Wie klappt das motivierende Patientengespräch in der ärztlichen Praxis?

Autor: Alisa Ort

Die richtige Gesprächsführung kann den Stein Richtung Besserung ins Rollen bringen. Die richtige Gesprächsführung kann den Stein Richtung Besserung ins Rollen bringen. © iStock/Rowan Jordan

Durch bestimmte Fragetechniken lassen sich Verhaltensänderungen bei Patienten fördern. Welche Grund­prinzipien es dabei zu beachten gilt, verriet der Psychiater und Suchtmediziner Privatdozent Dr. Andreas Jähne von der Rhein-Jura-Klinik Bad Säckingen.

Als Gesundheitsexperten gehört es zu den täglichen Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten, Patienten über Gesundheitsrisiken aufzuklären. Dies impliziert in der Regel eine Menge von Verboten. Doch mit der alleinigen Konfrontation erreicht man die Patienten nicht, betonte Dr. Jähne. „Menschen neigen dazu, Dingen zu widerstehen, die ihnen aufgezwungen werden. Umgekehrt werden Entscheidungen eher unterstützt, in deren Findungsprozesse der Betroffene einbezogen ist“, so der Experte. Genau dort setzt die motivierende Gesprächsführung an. Sie basiert auf einer partnerschaftlichen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient.

Dr. Jähne erläuterte, dass bei der motivierenden Gespächsführung neben einer spezifischen Fragetechnik die therapeutische Grundhaltung entscheidend ist. Diese basiert auf drei Aspekten:

  • Autonomieorientierung: Der Patient ist frei und trifft die Entscheidung
  • Partnerschaftlichkeit: Der Arzt ist Unterstützer auf Augenhöhe, die Entscheidungsfindung wird gemeinsam vollzogen im Sinne einer „therapeutischen Allianz“
  • Evokation: Ziele werden durch den Patienten selbst benannt und nicht durch den Arzt vorgegeben

„Grundsätzlich ist es wichtig, die individuellen Ansichten und Verhaltensweisen jedes Patienten zu akzeptieren, egal wie seltsam diese einem persönlich auch erscheinen mögen“, riet der Psychiater.

Diskrepanzen zwischen Zielen und Handeln aufdecken

Die meisten Patienten sind nach Aussage von Dr. Jähne nicht unmotiviert gegenüber notwendigen Veränderungen im Lebensstil, sondern ambivalent. Damit Patienten diese Ambivalenz selbst erleben, sollte während des Gesprächs der Widerstand des Patienten aufgenommen und umgeleitet werden. Argumente auf Sachebene oder eine Konfrontation mit Tatsachen sind dabei kon­traproduktiv, sagte Dr. Jähne. Es gilt, zuzuhören und passgenaue Fragen zu stellen. Mit Empathie und Wertschätzung kann es gelingen, die Anliegen des Patienten herauszuarbeiten und ihm die Diskrepanzen zwischen den eigenen Zielen und seinem Handeln aufzuzeigen.

Dabei ist es entscheidend, dass der Patient diese selbst ausspricht und er sie nicht vorgehalten bekommt. Als Hilfsmittel kann auch die sogenannte Motivationswaage zum Einsatz kommen, die der Referent vorstellte. Diese führt auf der linken Seite die „Vorteile des Status quo“ sowie die „Nachteile der Veränderung“ auf und auf der rechten Seite die „Nachteile des Status quo“ sowie die „Vorteile einer Veränderung“.

Häufig wird nämlich vergessen, dass auch die Veränderung Nachteile für den Patienten bedeutet, denen gegenüber er ambivalent ist, merkte der Referent an. „Letztendlich muss es gelingen, mehr Gewicht auf die rechte Seite der Waage zu bringen, erst dann ist ein Patient wirklich bereit für eine Veränderung.“

Motivierende Gesprächsführung – die Technik

  • Empathie ausdrücken
  • Widerstand aufnehmen
  • Diskrepanzen entwickeln
  • Selbstwirksamkeit fördern

SMARTe Zieldefinierung

Spezifisch
Ziele müssen eindeutig definiert sein. Messbar
Ziele müssen messbar sein. Attraktiv
Ziele müssen für die Person ansprechend bzw. erstrebenswert sein. Realistisch
Das gesteckte Ziel muss möglich und realisierbar sein. Terminiert
Das Ziel muss mit einem fixen Datum festgelegt werden können.

Ein weiteres wichtiges Prinzip ist es, die Selbstwirksamkeit des Patienten zu fördern, erklärte Dr. Jähne. Dies gelingt, indem man frühere Erfolge des Patienten betont und ihn dafür lobt. Nicht im Sinne von „Sie sind zehnmal rückfällig geworden“, sondern „Sie haben zehnmal aufgehört“. Es gilt, den Patienten dazu zu bringen, darüber zu sprechen, was er kann bzw. was er sich wünscht – nicht seine Probleme zu fokussieren.

Änderungswillen bestärken und konkrete Ziele definieren

Hat man den Schalter umlegen können und der Patient spricht eine Änderungsbereitschaft aus, muss mit ihm ein konkreter Plan erarbeitet werden, erklärte der Suchtmediziner. Das Ziel, das der Patient benennt, muss dabei spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Der Arzt muss ihn bei der Umsetzung begleiten und bei einem Rückfall auch einen neuen Anlauf möglich machen. Das Fazit von Dr. Jähne lautete: „Es geht darum, den Patienten auf das Fahrrad zu setzen und dazu zu bringen, selber zu treten – und es auszuhalten, dass es sich zunächst unsicher anfühlt und es auch mal wackelt oder man stürzt.“

Quelle: DGIM 2019