Bei Frauen steigt der Blutdruck deutlich früher und steiler an als bei Männern
Frauen sind durch ihre Hormone längere Zeit besser vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt als Männer, so die bisherige Annahme. Doch dieses Paradigma löst sich langsam auf.
Schon seit einiger Zeit dokumentieren epidemiologische Daten, dass kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen durchaus häufig sind, wenngleich sich die Pathophysiologie von der bei Männern unterscheidet. So findet man beim weiblichen Geschlecht vor allem bei begleitender Hypertonie gehäuft mikrovaskuläre Störungen der Koronarien und eine diastolische Herzinsuffizienz.
Diskrepanzen bereits in den Dreißigern erkennbar
Den Verdacht, dass es in der Gefäßpathologie zwischen beiden Geschlechtern weit mehr Unterschiede gibt als die mögliche Beeinflussung durch Hormone, unterstützen nun auch Befunde einer Longitudinalstudie zum Blutdruckverlauf im Laufe des Lebens. In ihrer aktuellen Studie analysierten Kardiologen die Daten aus vier Kohortenstudien mit 32 833 Teilnehmern, für die die Blutdruckwerte über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten vorlagen.
Die geschlechterspezifische Auswertung ergab bei Frauen einen signifikant steileren RR-Anstieg, der zusätzlich schon in der dritten Lebensdekade und damit früher als bei Männern begann. Auch nach Adjustierung auf verschiedene kardiovaskuläre Risikofaktoren blieben die Geschlechterunterschiede hinsichtlich des Langzeitverlaufs sowohl beim systolischen als auch beim diastolischen Blutdruck mit statistischer Signifikanz erhalten.
Hormone haben sicher einen Einfluss auf das Blutdruckverhalten, diskutieren die Autoren. Doch spielen sehr wahrscheinlich auch andere Faktoren wie Genetik und Epigenetik sowie soziale und ökonomische Faktoren eine Rolle für die Gefäßbiologie. Auch die Tatsache, dass Frauen nicht nur im Durchschnitt kleinere Körper, sondern auch kleinere Herzen und Gefäße haben, könnte für den Blutdruck von Bedeutung sein.
Der Geschlechtsdimorphismus beim Blutdruck-Langzeitverlauf mit dem deutlich früheren Beginn bei Frauen sollte nun vor allem im Hinblick auf unterschiedliche klinische Auswirkungen (wie die Entwicklung einer diastolischen Herzinsuffizienz) detaillierter untersucht werden, so die Autoren. Auf dieser Basis könnten dann gezielte Maßnahmen zur geschlechtsspezifischen Prävention erarbeitet werden.
Quelle: Ji H et al. JAMA Cardiol 2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2019.5306