Nierenschäden über Blut und Urin richtig diagnostizieren
Viele Nierenerkrankungen verursachen lange keine Symptome und die Gefahr ist groß, dass sich daraus über kurz oder lang eine chronische Insuffizenz entwickelt. Schon mit recht einfachen Urinuntersuchungen lassen sich aber konkrete Hinweise finden, wie die Leitlinienautoren um Professor Dr. Helga Frank, Sektion Nephrologie und Dialyse am ANregiomed Klinikum Ansbach ausführen.
Idealerweise wird frisch gelassener zweiter Morgenurin (Mittelstrahl) verwendet. Prinzipiell ist es auch möglich, Urin von jeder Tageszeit heranzuziehen. Fahndet man allerdings nach Proteinen, sollte die Harnprobe vom Vormittag (6:00 bis 10:00) stammen. Denn im Verlauf des Tages kann die Eiweißausscheidung durch Anstrengung, Stress oder Orthostase funktionell erhöht sein und einen hohen Wert vortäuschen.
Beim Harnstatus weist eine helle Trübung des frischen (!) Tagesurins auf Leukozyten, Hefen, Spermatozyten oder Zystinkristalle hin. Rotbraune Verfärbungen sind verdächtig auf Erythrozyten, milchige Fetttröpfchen zeigen eine Chylurie an. Nach dem Stehenlassen in der Kälte trüben Phosphate, Carbonate, Urate oder Harnsäure den Urin hell. Wolkige Trübungen am Boden des in der Wärme stehen gelassenen Röhrchens sprechen für Bakterien. Zu den unverzichtbaren Basisinstrumenten gehört zudem der Urinstreifentest. Je nach Ergebnis schließen sich weitere Untersuchungen an.
Leukozyturie
Im Falle positiver Leukozyten hilft das Harnsediment (s. Kasten) weiter. Hierbei ist vor allem auf Leukozytenzylinder, Bakterien und Nierenepithelien zu achten. Wird die Leukozyturie von einer Bakteriurie begleitet, spricht dies für einen unteren Harnwegsinfekt. Finden sich Leukozytenzylinder im Sediment und/oder α1-Mikroglobuline im Urin, deutet das auf eine renale Leukozyturie hin (z.B. bei akuter Pyelonephritis). Fieber, Flankenschmerz und erhöhte Entzündungswerte gegeben Alarm in Richtung drohender Urosepsis.
Das Harnsediment
Hämaturie
Patienten mit direkt sichtbarer Makrohämaturie sollte man gleich zum Urologen überweisen. Ist hingegen der Teststreifen auf Blut positiv oder wird von rotem oder braunem Urin berichtet, kommt die Harnsedimentuntersuchung zum Einsatz.- Lassen sich keine Erythrozyten nachweisen, sind extrarenale Ursachen zu suchen (Hämoglobinurie, Myoglobinurie).
- Finden sich keine Erythrozytenzylinder, weniger als 10 % Akanthozyten und nur bis zu 10 Erythrozyten/Gesichtsfeld, kann man von einer postrenalen Hämaturie ausgehen. Hier steht die Uroskopie bzw. die gynäkologische Abklärung an.
- Eine renale Hämaturie zeigt sich durch das typische Sediment (> 10 % Akanthozyten, > 10 Erys pro Gesichtsfeld, Erythrozytenzylinder) oder durch die Urinproteindifferenzierung. Hier ist der Facharzt mit weitergehender Diagnostik gefragt, die u.U. bis zur Nierenbiopsie reichen kann.
Proteinurie
Der renale Eiweißverlust gilt als Kardinalsymptom von Nierenerkrankungen und erlaubt im Verlauf Aussagen über die Prognose. Der qualitative Nachweis erfolgt zunächst mithilfe des Urinteststreifens. Wichtig zu wissen: Bei einer Nachweisgrenze von 20–200 mg Protein/g Kreatinin liefert der Streifen unzuverlässige Ergebnisse. Für die Fragestellung Mikroalbuminurie eignen sich deshalb andere Testverfahren, z. B. der Micraltest, besser. Zur Quantifizierung eignet sich der Protein-Kreatinin-Index (Protein in mg oder g pro g Kreatinin) aus dem zweiten Morgenurin. Er korreliert sehr gut mit der Gesamteiweißausscheidung über 24 Stunden und ist praktikabler und zuverlässiger als die Messung im Sammelurin. Achtung, der Protein-Kreatinin-Index wird durch Medikamente beeinflusst, die Beurteilung ergibt nur in Kenntnis der Begleitmedikation Sinn. Eine Proteinurie gilt als bestätigt, wenn sie sich in drei Harnproben an drei verschiedenen Tagen nachweisen lässt. Danach werden die Leitproteine im Urin differenziert (s. Tabelle). Liegen die Konzentrationen für Gesamteiweiß, IgG, Albumin und α1-Mikroglobulin im Referenzbereich, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Nierenerkrankung als Ursache ausgeschlossen werden. Pathologische Befunde machen eine weitere fachärztliche Diagnostik erforderlich.Leitproteine im Urin und ihre Bedeutung | |||
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Leitprotein | Mol.-Gewicht [kDa] | Diagnostische Bedeutung | Ursache |
α1-Mikroglobulin | 33 | tubuläre Proteinurie | eingeschränkte tubuläre Reabsorption, tubulointerstitielle Schädigungen (Nephritis, Nephropathie) |
Albumin Transferrin | 67 76 | selektive oder unselektive (+ IgG) glomeruläre Proteinurie | erhöhter glomerulärer Filtrationsdruck, glom. Hyperfiltration, Glomerulopathie |
Immunglobulin G | 150 | unselektive glomeruläre Proteinurie | Filtrationsdefekt; IgG/ Albumin-Quotient > 0,03, Glomerulopathie |
α2-Makroglobulin | 725 | postrenale Proteinurie | Blutung/Exsudation; α2-Makroglobulin/ Albumin-Quotient > 0,02 |
- Erstvorstellung in der Praxis, wenn es um den Ausschluss einer Grunderkrankung geht
- Patienten, die stationär aufgenommen werden
- Patienten mit Diabetes, Hypertonie, chronischen Herz-, Lungen- und Lebererkrankungen oder Erkrankungen des blutbildenden Systems in der Verlaufskontrolle
Blutwerte und ihre Bedeutung | |
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Kreatinin |
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Cystatin C |
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Harnstoff |
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Na, K, Ca |
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Magnesium |
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Chlorid |
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Phosphat |
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* Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration
Quelle: Frank H et al. Interdisziplinäre S2k-Leitlinie „Rationelle Labordiagnostik zur Abklärung Akuter Nierenschädigungen und progredienter Nierenerkrankungen 2021“; AWMF-Register-Nr. 115/001; www.awmf.org