Vorhofflimmern mit Begleiterkrankungen Behandeln unter erschwerten Bedingungen
Weltweit sind derzeit etwa 59,7 Millionen Menschen von Vorhofflimmern (VHF) betroffen. Experten gehen davon aus, dass die Prävalenz der Herzrhythmusstörung bis zum Jahr 2050 noch deutlich ansteigen wird. Herz-Kreislauf-Störungen und nicht-kardiovaskuläre Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes und Nierenfunktionsstörungen nehmen ebenfalls zu. Mehr als die Hälfte der über 60-Jährigen sind multimorbid – Tendenz steigend. Die Zahlen sprechen für sich: Ärzte haben es im klinischen Alltag mit immer mehr multimorbiden VHF-Patienten zu tun.
Multimorbidität bei VHF ist eine Herausforderung für die gängigen Methoden der Diagnostik und Behandlung sowie für die patientenzentrierte Betreuung, schreiben Dr. Michelle Lobeek von der Universitätsklinik Groningen und Kollegen. Zwar betont die ESC*-Leitlinie zum VHF-Management aus dem Jahr 2020 die Bedeutung der Komorbiditäten in diesem Kontext, merkt das Autorenteam an. In der Praxis werde der Diagnostik und der adäquaten Behandlung von Begleiterkrankungen aber noch immer zu wenig Beachtung geschenkt.
Therapeutisch von Belang ist auch eine möglicherweise erhöhte allgemeine Anfälligkeit des Patienten gegenüber exogenen Stressfaktoren. Dieses als Frailty oder Gebrechlichkeit bezeichnete geriatrische Syndrom ist insbesondere bei Menschen ab dem 70. Lebensjahr zu finden. Es entsteht durch das Zusammenspiel physiologischer Alterungsprozesse und ist durch den altersassoziierten Abbau der mentalen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten gekennzeichnet.
Die leitliniengerechte Therapie der verschiedenen Erkrankungen kann zu Polypharmazie und Arzneimittelwechselwirkungen führen. So ist es beispielsweise möglich, dass Salbutamol, zur Behandlung bei COPD eingesetzt, die Herzfrequenz und damit auch den Erfolg der VHF-Therapie beeinflusst. Polypharmazie kann sich auch ungünstig auf die Therapietreue auswirken.
Multimorbide Patienten werden von vielen Untersuchungen von vornherein ausgeschlossen. Daher ist es oft kaum möglich, Studienergebnisse ohne Weiteres auf die Therapieentscheidungen für diese Patienten zu übertragen. Die Datenlage zur medikamentösen VHF-Therapie von multimorbiden oder gebrechlichen Patienten ist entsprechend dünn.
Ein weiteres Problem sehen die niederländischen Kollegen darin, dass keine patientenorientierte integrative Versorgung vorhanden ist. Derzeit suchen die Patienten in der Regel die verschiedenen Fachärzte wie Kardiologen, Nephrologen oder Diabetologen separat auf, die verschiedenen Therapien werden oft kaum aufeinander abgestimmt. Integrative Versorgungsstrategien dürften nach Ansicht der Autoren die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
* European Society of Cardiology
Quelle: Lobeek M et al. Open Heart 2024; 11:e002641; DOI: 10.1136/openhrt-2024-002641