Kardiomyopathien Hasten und Holpern schwächen das Herz
Als Tachykardiomyopathie (TMP) bezeichnete man früher nur die Kardiomyopathie aufgrund von tachykardem Vorhofflimmern. Inzwischen umfasst die Definition alle Arrhythmien, die mit einem anhaltenden schnellen und/oder unregelmäßigen Herzschlag einhergehen, schreiben Prof. Dr. Peter Seizer, Ostalb-Klinikum Aalen, und Prof. Dr. Michael Gramlich von der RWTH Uniklinik Aachen. Neben Vorhofflimmern/-flattern (AF-TMP) fallen darunter vor allem die durch ventrikuläre Extrasystolen induzierte TMP (VES-TMP) und in sehr seltenen Fällen die permanente junktionale Reentry-Tachykardie. Alle anderen tachykarden Rhythmusstörungen treten eher paroxysmal auf, was für die Ausbildung einer Kardiomyopathie in der Regel nicht ausreicht.
Rhythmusstörung triggert und verstärkt Herzinsuffizienz
Man unterscheidet zwei Arten der TMP: Während bei der klassischen Form die Herzinsuffizienz durch die Rhythmusstörung ausgelöst wird, verstärkt letztere bei der gemischten TMP-Form eine bereits bestehende Herzschwäche. Zu bedenken ist, dass eine Herzinsuffizienz mit einem deutlich erhöhten Risiko für Vorhofflimmern einhergeht – je höher das NYHA*-Stadium desto häufiger die Koinzidenz.
Ab welcher Herzfrequenz eine Tachykardiomyopathie droht, ist nicht genau bekannt. Zahlreiche Faktoren spielen eine Rolle, darunter Art und Dauer der Arrhythmie, Patientenalter, Komorbiditäten und genetische Disposition. Eine Herzfrequenz < 110/min erscheint hinsichtlich der linksventrikulären Funktion unproblematisch. Bei einer dauerhaften Frequenz ≥ 100/min sollte jedoch abhängig von der Gesamtkonstellation des Patienten an die Möglichkeit einer TPM gedacht werden.
Auch häufige ventrikuläre Extrasystolen (VES) können eine Herzinsuffizienz verursachen oder verstärken. Ab einem VES-Anteil von > 10 % liegt der Verdacht auf eine TMP nahe. Als prognostisch ungünstig gelten eine VES-Last über 20 % und ventrikuläre Tachykardien.
Patienten mit TMP zeigen typischerweise die klassischen Symptome einer Herzinsuffizienz – in Extremfällen präsentieren sie sich im kardiogenen Schock. Leitsymptom ist tachykardes Vorhofflimmern oder -flattern. Diagnostisch nicht leicht zu klären ist die Frage, was zuerst da war: Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörung. Zum Teil lässt sich eine TMP erst retrospektiv bestätigen, wenn sich die linksventrikuläre Funktion nach Rhythmisierung wieder deutlich bessert.
Zur kardiologischen Basisdiagnostik gehört neben Labor (Blutbild, Troponin, NT-ProBNP, Elektrolyte, CRP, TSH) und EKG auch eine Echokardiografie. Diese offenbart meist eine global eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, wobei die Dilatation des linken Ventrikels nicht so ausgeprägt ist wie bei der dilatativen Kardiomyopathie. Besteht darüber hinaus eine medikamentös refraktäre Angina pectoris, sollte zusätzlich eine Koronarangiografie zum Ausschluss einer KHK erfolgen.
Liegt keine relevante KHK vor, wird zur weiteren Abklärung ein kardiales MRT empfohlen, mit dem sich die Diagnose einer nicht-ischämischen Kardiomyopathie ohne größere Narbenbildung bestätigen lässt.
Biopsie bei Verdacht auf inflammatorische Ursache
Bei einem Anteil des ventrikulären Narbengewebes < 10 %, haben Betroffene sehr gute Chancen auf eine Normalisierung der LV-Funktion nach Rhythmisierung. Eine Myokardbiopsie kann ggf. bei der Abgrenzung zu einer inflammatorischen Kardiomyopathie helfen.
Therapeutisch steht bei TMP-Verdacht die sofortige Wiederherstellung eines stabilen Sinusrhythmus bzw. eine ausreichende Frequenzkontrolle mit Werten zwischen 60 und 110/min im Vordergrund. Primär werden zur Frequenzkontrolle Betablocker eingesetzt – alternativ Digitalispräparate oder Amiodaron. Lässt sich eine Rhythmuskontrolle auf diese Weise nicht erreichen, besteht die Indikation zur elektrischen Kardioversion – ggf. mit begleitender Amiodarontherapie.
Nach Wiederherstellen des Sinusrhythmus ist eine Herzinsuffizienztherapie mit Betablockern, ACE-Hemmern (oder ARNI**) und Aldosteronantagonisten angezeigt. Studiendaten für ihren Einsatz bei TMP gibt es allerdings kaum. Im Anschluss geht es um die dauerhafte Rhythmisierung. Bei Vorhofflimmern wird an erster Stelle eine Ablationstherapie mit Pulmonalvenenisolation empfohlen. Auch häufige Extrasystolen lassen sich auf diese Weise häufig gut in den Griff bekommen.
Nach erfolgreicher Rhythmisierung muss beobachtet werden, ob der Sinusrhythmus dauerhaft stabil bleibt und sich die linksventrikuläre Funktion wieder erholt. Dazu sollten regelmäßige Langzeit-EKG-Kontrollen (z.B. nach drei, sechs und zwölf Monaten) erfolgen. Erholt sich die Ejektionsfraktion nicht ausreichend, kann man den Betroffenen unter Umständen eine tragbare Defibrillatorweste anbieten.
* New York Heart Association
** Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor
Quelle: Seizer P, Gramlich M. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 44-54; DOI: 10.1055/a-1932-8085