Demenz und Fahrtauglichkeit Abschied vom Vehikel?

DGIM 2023 Autor: Joachim Retzbach

Die Frage nach der Fahrtauglichkeit ist für viele ältere Patienten ein rotes Tuch. Die Frage nach der Fahrtauglichkeit ist für viele ältere Patienten ein rotes Tuch. © toa555 – stock.adobe.com

Der Führerschein bedeutet für viele ältere Patienten Lebensqualität und Autonomie – verständlich, dass sie ihn nur ungern abgeben. Eine Expertin erklärt, wie man beim Thema Fahrtauglichkeit mit Demenzerkrankungen vorgeht.

Immer wieder kleine Blessuren am Fahrzeug oder häufige Rempler beim Einparken? Ein älterer Autofahrer, bei dem diese Warnsymptome auffallen, gehört zur Begutachtung in die Arztpraxis, sagte Dr. ­Irmgard Landgraf­ von der Hausarzt­praxis am Botanischen Garten Berlin. Denn solche Probleme können auf eine beginnende Demenz hindeuten, die stets eine individuelle Bewertung der Fahreignung erfordert. Weitere Red Flags sind etwa das Fahren mit unangebrachter Geschwindigkeit, eine langsame Reaktionsgeschwindigkeit sowie Beinahe-Unfälle. Häufig fühlen sich die Beifahrer unsicher und möchten nicht mehr mit im Fahrzeug sitzen.

Die Frage nach der Fahrtauglichkeit ist allerdings für viele ältere Patienten ein rotes Tuch. Vor allem auf dem Land bedeutet der Verlust des Führerscheins eine massive Einschränkung der Mobilität; persönliche Autonomie und soziale Teilhabe stehen auf dem Spiel. Eigenständige Einkäufe oder Arztbesuche sind plötzlich nicht mehr möglich. „Aber ich kann doch noch besser Auto ­fahren als laufen!“, bekommt Dr. Landgraf oft zu hören.

Dass im Alter das Kurzzeitgedächtnis nachlässt, die Reaktionen langsamer werden und Multitasking zunehmend schwerfällt, ist normal. Bei einer benignen Altersvergesslichkeit ist die Alltagskompetenz dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt­. Auf eine Demenz dagegen deuten Probleme mit der räumlichen oder zeitlichen Orientierung hin, Sprach- und Schreibschwächen oder Wesensveränderungen.

Am wichtigsten für die Fahreignung ist die Feststellung des Schweregrads einer Demenz. Im leichten Stadium ist sicheres Fahren oft noch möglich. Die Fahrtauglichkeit gehe allerdings oft schneller verloren als die Erkrankung voranschreitet, so Dr. Landgraf. Die Betroffenen selbst bemerken das gar nicht. Ab dem mittleren Stadium ist die Fahrsicherheit nicht mehr gewährleistet. Sind Betroffene aus ärztlicher Sicht ein Sicherheitsrisiko, zeigen sich aber nicht einsichtig – etwa bei fortgeschrittener Demenz –, kommt als Ultima Ratio ein Bruch der Schweigepflicht in Betracht. Eine anonyme Anzeige helfe nicht weiter, da diese nicht verfolgt werden dürfe, erklärte Dr. Landgraf. Stattdessen müsse man die Straßenverkehrsbehörde informieren, um den Patienten und andere vor Schäden zu schützen. Vorher sollte man unbedingt die Diagnose Demenz gesichert haben, es müssen Aufklärungsgespräche vor Zeugen stattgefunden haben, und dem Patienten sollte eine Frist gesetzt worden sein, bis wann er das Fahren freiwillig einstellen soll. Zur juristischen Absicherung muss all das sorgfältig dokumentiert werden.

Am besten sei es, das Thema bei älteren Patienten schon frühzeitig immer wieder mal anzusprechen, rät Dr. Landgraf. Häufig gibt es auch Konflikte mit den Angehörigen zu diesem Thema. Daher sollten diese möglichst in die Beratungsgespräche einbezogen werden. Gemeinsam mit den Patienten gilt es, nach Alternativen zu suchen: Können Lebensmittel vielleicht auch geliefert werden? Neben Neurologen und Psychiatern spielen Demenz-Beratungsstellen eine wichtige Rolle bei der Betreuung der Patienten: Die Beratungsstellen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft etwa nennen Adressen für die Durchführung einer Fahrtauglichkeitsprüfung in Wohnortnähe. Viele Fahrschulen bieten zudem Check-ups und Fahrsicherheitstrainings an, die nach Dr. Landgrafs Erfahrung von Senioren gerne angenommen werden.

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Fahrtauglichkeit bei Demenz | Dr. Irmgard Landgraf