Pankreaskrebs Das Wichtigste zum Wann und Wie der Thromboseprophylaxe

WCGC 2023 Autor: Friederike Klein

Durch das Pankreaskarzinom wird das Thromboserisiko fast viereinhalbfach erhöht. Durch das Pankreaskarzinom wird das Thromboserisiko fast viereinhalbfach erhöht. © Aan – stock.adobe.com

Es gibt eine klare Assoziation von venösen thromboembolischen Ereignissen und Krebserkrankungen. Gastrointestinale Tumoren gehen dabei besonders häufig mit VTE einher.

Wenn ein venöses thromboembolisches Ereignis (VTE) bei klinisch „normalen“ Patient:innen diagnostiziert wird, zeigt sich bei Abklärung bei 6 % eine bislang nicht bekannte Tumorerkrankung, berichtete Dr. ­Mario ­Dicato vom hämatoonkologischen Zentrum des Hospitals in Luxemburg. Ein Jahr nach einem  VTE haben sogar 10 % eine Krebsdiagnose erhalten. 

Das Risiko für ein VTE ist bei malignen Erkrankungen bekanntermaßen deutlich erhöht. Spitzenreiter ist das Pankreaskarzinom mit einem fast viereinhalbfach erhöhten relativen Risiko gegenüber nicht an Krebs Erkrankten, erläuterte Dr. Dicato­. 19,2 % der Patient:innen mit Pankreaskarzinom, die eine Chemo­therapie erhalten, waren nach US-amerikanischen Versicherungsdaten von einem VTE betroffen.1 Bei Menschen mit Magenkarzinom war der Anteil mit 15,8 % ebenfalls sehr hoch, bei kolorektalen Karzinomen erreichte er 10,6 %. Die Rate bei nicht an Krebs erkrankten Kontrollen in einem vergleichbaren Zeitraum betrug gerade einmal 1,4 %. 

Das erhöhte VTE-Risiko muss auch in der ambulanten Versorgung der Patient:innen mit gastrointestinalen Tumoren berücksichtigt werden, betonte der Luxemburger. Dabei müssen auch andere Risikofaktoren für VTE berücksichtigt werden, beispielsweise schweres Trauma, Immobilisierung, Östrogeneinnahme, Faktor-V-Leiden-Mutation, zentralvenöse Zugänge und hohe Thrombozytenzahlen.

Ambulante Krebspatient:innen benötigen standardmäßig keine Thromboseprophylaxe, vor dem Beginn einer neuen Chemotherapie kann diese Option aber mit Betroffenen besprochen werden, sagte der Experte. Ein Sonderfall bilden Patient:innen mit Multiplem Myelom, die eine Therapie mit einem immunmodulierenden Wirkstoff (IMiD), Chemotherapie und Dexamethason erhalten. Hier wird explizit eine Thromboseprophylaxe empfohlen, und zwar mit niedermolekularen Heparinen (LNWH), bei niedrigem sonstigem Risiko auch mit Acetylsalicylsäure.2  

Müssen sich Krebspatient:innen einem größeren Eingriff unterziehen, sollte direkt nach der OP die Thrombose­prophylaxe mit LMWH für mindestens 7–10 Tage gestartet werden, bei Vorliegen von Risikofaktoren auch über vier Wochen. Ist eine längere Thromboseprophylaxe notwendig, kann nach initialer Gabe von LMWH auf ein neues orales Antikoagulans (NOAK) umgestellt werden. 

Bei Krankenhausaufnahme wegen einer kleineren Prozedur, wegen Chemotherapie oder für eine hämato­poetische Stammzelltransplantation kann auf eine Thromboseprophylaxe verzichtet werden, wenn keine besonderen Risikofaktoren vorliegen. Ansonsten sollten stationär behandelte Patient:innen mit aktivem Malignom eine Thromboseprophylaxe erhalten, soweit keine Kontraindikationen vorliegen oder eine Blutung besteht, berichtete Prof. Dicato. 

Hohes Anfangsrisiko

Das Risiko für ein VTE ist zu Beginn einer Krebserkrankung besonders hoch und nimmt dann ab. Bei Progress und Metastasierung steigt das Risiko aber wieder deutlich an. Das gilt erneut ganz besonders für das Pankreaskarzinom, betonte Dr. ­Dicato. In jedem Fall muss jeder klinische Verdacht auf ein VTE abgeklärt werden.

Was ist möglich?

Zur Therapie von VTE bei Krebspatient:innen stehen primär LMWH, unfraktioniertes Heparin (UFH) und orale Antikoagulanzien zur Verfügung. Dr. ­Dicato zieht NOAK den oralen Vitamin-K-­Antagonisten (VKA) vor – wegen des engeren therapeutischen Fensters der VKA, das häufig nicht erreicht wird, wegen des hohen Interaktionspotenzials und wegen der erhöhten Blutungsraten. Auch im Vergleich zu LMWH stellen NOAK nach einer Metaanalyse eine gute Alternative für Krebspatient:innen dar.3 Ein erneutes VTE tritt danach unter LMWH in einer Häufigkeit von 6,4 % auf, unter NOAK von 3,5 %, eine schwere Blutung wurde bei 4,6 % und 5,9 % der Fälle beobachtet. 

Dr. ­Docati wies auf das bei Patient:innen mit gastrointestinalen Karzinomen erhöhte Blutungs­risiko hin, das bei der Entscheidung zur Antikoagulation mit zu beachten ist. Die Antikoagulation sollte sechs Monate erfolgen, ein längerer Zeitraum ist nach individueller Risikoeinschätzung möglich. Bei eingeschränkter Nierenfunktion empfiehlt die aktuelle ESMO-Leitlinie die Antikoagulation mit LMWH oder orale Faktor-Xa-Inhibitoren, bei einer Kreatinin-Clearance von < 30 ml/min­ auch unfraktioniertes Heparin gefolgt von VKA oder LMWH angepasst an die Anti-Xa-Aktivität.

Bei adipösen Personen nennt die Leitlinie vorrangig ebenfalls LMWH oder orale Faktor-Xa-Inhibitoren. Im Falle einer persistierenden, schweren Thrombozytopenie (< 50.000 Thrombozyten/µl) wird ein Vorgehen je nach Risiko für einen Thrombusprogress empfohlen. Bei hohem Risiko sollte die Antikoagulation mit voller Dosis erfolgen und mit einer Thrombozyteninfusion begleitet werden, um Thrombozytenzahlen von > 40.000–50.000/µl­ zu halten. Eine Alternative ist ein Vena-cava-Filter zusammen mit niedrig- bis intermediär dosierten LMWH. Bei geringem Risiko eines Thrombusprogresses werden intermediäre bis prophylaktische Dosen eines LMWH genannt. Sinkt die Thrombozytenzahl unter 25.000/µl, sollte die Antikoagulation gestoppt werden.

Quellen:
1.    Khorana AA et al. Cancer 2013; 119: 648–655; DOI: 10.1002/cncr.27772
2.    Falanga A et al. Ann Oncol 2023; 34: 452–467; DOI: 10.1016/j.annonc.2022.12.014
3.    Mulder FI et al. Blood 2020; 136: 1433–1441; DOI: 10.1182/blood.2020005819
Dicato M. 25. World Congress on Gastrointestinal Cancer; Vortrag: Thrombosis in GI Cancers: Biology; Prophylaxis in All Patients?