Finger-EKG entlarvt Herzrhythmusstörung bei Hochrisikopatienten besser als Holter
Das Daumen-EKG leitet die elektrische Aktivität des Herzmuskels ab, indem ein Patient zwei Sensorelektroden 30 Sekunden lang mit den Daumen berührt. Ein Vorhofflimmern (VHF) lässt sich mit dieser Methode mit guter Sensitivität und Spezifität (96 % respektive 92 %) entdecken. Die Aufzeichung wird per integrierter SIM-Karte an eine zentrale Datenbank weitergeleitet und automatisch ausgewertet. Ob das Daumen-EKG als Screeningstrategie mit dem Goldstandard 24-Stunden-EKG mithalten kann und welche therapeutischen Konsequenzen daraus folgen, hat der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen in der B-SAFE-Studie prüfen lassen. Privatdozent Dr. Ralph Bosch vom Cardio Centrum Ludwigsburg-Bietigheim stellte die Resultate vor.
In nur 1,5 Jahren ist es den 52 teilnehmenden Zentren gelungen, 1500 behandelte Hypertoniker über 70 Jahre zu rekrutieren, die wegen peripherer Verschlusskrankheit, Diabetes oder linksventrikulärer Hypertrophie als besonders flimmergefährdet anzusehen waren. Das mittlere Alter lag bei etwa 77 Jahren, der CHA2DS2-VASc-Score erreichte im Schnitt 4,3 Punkte. Es handelte sich also um ein Hochrisikokollektiv.
Die Teilnehmer sollten zwei Wochen lang mindestens zweimal am Tag zu willkürlich gewählten Zeitpunkten ein Daumen-EKG ableiten sowie immer dann, wenn sie Vorhofflimmer-typische Symptome spürten. Außerdem erhielt jeder Patient ein 24-Stunden-Holter-EKG. Dann schloss sich eine zwölfmonatige Beobachtungsphase an.
Vier von fünf Patienten erhielten eine Antikoagulation
Das Holter-EKG detektierte bei 2,2 % der Patienten Vorhofflimmern, das Daumen-EKG bei 4,0 % – also fast doppelt so häufig (Odds Ratio 1,85). Bei ca. 1,1 % des Gesamtkollektivs erfassten beide Untersuchungsmethoden die Rhythmusstörung. Alles in allem erhielten 78 % der VHF-Patienten anschließend eine orale Antikoagulation.
Bemerkenswert: Betroffene, deren VHF per Daumen-EKG entdeckt worden war, wurden im Beobachtungsjahr zu über 90 % antikoaguliert. Nur im Holter aufgefallene Patienten dagegen nicht einmal zu 40 %. Woran liegt das? Eine Erklärung könnte sein, dass Ärzte ein höheres Vertrauen in die Diagnose hatten, wenn sie die Arrhythmie in mehreren Daumen-EKGs entdeckten, als nur eine kurze Episode im Langzeit-EKG, antwortete Dr. Bosch gegenüber Medical Tribune.
Die Akzeptanz für das Daumen-Device war sehr hoch. In 14 Tagen Screening wären bei optimaler Adhärenz mindestens 28 EKG-Aufzeichnungen pro Teilnehmer zu erwarten gewesen. 94 % der Patienten kamen auf mindestens 25, wobei Männer sich ausnahmsweise etwas adhärenter zeigten als Frauen.
Die Rate an neu entdecktem Vorhofflimmern von insgesamt rund 5 % zeigt, dass es sich tatsächlich um eine Hochrisikogruppe handelte, kommentierte Professor Dr. Roland Tilz, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. Die Apple Heart Study, in der sich Zufallsprobanden einem Screening mittels Smartwatch unterzogen hatten, ergab zum Vergleich eine Detektionsrate von nur 0,1 %.
Das opportunistische Daumen-Screening ist dem Holter offenbar deutlich überlegen. In der vorgestellten Studie ließ sich die Flimmerlast damit aber ebenso wenig klären wie die Frage, ob es sich um paroxysmales oder persistierendes VHF handelte. Offen bleibt zudem, welche Symptome die Rhythmusstörung verursachte oder wie sie behandelt wurde. Auch der potenzielle klinische Benefit muss sich erst noch zeigen.
Quelle: 87. Jahrestagung der DGK (Online-Veranstaltung)