Wissenschaftlich gesehen unverzichtbar
Doch mit dieser Haltung wollen sich viele Nephrolog*innen nicht mehr zufriedengeben. Sie plädieren für den
UACR-Test zur Diagnostik einer Mikroalbuminurie. So erklärt Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik an der Uniklinik Würzburg: „Mit Albumin und Kreatinin werden zwei normierte Parameter bestimmt und zueinander in Bezug gesetzt. Der UACR-Test ist zurzeit die
quantitativ und qualitativ beste Methode. Aus wissenschaftlicher Sicht muss ich darauf bestehen, dass zur Bestimmung einer Albuminurie grundsätzlich ein UACR-Test verwendet wird.“
In internationalen Diabetesstudien werde aus gutem Grund seit vielen Jahren nur noch das Albumin-zu-Kreatinin-Verhältnis als Parameter für die Albuminurie herangezogen. Allerdings beobachte Prof. Wanner hierzulande starke „Beharrungskräfte“ zugunsten der Urinstreifen.
So spiegele sich die methodische Überlegenheit des UACR-Tests weder in der Nationalen VersorgungsLeitlinie zum Typ-2-Diabetes noch in der entsprechenden Leitlinie der DEGAM wider: „Ich unterstütze diese Leitlinien zwar inhaltlich, doch leider legen sie sich bei der Albuminuriediagnostik nicht auf das Verfahren fest“, bedauert Prof. Wanner. Zwar sei es prinzipiell nicht unmöglich, auch mit gängigen Urinteststreifen eine Mikroalbuminurie zu erkennen. „Doch in Deutschland werden Teststreifen von 20 verschiedenen Herstellern verwendet, die sich in den Anforderungen an Lagerung und Handling zum Teil stark unterscheiden.
Die Anwendung ist das Problem“, betont Prof. Wanner. „Das klappt nur, wenn die Prozesse in der niedergelassenen Praxis klar definiert und erfahrene medizinische Fachangestellte damit betraut sind.“
Bei den Kosten handelt es sich letztlich um Cent-Beträge
Für Dr. Cornelia Woitek, die in einer Diabetologischen Schwerpunktpraxis in Wurzen arbeitet, gibt es noch einen weiteren Punkt, der für die Nutzung von UACR-Labortests und gegen den Einsatz konventioneller Urinteststreifen spricht: „Es ist für Patientinnen und Patienten ebenso wie für die medizinischen Fachangestellten unangenehm, in der Praxis mit den Urinbechern zu hantieren. Wenn Betroffene ihre
Urinröhrchen mit Spontanurin von zu Hause mitbringen, hat das Praxispersonal damit selbst nichts mehr zu tun. Das ist auch aus hygienischer Sicht ein Vorteil.“ Das Argument, UACR-Tests belasteten unnötig das Laborbudget, mag sie nicht gelten lassen: „Sie sind zwar doppelt so teuer wie Urinstreifentests, doch es handelt sich immer noch um Cent-Beträge. Da sollten und könnten wir uns alle umstellen“, meint Dr. Woitek.
Prof. Wanner und Dr. Woitek plädieren beide dafür, dass Risikobetroffene – also vor allem Menschen mit Diabetes, Hypertonie und kardiovaskulären Erkrankungen –
mindestens einmal jährlich per UACR-Test auf Albuminurie untersucht werden. Dr. Woitek, die sich auch im DDG Ausschuss Qualitätssicherung, Schulung und Weiterbildung engagiert, hofft auf die
Neuauflage der Qualitätsrichtlinien für diabetologische Praxen. „Wir wollen Hausärzte und Diabetologen dafür sensibilisieren, dass es mit dem UACR-Test eine bessere Methode als Urinteststreifen gibt.“ So soll z.B. in den Hinweisen zum Ausfüllen des Gesundheitspasses Diabetes ab der nächsten Auflage der UACR-Test als empfohlene Methode aufgeführt werden. „Ich sehe – außer der Macht der Gewohnheit –
keine Argumente gegen den UACR-Test als Standardmethode“, erklärt Dr. Woitek.
Gefahr von Nierenschäden weiterhin unterschätzt
Unabhängig von der Untersuchungsmethode ist es ihr ein großes Anliegen, dass Personen mit Albuminurie möglichst frühzeitig an nephrologische Praxen überwiesen werden: „Bei einer
Nephropathie passiert jahrzehntelang nichts, sie ist eine stille Erkrankung – anders als Herzinfarkt oder
Schlaganfall, die mit ihrer Dramatik unmissverständlich Aufmerksamkeit und sofortiges Handeln einfordern“, meint Dr. Woitek.
Auch Prof. Wanner bemängelt, dass die
Gefahr von Nierenschäden oft unterschätzt wird. „Ich fürchte, das ist der überholten Trennung in Primär- und Sekundärprävention geschuldet. Sie hat zu einer starken Fokussierung auf Lifestyle-Interventionen zu Beginn der Erkrankung geführt – zulasten weiterer Diagnostik.“