1-Rezeptoragonisten zum Einsatz. Als Alternativen gelten DPP4-Hemmer und Insulin.
Quelle: Alder H, Ambühl PM. Ther Umsch 2020; 77: 333-338; DOI: 10.1024/0040-5930/a001200