Diabetiker in kleinen Schritten zum Sport motivieren
Ein 53-jähriger Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 stellte sich zur sportmedizinisch-internistischen Untersuchung vor. Er wollte endlich abnehmen und fitter werden, um im kommenden Jahr an einem Halbmarathon teilnehmen zu können. Eine Behandlung des leicht erhöhten Blutdrucks hielt der Mann bisher für unnötig. Als einziges Medikament nahm er Metformin.
Die Diagnostik ergab ein metabolisches Syndrom mit Diabetes mellitus Typ 2, arterieller Hypertonie (175/115 mmHg), vergrößertem Bauchumfang und erhöhten Triglyzeriden. Die Kollegen verordneten einen ACE-Hemmer in Kombination mit einem Kalziumantagonisten sowie ein Statin. Daraufhin besserte sich der Ruhe-Blutdruck (135/83 mmHg), so dass sowohl Ergometrie als auch Laktatdiagnostik durchgeführt werden konnten. Die Sportmediziner empfahlen dem Patienten folgende Therapie:
- Ernährung: Die bisher konsumierten hoch kalorischen Getränke sollte der Patient durch Wasser, Tee und kalorienreduzierte Getränke ersetzen.
- Sport: Vierphasiger Tainingsplan über zwölf Wochen, beginnend mit leichtem Walking hin zum dynamischen Krafttraining, wobei Umfang und Intensität der Übungen langsam gesteigert werden sollten. Trainingspulsziel: 100–140/min.
- Medikation: Die Antihypertensiva wurden in der Dosis erhöht.
Risikoprofil vor Trainingsbeginn und nach 12 Wochen | ||
---|---|---|
vorher | nach 12 Wochen | |
BMI (kg/m²) | 34,8 | 32,2 |
Gewicht (kg) | 127 | 116 |
Bauchumfang (cm) | 127 | 119 |
VO₂peak (ml/kg/min) | 31,5 | 41,8 |
LDL (mg/dl) | 119 | 99 |
HDL (mg/dl) | 48 | 50 |
Triglyzeride (mg/dl) | 162 | 155 |
BZ (mg/dl) | 114 | 101 |
RR (mmHg) | 175/115 | 137/90 |
Bei der Wiedervorstellung nach zwölf Wochen fühlte sich der 53-Jährige deutlich fitter. Er habe fünfmal die Woche Sport getrieben, anfangs sogar morgens und abends. Die Kombination aus körperlicher Aktivität, Intensivierung der Medikation und Kalorienreduktion wirkte sich auch auf die kardiovaskulären Risikofaktoren aus (s. Tabelle).
Sportmediziner arbeiten nicht mehr nur mit Athleten
Die internistische Sportmedizin ist längst nicht mehr auf Screening-Untersuchungen von Athleten beschränkt, sondern hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem interdisziplinären Fach weiterentwickelt, schreiben Dr. Verena Heinicke und Professor Dr. Martin Halle vom Klinikum rechts der Isar der TU München. Die Neuausrichtung basiert auf einer Vielzahl von Erkenntnissen über den Nutzen von gezieltem körperlichem Training bei einer Reihe von internistischen Erkrankungen.
So lässt sich beispielsweise das Risiko von Patienten mit koronarer Herzerkrankung durch zwei Stunden zügiges Spazierengehen pro Woche innerhalb von fünf Jahren um 60 % reduzieren, Tumorpatienten profitieren von regelmäßigem Ausdauertraining hinsichtlich ihrer Lebensqualität und teilweise sogar der Prognose (Mamma- und Kolonkarzinome).
Bei Diabetikern sinkt infolge einer Lebensstilintervention das Risiko mikrovaskulärer Komplikationen (z.B. Nephropathie). Mittlerweile empfehlen nationale sowie internationale Leitlinien die Sporttherapie als Ergänzung zur Standardbehandlung insbesondere bei metabolischen, kardiovaskulären und Tumorerkrankungen.
Erst den Umfang steigern, dann die Intensität
Im Praxisalltag gilt es also, kräftig die Werbetrommel für den Sport zu rühren und so langfristig die Motivation für alltägliche Bewegung zu schaffen. Dazu geben die beiden Autoren einige Tipps.
- Realistische Ziele setzen: Was will der Patient selbst erreichen?
- Wissen vermitteln: Was bewirken Sport und Ernährung?
- Sportmöglichkeiten erörtern: Was macht dem Patienten Spaß? Wie ist sein aktueller Leistungsstand? Gibt es Sport- oder Walkinggruppen in der Nähe seines Wohnorts?
- Training: Genaue Empfehlungen geben, zum Beispiel in Form eines Trainingsplans. Wichtig ist es, langsam zu beginnen. Erst den Umfang steigern, dann die Intensität.
- Ernährung: Bewusstsein schaffen. Die bisherige Ernährung nicht komplett umstellen, sondern in kleinen Schritten.
- Den Patienten ermuntern, sich für seine Erfolge zu belohnen.
Quelle: Heinicke V, Halle M. Bayerisches Ärzteblatt 2018; 73: 584-591