Corona-Pandemie: Wen beatmen, wenn die Geräte knapp werden?
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In der Regel treffen Ärzte Entscheidungen über die medizinische Versorgung patientenzentriert. Bei knappen Mitteln kommt zusätzlich eine überindividuelle Perspektive hinzu, heißt es in der Veröffentlichung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und weiterer Gesellschaften. Dann ist zu entscheiden, welche intensivpflichtigen Patienten behandelt werden – und welche nicht –, damit möglichst viele Menschen eine nutzbringende medizinische Versorgung erhalten.
Die juristische Verantwortung tragen die jeweiligen Akteure vor Ort
Zwar darf man laut Verfassungsrecht Menschenleben nicht gegeneinander abwägen. Doch werden die Mittel knapp, kommt man nicht umhin, diese verantwortungsbewusst zuzuteilen und einzusetzen, heißt es in der Publikation. Grundlage für die Empfehlungen sind dabei die aus Autorensicht am ehesten begründbaren ethischen Grundsätze. Eine abschließende juristische Einordnung ist darin nicht enthalten. Die Autoren betonen, dass die Verantwortung für entsprechende Entscheidungen bei den Akteuren vor Ort, d.h. in der jeweiligen Klinik, liegt.
Eine solche Priorisierung erfordert transparente, medizinisch und ethisch gut begründete Kriterien, allen voran die klinische Erfolgsaussicht: Vorrangig erhalten jene Patienten eine Therapie, die dadurch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bzw. eine bessere Prognose erreichen. Das gilt nicht nur für COVID-19-Patienten, stellen die Gesellschaften klar, sondern für alle, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigen – auch unabhängig davon, auf welcher Station sie versorgt werden.
Das Alter der Betroffenen oder soziale Kriterien sind als alleinige Kriterien für eine Priorisierung nicht zulässig. Vielmehr sollten folgende Informationen in die Entscheidungsfindung mit einfließen:
- aktueller klinischer Zustand des Patienten
- Patientenwillen (aktuell/vorausverfügt/zuvor mündlich geäußert/mutmaßlich)
- Komorbiditäten
- Allgemeinzustand
- Laborparameter
- prognostisch relevante Scores (z.B. SOFA)
- Schweregrad der aktuellen Erkrankung
- begleitendes akutes Organversagen?
- sobald verfügbar: prognostische Marker für COVID-19-Patienten
- schwere Komorbiditäten (wie chronisches Organversagen oder schwere Organdysfunktionen, weit fortgeschrittene generalisierte neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen, weit fortgeschrittene Krebserkrankung, schwere und irreversible Immunschwäche, Multimorbidität)
- allgemeiner Gesundheitsstatus
- nach Einschätzung der Erfolgsaussichten der Intensivtherapie
- im Hinblick auf ein realistisches patientenzentriertes Behandlungsziel
- im Vergleich zur Erfolgsaussicht der Intensivtherapie für andere Patienten
- unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten
Kein Fall für die Intensivtherapie
Generell nicht indiziert ist die intensivmedizinische Behandlung, wenn
- der Sterbeprozess bereits begonnen hat und sich nicht mehr aufhalten lässt
- die Behandlung als aussichtslos eingeschätzt wird
- der Patient dauerhaft an die Intensivstation gebunden wäre, um zu überleben
- der Patient die Intensivtherapie ablehnt
Wenn sich die Atemfunktion und/oder die Hämodynamik gebessert hat, eine weitere intensivmedizinische Behandlung erforderlich ist und das vordefinierte Therapieziel weiterhin realistisch erscheint, nimmt der Patient an der Priorisierung teil. Dann ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel zu prüfen, ob man den Betroffenen im Vergleich zu anderen Patienten mit intensivmedizinischem Bedarf vorrangig behandeln soll. Diese Entscheidung ist u.a. abhängig von der Organfunktion, dem Verlauf der Grunderkrankung sowie dem bisherigen Ansprechen auf die Behandlung.
Auf ähnliche Weise muss auch in der Notaufnahme priorisiert werden, wenn keine intensivmedizinischen Ressourcen mehr zur Verfügung stehen, die Notaufnahme aber ggf. noch Kapazitäten hat.
Quelle: „Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie – Klinisch-ethische Empfehlungen“, www.divi.de (Stand: 25.03.2020)