Corona: Enzephalopathie erhöht 30-Tage-Mortalität deutlich
ZNS-Manifestationen gehören zum klinischen Spektrum der COVID-19-Infektion. Welche wie häufig vorkommen und wie relevant sie für die Prognose sind, zeigte kürzlich eine Untersuchung von Dr. Eric M. Liotta, Neurologe an der Northwestern University Feinberg School of Medicine, Chicago, und Kollegen1.
Die Analyse umfasste 509 hospitalisierte Patienten. Zu Erkrankungsbeginn wiesen 42,2 %, bei Hospitalisierung 62,7 % und zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Krankheit 82,3 % eine neurologische Beteiligung auf. Am häufigsten waren mit 44,8 % Myalgien, gefolgt von Kopfschmerzen (37,7 %), Enzephalopathie (31,8 %), Schwindel (29,7 %), Dysgeusie (15,9 %) und Anosmie (11,4 %). Andere Manifestationen wie Schlaganfall, Bewegungsstörungen, motorische und sensorische Defizite, Ataxie und Krampfanfälle rangierten in ihrer Häufigkeit zwischen 0,2 % und 1,4 %.
Eine schwere respiratorische Insuffizienz, die eine mechanische Beatmung erforderte, entwickelten während des stationären Aufenthalts 26,3 % der Infizierten. Insgesamt waren Patienten mit neurologischer Manifestation jünger und hatten eine längere Zeitspanne von Erkrankungsbeginn bis zur Hospitalisierung. Anders sah es bei der Enzephalopathie aus, an der mehr Ältere erkrankten und Menschen mit kurzer Dauer bis zur Aufnahme in die Klinik.
Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf wiesen ein vierfach erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer neurologischen Manifestation auf, vor allem aufgrund vermehrter Enzephalopathien.
Gehirne von 43 an COVID-19 Verstorbenen untersucht
Ein günstiges funktionelles Outcome wurde insgesamt bei 71,1 % der Untersuchten festgestellt. Allerdings ging eine Enzephalopathie sowohl mit einem um fast 80 % schlechteren Outcome (Odds Ratio 0,22) als auch mit einer signifikant höheren 30-Tage-Mortalität von 21,7 % versus 3,2 % einher. Zum Langzeit-Outcome lässt sich bisher noch keine Aussage treffen.
Unklar war bisher, warum das SARS-CoV-2 neurologische Symptome verursacht und ob es tatsächlich direkt ins Hirngewebe gelangt oder indirekt vermittelt durch den Zytokinsturm im Rahmen einer systemischen Infektion. Die Literatur ergab dazu ein heterogenes Bild.
In der weltweit bisher größten post-mortem Fallserie haben deutsche Forscher unter der Federführung von Dr. Jakob Matschke vom Institut für Neuropathologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die Gehirne von 43 Menschen, die an der Infektion verstorben waren, histopathologisch untersucht.2 Die Verstorbenen waren im Mittel 76 Jahre alt. Die meisten (93 %) hatten vorbestehende chronische Komorbiditäten, 30 % neurologische Erkrankungen.
Schwere therapeutische Entscheidungen
Keine direkte Schädigung des Gehirns nachweisbar
SARS-CoV-2 selbst hatten gemäß PCR-Ergebnis 21 der 40 Patienten (53 %), die untersucht werden konnten, im Gehirn. Die viralen Proteine fand man vor allem in kranialen Nerven aus dem unteren Hirnstamm und in isolierten Hirnstammzellen. Aber eine direkte Schädigung des Gehirns durch den Erreger ließ sich nicht bestätigen. Seine Präsenz im ZNS war auch nicht assoziiert mit dem Schweregrad der neuropathologischen Veränderungen, sodass die kausale Rolle des Virus dafür unklar bleibt.Quellen:
1. Liotta EM et al. Annals of Clinical and Translational Neurology 2020; DOI: 10.1002/acn3.51210
2. Matschke J et al. Lancet Neurol 2020; DOI: 10.1016/S1474-4422(20)30308-2
3. Frank S Lancet Neurol 2020; DOI: 10.1016/S1474-4422(20)30371-9