Pankreaskarzinom Anspruchsvolle Operationen und interdisziplinäre Behandlungen sollten in Zentren erfolgen
Man gehe davon aus, dass das duktale Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) 2030 die zweithäufigste und 2040 die häufigste krebsbedingte Todesursache darstellen werde, erklärte Prof. Dr. Jens Werner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Die Inzidenz des Tumors steigt, ohne dass die Gründe dafür gänzlich bekannt sind. Neben dem zunehmenden Alter der Bevölkerung werden Lebensstilfaktoren wie Übergewicht und Rauchen, zudem Diabetes und chronische Pankreatiden diskutiert. „Die Bedeutung des Pankreaskarzinoms nimmt insgesamt deutlich zu“, konstatierte Prof. Werner.
„Komplexe Leistungen müssen zentralisiert werden“
Dass die Mortalität dieser Tumorart so hoch ist, sei verschiedenen Ursachen geschuldet: Die aggressive Tumorbiologie, die meist späte Diagnose, die Nähe zu und damit zeitige Infiltration lebenswichtiger Organe und Gefäße, die komplexe Operation und der Mangel an Systemtherapien abseits der Chemo. Der Referent betonte aber, dass sich in den letzten Jahren das Überleben in allen Krankheitsstadien verdoppelt habe. Dafür besonders wichtig: Die interdisziplinäre Therapie an Pankreaszentren mit modernen multimodalen Behandlungskonzepten.
Voraussetzung für eine potenzielle Heilung des Pankreaskarzinoms ist die chirurgische kurative Resektion. Wie wichtig die Zentralisierung ist, verdeutlichen die Zahlen zur Sterblichkeit rund um die Operation eines PDAC. Während diese im Durchschnitt bei „erschreckenden“ 10 % liege, so Prof. Werner, betrage sie 2–4 % in Pankreaszentren, die mehr als 50 Eingriffe im Jahr durchführen. An solchen High-Volume-Zentren seien die Operationen nicht nur sicherer, sondern durch die Implementierung moderner OP-Techniken auch onkologisch besser geworden. Das Mehr an Expertise erstrecke sich auf das gesamte interdisziplinäre Zusammenspiel, die intensivmedizinische Betreuung, auf die Durchführung moderner Systemtherapien und die Möglichkeit der molekularen Analyse des Tumors.
„Die meisten Betroffenen erhalten die Diagnose in fortgeschrittenen Stadien“, erinnerte der Experte. Bei primär nicht-resektablen Tumoren könnten die heutigen systemischen Kombinationstherapien die Operationsmöglichkeiten und Prognose verbessern.1 Sowohl bei den grenzwertig resektablen als auch den lokal fortgeschrittenen, primär irresektablen PDAC erfolgt vor der OP eine neoadjuvante Therapie.
Ein Drittel der Tumoren nach Neoadjuvanz resektabel
Bei Ersteren führte eine neoadjuvante Chemotherapie mit entweder Gemcitabin plus Capecitabin oder FOLFIRINOX zu einem signifikanten Überlebensvorteil im Vergleich zur sofortigen OP.2 Bei lokal fortgeschrittenen PDAC konnten etwa ein Drittel der primär nicht- resektablen Tumoren nach einer intensivierten Kombinationschemotherapie sekundär reseziert werden.3 Für diese Art der Therapie stünden mit nab-Paclitaxel plus Gemcitabin und mFOLFIRINOX aktuell zwei als gleichwertig zu betrachtende Konversionschemotherapieregime zur Verfügung.
Bisher kaum präzisions-onkologische Ansätze
Etwa die Hälfte der PDAC werden im metastasierten Stadium diagnostiziert. Hier spielt die operative Behandlung nur in ausgewählten Fällen eine Rolle. Palliative Chemotherapien können heute das Überleben bei guter Lebensqualität verlängern. „Um eine gute Lebensqualität unter Chemotherapie zu erreichen, ist die individuelle Anpassung der Therapie durch einen erfahrenen Onkologen erforderlich“, ergänzte der Referent.
Von zielgerichteten Substanzen oder einer Immuntherapie profitierten Betroffene mit PDAC kaum. Kleine Subgruppen können jeweils nach molekularer Testung mit dem PARP-Inhibitor Olaparib, mit einem NTRK-Inhibitor oder einem Checkpoint-Inhibitor behandelt werden. „In bestimmten Subgruppen kann eine erweiterte molekulare Diagnostik im molekularen Tumorboard an einem Zentrum sinnvoll sein,“ betonte Prof. Werner schließlich. Insbesondere jüngere Patientinnen und Patienten sollten früh molekular getestet werden.
Quellen:
1. Sprinfeld C et al. Nat Rev Clin Oncol 2023; 20: 318-337
2. Ghaneh P et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2023; 8: 157-168
3. Kunzmann V et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2021; 6: 128-138