Nicht jede Nierenschädigung bei Diabetes ist eine diabetische Nephropathie
Über 30 % der chronischen Nierenerkrankungen sind heute auf einen Typ-2-Diabetes zurückzuführen, 3 % auf einen Typ-1-Diabetes. Nicht jede Nierenerkrankung ist aber bei Diabetespatienten automatisch durch die Stoffwechselerkrankung bedingt, wie Professor Dr. Peter Rene Mertens von der Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten am Universitätsklinikum Magdeburg anhand einiger Fälle erläuterte.
Eosinophiles chromophobes Nierenzellkarzinom
Er berichtete von einem 81-jährigen Patienten, der neben KHK, Typ-2-Diabetes, arteriellem Hochdruck und PAVK schon seit Längerem an einer chronischen Niereninsuffizienz im Stadium III bis IV litt. Jetzt stellte er sich erstmalig mit einer einmaligen deutlich sichtbaren Makrohämaturie vor. Hier ergab die weitere Diagnostik beim Nephrologen ein eosinophiles chromophobes Nierenzellkarzinom.
Es erfolgte eine rechtsseitige radikale Nephrektomie, die an der Nierenfunktion erstmal nicht viel änderte. Diese Patienten mit Einzelniere und chronischer Niereninsuffizienz müssen unbedingt von nephrologischen Zentren weiterbetreut werden, betonte der Nephrologe. Insbesondere bei der Korrektur des Säure-Basen-Haushalts, der Senkung des Phosphatspiegels und der Korrektur von Eisenmangel und sekundärem Hyperparathyreoidismus stoßen Hausärzte und Diabetologen leicht an ihre Grenzen.
Akute Verschlechterung kann multifaktoriell sein
Bei einer 66-jährigen Patientin, die seit 11 Jahren an einem Typ-2-Diabetes litt, kam es seit einiger Zeit zu einem schleichenden Verlust der Nierenfunktion. Vor zwei Jahren war im Rahmen eines Infekts eine Mikrohämaturie diagnostiziert worden. Seit etwa acht Wochen hatte sie einen schäumenden Urin bemerkt und es wurde nun eine ausgeprägte Proteinurie ohne nephritisches Sediment festgestellt.
Auch diese Konstellation mit rascher Entwicklung der Proteinurie sollte stutzig machen. Die Nierenbiopsie ergab hier eine IgA-Nephropathie ohne begleitende Diabetes-Pathologie. In diesem Fall ist eine Steroid-Therapie indiziert, wobei enteral wirksames Budesonid aufgrund der geringeren Beeinflussung des Glukosestoffwechsels eine Alternative sein kann.
Bei einem 58-Jährigen mit langjährigem Hypertonus und seit vier Jahren bestehendem Typ-2-Diabetes fiel ebenfalls eine ausgeprägte Proteinurie bei einem nephritischen Sediment auf. Die Biopsie zeigte zwar typische Anzeichen einer diabetischen Nephropathie – gleichzeitig lag aber auch eine mesangioproliferative Glomerulonephritis vom Typ der IgA-Nephritis vor.
Der Fall verdeutliche zum einen, dass eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion bei Patienten mit Diabetes auch multifaktoriell sein kann, zum anderen, dass bereits nach vierjähriger Diabetesdauer typische Veränderungen einer diabetischen Nephropathie vorliegen können, erklärte Prof. Mertens. Ein wichtiger differenzialdiagnostischer Hinweis war in diesem Fall das nephritische Sediment.
Der Nephrologe empfahl, alle Patienten, bei denen der Schädigungsmechanismus der Niere unklar ist, umgehend zum Nephrologen zu überweisen. Auch bei fortschreitender diabetischer Nephropathie sollte rechtzeitig ein Nephrologe hinzugezogen werden – nicht erst, wenn eine Nierenersatztherapie ansteht.
Kongressbericht: Diabetes Herbsttagung 2019